EMtaz: Achtelfinale Wales – Nordirland: Nächstes Eigentor für die Briten
Schöne Gesänge, schlechtes Spiel: Wales und Nordirland lieferten sich ein Duell auf Fußhöhe. Gewonnen hat Wales – durch ein Eigentor.
Die Startbedingungen: Die erste Begegnung zweier britischer Teams, nachdem sich das Königreich für einen Austritt aus der EU entschieden hat. Im Referendum stimmte die Mehrheit der Nordiren für einen Verbleib. Die Waliser dagegen haben für „Leave“ votiert, ihr Team möchten sie natürlich weiter im Turnier sehen.
Die Chancen dafür standen gut, denn in der Mannschaft des Cymru-Coach Chris Coleman erweist sich der derzeit teuerste Spieler der Welt, Gareth Bale, trotz Frisur-Imitat als Anti-Zlatan. Dem Kollektiv demütig untergeordnet, hat er pflichtgemäß geliefert: Dank dreier Treffer führt er gemeinsam mit dem Spanier Morata die Torjägerliste an und hat Wales an die Spitze seiner Vorrundengruppe geschossen – vor England. Schon allein wegen des Real-Madrid-Stürmers lässt Wales sich nicht mehr als exotischer Außenseiter belächeln, der einen frühen Überraschungstreffer mit dem Bau einer keltischen Steinmauer über die Restspielzeit zu retten versucht.
Die Nordiren sind genau diese Maurer, mit Torwart Michael McGovern als ihrem Meister. Im Turnier sind sie aber nur geblieben, weil Thomas Müller vor dem 1:0 Deutschlands gegen die Elf von Trainer Michael O'Neill zu viel Golf gespielt und zu wenig Milch getrunken hat. Ihre Fans, die fest mit dem Ausscheiden nach der Vorrunde rechneten, hatten schon das Rückflugticket in der Tasche. Sie mussten umbuchen und durften nun weiter hoffen, dass endlich der beim englischen Zweitligisten Wigan Athletic spielende Will Grigg aufs Feld geschickt wird. Denn „Will Grigg's on Fire“, wie die nordirischen Fans unaufhörlich nach der Melodie des 1996er Ohrwurms „Freed from Desire“ singen.
Das Vorurteil: Die eigentliche Konkurrenz findet sowieso auf den Rängen statt: Welcher Fanblock kann lauter und emotionaler seine Hymnen schmettern? Die Waliser haben für ihre Performance die bessere Steilvorlage gekriegt – „Together Stronger“ von den Manic Street Preachers.
Das Spiel: Die Nordiren dominieren eindeutig – zumindest musikalisch. Die ganze erste Hälfte über stimmen sie immer wieder … ja, genau. Und Grigg? Bleibt wieder einmal auf der Bank. Nordirlands Stümer Kyle Lefferty wird auch zwischendurch besungen, kann aber das Spiel genauso wenig für sein Team drehen, wie Bale für Wales etwas zu reißen imstande ist.
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Die Partie erweist sich als so zäh wie der Kaugummi, den beide Trainer mit den Zähnen malträtieren; oder wie voraussichtlich die Verhandlungen zwischen London und Brüssel um den Ausstieg Britanniens. Kein Tempo, keine taktischen Finessen, eine Menge Fehlpässe.
Ein klares Abseitstor des Walisers Aaron Ramsey in der 18. Minute ist schon der Höhepunkt. Oder doch eher das Trikotzerren vom Waliser Chris Gunter an Kyle Lefferty in der 38. Minute? Den anschließenden Freistoß für Nordirland vergeigt Oliver Norwood knapp. Insgesamt haben die Nordiren sogar die besseren Chancen, obwohl die Waliser mehr Ballkontakte aufweisen. Aber: Sind beide Mannschaften vom Durchwachen der langen Brexit-Nacht etwa so geschwächt, dass sie dermaßen niveaulos vor sich herbolzen?
Nach der Pause haben die Nordiren weiterhin mehr Power – beim Singen. Geschmettert wird … ja, richtig. Von Will Grigg ist aber weiter nichts zu sehen. Die Qualität der Begegnung ist zunächst noch schlechter als in der ersten Hälfte, das können die musikalischen Darbietungen nicht wettmachen. Erst als die Waliser mit dem Auswechseln beginnen, kommt noch mal Leben ins Spiel. Gareth Bale dreht endlich auf. Seinen Freistoß aus 27 Metern Entfernung in der 58. Minute kann Keeper McGovern noch parieren. Aber in der 75. Minute flankt er von der linken Seite so sauber in den Fünf-Meter-Raum des Gegners, dass der unglückliche nordirische Innenverteidiger Gareth McAuley den Schuss praktisch sauber verwandeln muss. Eigentor. 1:0. Auch auf den Rängen übernehmen die walisischen Fans bis zum Abpfiff wieder die Führung.
EMtaz: Und raus bist du!
Der entscheidende Moment: Als die Waliser den kleinen quirligen Offensivspieler Jonathan Williams ins Spiel bringen. Der zeigt seinen bis dahin tranigen Kollegen, dass sich doch noch lohnt, nach Löchern in der nordirischen Mauer zu suchen. Blöd nur, dass er später mit seinem eigenen Kapitän Jonathan Williams so unglücklich zusammenknallte, dass der die Partie mit lädierter Schulter zu Ende spielen musste.
Die Pfeife des Spiels: Will Grigg. Fährt ohne Einsatz nach Hause. Hatte wahrscheinlich vor lauter „fire“ einen Burn Out.
Das Urteil: Beide Teams hätten sich mit dieser Begegnung nicht mal für die englische Second League qualifizieren können. Wales war mit dem doppelten Gareth aber größeres Glück beschieden. Nordirland erlebt nun zweimal kurz hintereinander seinen unfreiwilligen Brexit.
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