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EU-AußenministertreffenBrüssel setzt auf Ohnmacht

Anastasia Zejneli
Kommentar von Anastasia Zejneli

EU-Außenbeauftragte Kallas steht vor einer schwierigen Aufgabe. Sie muss versuchen, einen gemeinsamen Umgang der Mitgliedsstaaten zu Syrien zu finden

Für die EU-Auẞenbeauftragte Kallas wird es angesichts der zunehmenden Krisen schwieriger, eine „kohärentere“ Außenpolitik zu gestalten Foto: Alaa Al Sukhni/reuters

D ie EU-Kommission bricht ihre Neujahrsvorsätze wohl schon im alten Jahr. Eine „aktivere und kohärentere“ Außenpolitik sollte es in der zweiten Amtszeit von Kommissionschefin Ursula von der Leyen geben. Doch die Ereignisse in Syrien überschlugen sich und ließen die Kommission samt ihrer neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas ratlos zurück.

Während Brüssel noch über ihre Reaktion debattiert, versuchen die Türkei, Russland und der Iran bereits ihren Einfluss zu stärken. Auch eine französische Delegation soll am Dienstag Kontakte mit der syrischen Führung aufnehmen. Kein Wunder also, dass Kallas bereits vor dem Treffen der Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen am Montagmorgen mitteilte, dass der deutsche EU-Diplomat Michael Ohnmacht auf dem Weg nach Damaskus sei. Die Zeit läuft auch für die EU davon.

Denn für Kallas wird es mit den mehr werdenden Krisenregionen schwieriger, eine „kohärentere“ Außenpolitik zu gestalten. Bis heute haben die 27 Mitgliedstaaten beispielsweise keine gemeinsamen Umgang mit Israel gefunden. Es ist wichtig, dass Kallas die EU-Staaten für die kommenden, ungewissen Entwicklungen im Nahen Osten eint.

Doch dabei darf sie nicht die Krisen vor der eigenen Haustür vergessen. Dass sie am Montag Sanktionen gegen die georgische Regierung ins Gespräch gebracht hat, die seit nun mehr als zwei Wochen mit Gewalt gegen die Demokratiebewegung auf der Straße vorgeht, ist der richtige Schritt. Nun müssen rechtzeitig Taten folgen.

Ungewisse Zukunft

Gleiches gilt für die Ukraine: Diese stehen vor ihrem dritten Kriegswinter und einer ungewissen Zukunft angesichts Trumps Einzug ins Weiße Haus. Mit der kommenden polnischen Ratspräsidentschaft hat Kallas auch einen verlässlichen Partner, um weitere militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine voranzubringen.

Denn ihr harter Kurs gegenüber Russland brachte sie trotz manchen Kri­ti­ke­r*in­nen am Ende auch ins Amt. Diesen Kurs sollte sie weiterverfolgen, auch wenn er eine Gratwanderung bedeutet und es zu weiteren Spaltungen in der EU führen kann.

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Anastasia Zejneli
Redakteurin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
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8 Kommentare

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  • Wie von DiMa angemerkt, ist Außenpolitik eine Sache der Einzelstaaten. Auf europäischer Ebene ist es der Rat der Europäischen Union, hier für Auswärtige Angelegenheiten, der politischen Vorgaben und Ziele formuliert. Der setzt sich aus den jeweiligen Fachministern der Einzelstaaten zusammen.

    Die Kommission ist eine Verwaltungsstruktur ohne politische Legitimation, da gibt es nichts zu gestalten.



    Wir haben hier Positionen, die im Hinterzimmer nach entsprechender Kungelei, besetzt wurden.

    Das ist das Gegenteil von Demokratie, eine sich selbst ermächtigende Bürokratie.

  • Die Frau Kallas hat mal als erstes den Deutschen (namentlich unseren Bundeskanzler Olaf Scholz) an Bein Gepinkelt.

    • @LeKikerikrit:

      Das ist eine für Frauen eher untypische Handlung.

      • @starsheep:

        Das ist unpolitisch: im NRW(?) gab(gibt?) es mal eine Sendung "Lady's Night". Es wurde nicht erklärt wie, aber als Frau könne man auch ins Pissoir. Da ist es sauberer. Punkt.

  • 27 Länder unter einem Hut zu bringen, ist je nach Thema schwierig bis unmöglich. Beispiel Syrien: Frankreich als ehemalige Kolonialmacht (Stichwort Sykes-Picot-Abkommen) sieht sich hier in der Führungsrolle, sowohl aus wirtschaftlichen Interesse als auch zur Steigerung der französischen "Grandeur". Zypern würde gerne zusammen mit dem Libanon und Syrien die Gasgelder im Mittelmeer zwischen den Ländern ausbeuten, was der Türkei gar nicht gefällt. Zwar sind der Libanon und die Türkei nicht in der EU, haben aber enge Beziehungen zu ihr. Für Deutschland ist Israels Sicherheit Staatsräson, während Irland gerade sehr schlechte Beziehungen zu Israel hat. Wie stellt sich da die EU zu der israelischen Besetzung der syrischen Golanhöhen auf?

  • "Es ist wichtig, dass Kallas die EU-Staaten für die kommenden, ungewissen Entwicklungen im Nahen Osten eint."

    Leider fehlt jede Begründung für diese These. Die Außenpolitik ist nicht Aufgabe der EU. Jedes Mitglied kann seine eigene Delegation nach Syrien schicken oder halt auch nicht.

    Die EU ist kein Staat. Sie braucht keine Außenpolitik (ausgenommen Außenhandelpolitik).

    Viel gewichtiger ist die Frage, was unsere Außenministerium gerade so macht.

    • @DiMa:

      Die EU ist kein Staat, aber eine Staatengemeinschaft, die Regeln gegeben hat. Und es wurde immer betont, und versucht, ein einheitliches Bild nach Außen abzugeben.



      Ich hätte nie geglaubt, dass es einen so rasanten Rollback in die (faschistische) Nationalstaaterei geben könnte, wie zur Zeit.



      EU (EG), Zugpferde Deutschland/Frankreich, Euro, Schengen.



      Und diese große Vision zerstört durch einen kleinkarierten Ökonomen, der ausschließlich in den Kriterien seines Fachs dachte. In D.



      Vielleicht erlebe ich noch, wie meine Kinder/Enkel dieses Dilemma lösen werden.

      • @LeKikerikrit:

        Ebend, die EU ist nur ein Staatenbund und nur für bestimmte Aufgaben zuständig (insbesondere Handel). Die bedeutet im Umkehrschluss, dass sie in bestimmten anderen Bereichen nicht zuständig ist. Damit ist es dann auch nicht notwendig, in diesen Bereichen alle unter einen Hut zu bringen, die Mitglieder können unterschiedliche Auffassungen vertreten. Eine andere Erwartung kann im Ergebnis auf Dauer nur enttäuscht werden und schädigt damit die EU insgesamt.

        Die "große Vision" kann dann allenfalls die Vereinigten Staaten von Europa sein. Als Fan der EU teile ich diese Vision nicht.