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EU-Abgeordneter über Interessenkonflikte„Der Euro kann nicht überleben“

Fabio De Masi von der Linkspartei kritisiert Jean-Claude Juncker, Mario Draghi und Martin Schulz. Die EU-Kommission verhindere Aufklärung, sagt er.

„Mario Draghi hatte natürlich wegen der Politik der Bundesregierung kaum eine andere Wahl“, sagt Fabio De Masi über das Niedrigzinsprogramm des EZB-Chefs Foto: reuters
Eric Bonse
Interview von Eric Bonse

taz: Herr De Masi, Europa will Steuerdumping und Steuervermeidung bekämpfen. Die EU-Kommission hat dazu Vorschläge gemacht. Trotzdem fordern Sie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf zurückzutreten. Warum?

Fabio De Masi: Ich habe Juncker nie gewählt. Er war der Architekt der Steueroase Luxemburg. Wegen solcher Steuertricks verlieren die EU-Länder jährlich Hunderte von Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Das heißt, Juncker und Co haben den Europäern direkt ins Portemonnaie gegriffen. Als wir die LuxLeaks-Affäre im Parlament aufklären wollten, hat er sich feige hinter seinen Beamten versteckt. Dabei geht es mir gar nicht um seine Person. Es geht darum, dass eine Europäische Union der Banken und Konzerne der europäischen Idee schadet.

Anfang Januar ist bekannt geworden, dass Juncker auch in der sogenannten Code of Conduct Group zur Unternehmensbesteuerung gemauschelt haben soll. Können Sie uns das erklären?

Die Gruppe wurde von den EU-Staaten ins Leben gerufen, um gemeinsam die schmutzigsten Steuertricks von Konzernen einzudämmen. Doch in der Praxis trinkt man da lieber Kaffee, und die üblichen Verdächtigen blockieren.

Was ist das Problem?

Die EU hat keine Kompetenzen bei der Unternehmensbesteuerung. Das Europäische Parlament kriegt nicht einmal alle Protokolle dieser Gruppe von der EU-Kommission. Wir können nur versuchen, ein wenig schmutzige Wäsche zu lüften. Ich habe deshalb vor dem EU-Gericht Klage gegen die Kommission eingereicht. Sie ist Teil der Experten-Gruppe, mauert aber. Es gibt offensichtlich etwas zu verbergen!

Das Europaparlament hat die Kommission jetzt auch wegen der geplanten Schwarzen Liste zu Geldwäsche gerügt. Wieso?

Richtig, die Liste wurde auf Antrag der Linksfraktion vom Parlament abgelehnt. Der Grund ist, dass die EU-Kommission sich bei ihrer Liste einfach auf Angaben der OECD stützt. Deshalb fehlten etwa Länder wie die Bahamas oder Panama. Die Kommission ist laut Geldwäsche-Richtlinie aber zu eigenen Analysen verpflichtet. Länder, die Terrorfinanzierung oder Geldwäsche fördern, dürfen nicht von Brüssel geschützt werden. Deshalb zeigt das Europaparlament jetzt endlich Zähne.

In Deutschland ist das kein großes Thema. Hier konzentriert sich die Kritik an der EU auf den Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi.

Ja, sein Anleihenkaufprogramm und die niedrigen Zinsen werden in Deutschland kritisiert. Draghi hatte natürlich wegen der Politik der Bundesregierung kaum eine andere Wahl. Er wollte die Finanzmärkte beruhigen und verhindern, dass der Euro zerbricht. Allerdings haben wir nun einen giftigen Cocktail aus billigem Geld und Kürzungen – und das ist die schlimmste aller Kombinationen. Denn das billige Geld kommt nicht in der realen Wirtschaft an, sondern landet auf den Finanzmärkten. Wer sich über Draghi beschwert, muss also investieren. Dann wären auch wieder etwas normalere Zinsen möglich. Bei null Zinsen nicht mehr zu investieren, wie Schäuble, ist absurd.

Deutschland zwingt die Euro-Partner mit chronischen Exportüberschüssen in Verschuldung und Arbeitslosigkeit

Fabio De Masi

Allerdings wird gegen Draghi nun ermittelt, weil er in der Finanzlobby-Gruppe namens G-30 mitmischt. Sogar die Ombudsfrau der EU hat sich eingeschaltet.

Zu Recht. Wie auch die lobbykritische NGO CEO habe ich mich bei der Ombudsfrau beschwert: Die EZB ist seit der Finanzkrise mit der Aufsicht über die größten Banken befasst. Es ist deshalb höchst problematisch, wenn Draghi Mitglied in der Group of 30 ist, also einem Club mit den Vorsitzenden der Banken, die er eigentlich beaufsichtigen soll. Dort diskutiert er womöglich die Geldpolitik mit privaten Finanziers – das ist ein Interessenkonflikt, denn die Investoren könnten so einen Informationsvorsprung gewinnen. In den USA gibt es viel striktere Regeln.

Sehen Sie die Zukunft des Euro so schwarz wie US-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der den Zusammenbruch prophezeit?

Ich bin überzeugt, dass der Euro nicht überleben kann. Denn Deutschland zwingt die Euro-Partner mit chronischen Exportüberschüssen in Verschuldung und Arbeitslosigkeit. Da genügt ein Blick nach Italien: Das Land hat seit Einführung des Euro ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung verloren, steckt in einer permanenten Depression. Draghi droht, dass Italien seine Kredite aus dem Target2-System [dem internen Verrechnungssystem der EZB – die Red.] in Euro zurückzahlen muss, wenn es die Währung verlässt. Dabei nehmen bereits Nicht-Euro-Länder an Target teil.

Also könnte Italien ungestraft aus dem Euro austreten?

Ich nehme Draghis Drohung nicht besonders ernst. Je mehr Anleihen er kauft, desto einfacher wird ein Schuldenschnitt. Denn für die EZB ist das nur eine Luftbuchung.

Aber Deutschland wird nicht zulassen, dass Italien geht und damit der Euro zusammenbricht.

Deutschland tut aber alles dafür, dass der Euro zerbricht. Berlin hat derzeit die Hosen an in der EU, das stimmt. Deshalb ist die Bundestagswahl auch wichtig für Europa. Leider bieten SPD und Grüne in der Europapolitik jedoch keine echten Alternativen. Dabei ist doch offensichtlich, dass die EU nicht weitermachen kann wie bisher! Wer etwa als Reaktion auf den Brexit und die Wahl Donald Trumps in den USA aufrüstet und damit noch mehr Krieg, Terror und Flucht vor Europas Haustür schafft, hat nichts verstanden.

Oliver Hansen
Im Interview: Fabio De Masi

37, ist Ökonom und sitzt seit 2014 für die Linke im Europaparlament. Er war Mitglied im Ausschuss zur LuxLeaks-Affäre und ist seit 2016 Vizevorsitzender des Untersuchungsausschusses zu Geldwäsche und Steuerflucht.

Mit Martin Schulz soll ja nun alles anders werden. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem SPD-Kanzlerkandidaten aus der gemeinsamen Zeit im Europaparlament?

In Brüssel war Schulz der Türsteher der Großen Koalition. In der LuxLeaks-Affäre zu Steuerdeals mit Konzernen hat er Juncker geschützt, beim Konzernschutzabkommen Ceta hat er Debatten verhindert und die Kürzungspolitik in Griechenland unterstützt. Entscheidend ist daher nicht, was die SPD vor der Wahl verspricht, sondern ob die SPD noch vor der Wahl liefert und die Mehrheiten im Bundestag nutzt.

Sie könnte etwa mit der Linken und den Grünen die Abgeltungsteuer des früheren SPD-Finanzministers Eichel wieder abschaffen. Einkommen aus Arbeit wird höher besteuert als Leute, die Geld und somit andere arbeiten lassen. Die SPD will zudem keine Vermögensteuer für Millionäre. Das riecht doch sehr ­danach, dass sich Schulz als Vizekanzler unter Merkel bewirbt.

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14 Kommentare

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  • "Dabei ist doch offensichtlich, dass die EU nicht weitermachen kann wie bisher!"

     

    Das Grundproblem - wohl nicht nur in Deutschland!" - ist doch, dass jede Kritik an der EU "Europafeindlichkeit" genannt wird - was für eine unfassbare Anmaßung; die Bürger merken das so langsam und genau aus dieser Überheblichkeit entstanden erst die EURO und EU kritischen Parteien: FN, 5 Sterne, AfD, PiS, Fidesz....

    Diese Kommission gehört durch ein demokratischeres Konstrukt ersetzt, denn ansonsten zerbricht Europa an den Institutionen, die sich selbst "Europa" nennen.

  • Gut, dass die Linke endlich auf klare Distanz zum Euro geht.

    Das EU-Konstrukt hat sich 60 Jahre nach den Römischen Verträgen überlebt.

    Zeit, etwas neues zu wagen.

  • Die ewige Leier mit der Vermögensssteuer für Reiche ist doch ein abgelutschter Drop. Das kapieren die Linken wohl NIE.

    WENN man den Reichen ans Leder will, dann muss man die Abgeltungssteuer abschaffen und bei Einkommensteuer und Erbschaftssteuer Hand anlegen. DA (!) sitzt das Geld!

  • Also schlafen wir den Schlaf der Gerechten... Es wird schon nicht so schlimm kommen... und überhaupt was geht mich das an?

     

    Das wird so lange gutgehen, bis wir vom Kanonendonner unsanft geweckt werden.

    Der Schlaf war dann aber sehr erholsam.

    • @EF:

      Das war eigentlich als Antwort für DERARCHITEKT gedacht

  • Meiner Meinung nach gibt es weder Eurokrise, noch Demokratiekrise oder eine Flüchtlingskrise. Der Trump ist auch nicht so furchtbar schlimm, genau so wenig wie der Islamismus.

     

    Das einzige was wirklich in der Krise steckt, sind die Übermittler dieser Nachrichten: die Medien. Ständig werden Krisen herbei geschrieben und mit einer komplett einseitigen Berichterstattung untermalt. Ich mag den Begriff der Lügenpresse nicht, obwohl er tatsächlich hier und da zutrifft, aber dass es einen ausartenden Sensationsjournalismus gibt, ist unbestreitbar. Man siehe sich alleine das Bashing auf den 10 jährigen Sohn von Trump an...man scheint keine Schamgrenzen mehr zu kennen.

     

    Meine Prognose für die Zukunft: das langweiligste Szenario ist das wahrscheinlichste. Die Presse kann einem zwar angst machen, aber sie kann die Realität nicht mehr ummodellieren.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @DerArchitekt:

      Im Altertum wurden die Übermittler schlechter Nachrichten umgebracht. Da, wo zu viele Menschen wie Sie den Kopf in den Sand stecken, passiert das auch heute.

  • " Draghi droht, dass Italien seine Kredite aus dem Target2-System [dem internen Verrechnungssystem der EZB – die Red.] in Euro zurückzahlen muss, wenn es die Währung verlässt. Dabei nehmen bereits Nicht-Euro-Länder an Target teil."

     

    Hat der Mann keinerlei Sachwissen? Natürlich können Nicht-Euro-Länder die Kredite auch in anderen Währungen bedienen, wenn sie ursprünglich nicht in Euro aufgenommen wurden. Italien hat Kredite in Euro aufgenommen, muss diese also auch in der gleichen Währung zurückzahlen.

    • @Dideldidum:

      Sie glauben Draghi hätte kein Sachwissen? Selbstverständlich müsste Italien die Target2 Schulden in Euro zurückzahlen, aber doch nur, wenn es den Euro und damit die EZB überhaupt noch gibt.

       

      Scheitert der Euro, gibt es keine EZB mehr und folglich auch keine Target2 Schulden, die man an diese zurückzahlen müsste. Genauswenig wie die positiven Target2 Salden ausbezahlt werden an die Gläubigerländer (insbesondere Deutschland) die schauen eben in die Röhre, wenn die EZB verschwindet.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Dideldidum:

      Wie nehmen andere Länder Kredite durch Target auf, die nicht in Euro sind? Mein Wissensstand ist der:

      Das Target System dient dem Transfer von Eurogeld und der automatisierten Kreditvergabe in Eurogeld. Es können demnach keine Kredite in anderen Währungen durch das Target-System ausgegeben werden. Das zumindest sagt mir als Nicht-Experten Wikipedia. Wenn ein Kredit in Euro über Target aufgenommen wurde, heißt das selbstverständlich nicht, dass er in Euro über Target zurückgezahlt werden muss, Nicht-Euro-Staaten haben eigene Rückzahlungsvereinbarungen, das haben Sie auch nicht bestritten.

      Bevor Sie "den Mann" belegen, belegen Sie doch erst einmal ihre eigenen Behauptungen.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Wer etwa als Reaktion auf den Brexit und die Wahl Donald Trumps in den USA aufrüstet und damit noch mehr Krieg, Terror und Flucht vor Europas Haustür schafft, hat nichts verstanden."

     

    Anja Reschke und "Panorama" machen Gedankenspiele zu einer deutschen/europäischen Atombombe: http://www.ardmediathek.de/tv/Panorama/US-Atombomben-in-Deutschland-und-Donald-/Das-Erste/Video?bcastId=310918&documentId=40422862

  • Kommemntare dazu, dass Deutschland schuld sein soll am Zerbrechen des Euro gibt es schon 24 Stunden lang keine.

     

    Über eine solche Ansicht liest man eben bei uns gerne und schnell hinweg, obwohl jeder mittlerweile ganz genau weiß, dass außerhalb unserer Grenzen der deutsche Exportüberschuss als ein Hauptgrund angesehen wird für die eurobedingte Situation in Südeuropa mit weiterer Verschuldung und Arbeitslosigkeit.

     

    Um diese Diskussion drücken sich in Deutschland nicht nur Regierung, Parteien und die meisten Medien, sondernund die individuellen User in den Foren geflissentlich herum.

    • @unSinn:

      Der US-Dollar bricht auch nicht zusammen, weil Kalifornien einen enormen Exportüberschuss und die Bibel-Belt-Staaten enorme Handelsdefizite erwirtschaften. Es kommt auch auf die jeweilige Schulden-, Struktur- und Steuerpolitik an. Und bei Problemen wird die Schuld gerne "außerhalb der Grenzen" gesucht, in jedem Land. Gerade über die EU-Struktur- und Sozialfonds wird selten geredet, dabei sollte man sich doch fragen, warum von den ärmeren Staaten der Großteil verfügbarer EU-Gelder zum Investieren nicht abgerufen wird. Oder warum in Griechenland Leute krepieren, weil das soziale Netz wegfällt und gleichzeitig griechische Millionäre und Steuerhinterzieher geschont werden.

      • @Dorian Müller:

        Aber für genau wasdie Steuer- Strukturpolitik (v.a. mehr direkte und indirekte Transfers von Norden nach Süden) betrifft sehe ich realpolitisch keine Chancen auf Änderungen in der €-Zone.

         

        In den USA wird weit mehr zwischen den Staaten umverteilt als in der Eurozone. Zudem können die Staaten sich für bankrupt erklären (d.h. sich entschulden, in dem man seine Gläubiger nicht mehr bedient), ohne aus dem Dollar auszuscheiden. Das geht in der Eurozone offensichtlich nicht.