E-Mobilität im Schienenverkehr: Wasserstoffzug soll Dieselloks ersetzen

In Deutschland wurde die weltweit erste Bahn mit Brennstoffzellen-Antrieb zugelassen. Die Technik leistet Abhilfe, wo Batterien versagen.

Ein Zug steht an einem Gleis

Ein Zug mit Wasserstoffantrieb des Konzerns Alstom Foto: dpa

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat vor wenigen Tagen dem „Coradia iLint“ die Zulassung für den Fahrgastbetrieb auf dem deutschen Schienennetz erteilt. Bei diesem Zug, gebaut von der Firma Alstrom, handelt es sich um den weltweit ersten mit Brennstoffzellenantrieb.

Damit können nun auch auf Strecken ohne Oberleitung Elektrotriebwagen verkehren. Züge mit Batterien wären aufgrund des Gewichts und des Volumens des Energiespeichers undenkbar, mit der Brennstoffzelle hingegen wird der Strom an Bord aus dem Wasserstoff gewonnen.

Das Bundesverkehrsministerium hat die Entwicklung des Fahrzeugs mit 8 Millionen Euro gefördert. Der Präsident des Eisenbahn-Bundesamtes, Gerald Hörster, wertete die Zulassung als Beleg dafür, dass „das behördliche Zulassungsverfahren einer zügigen Realisierung innovativer Projekte nicht entgegensteht“.

Der Coradia iLint wurde von Alstom-Teams in Salzgitter und im französischen Tarbes entwickelt. Dazu bedurfte es aber eines zweiten Anlaufs: Als zwei Ingenieure die Idee im Jahr 2012 ihrem Vorgesetzten präsentierten, stießen sie auf taube Ohren. 2016 stellte Alstom dann aber doch einen Prototypen auf der Fachmesse Innotrans in Berlin vor.

Die Prototypen fahren ab September durch Niedersachsen

Den ersten Auftrag über die Lieferung von 14 Brennstoffzellen-Zügen erteilte im November die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen. Im September sollen die ersten beiden Prototypen im Elbe-Weser-Gebiet den Fahrbetrieb aufnehmen, ab Dezember 2021 sollen alle 14 bestellten Züge zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude verkehren.

Der Zug sei „komplett emissionsfrei“ und geräuscharm, er gebe lediglich Wasserdampf und Kondenswasser ab, betont der Hersteller. Wolfram Schwab, Manager bei Alstom, sparte zur Zulassung nicht mit großen Worten: Alstom sei „unglaublich stolz“, der Zug „ein Meilenstein in der emissionsfreien Mobilität“.

Die Drucktanks, in denen der Wasserstoff auf 350 bar komprimiert wird, und die beiden Brennstoffzellen mit jeweils 200 Kilowatt Leistung sind ins Zugdach integriert. Zugleich gibt es im Boden des Triebwagens Lithium-Ionen-Batterien, die beim Beschleunigen zusätzlichen Strom bereitstellen und auch der Versorgung der Bordsysteme wie Türen oder Klimaanlage dienen.

Die Bahntochter DB Systemtechnik hatte seit vergangenem Herbst ein intensives Testprogramm mit dem Fahrzeug absolviert, dessen Höchstgeschwindigkeit laut Herstellerangaben bei 140 Kilometern pro Stunde liegt. Im Unterschied zur Diesel-Variante von Alstom, die es seit fast zwanzig Jahren gibt, bremst der Wasserstoff-Triebwagen hauptsächlich elektrisch. Er gewinnt also per Generator Brems­energie zurück, die in den Fahrzeugbatterien zwischengespeichert werden kann.

Neue technische Option

Während in der öffentlichen Debatte unter Elektromobilität zumeist allein der batterieelektrische Antrieb verstanden wird, schafft Alstom mit der Brennstoffzelle eine neue technische Option: Eine Reichweite von rund 1.000 Kilometern und eine Betankung, die nicht länger als bei Dieselfahrzeugen dauert, sollen das Fahrzeug praxistauglich machen.

Für eine erfolgreiche Energiewende ist der Einsatz von Wasserstoff eine attraktive Option, denn das energiereiche Gas lässt sich in Zeiten, wenn Sonne und Wind Strom im Überfluss liefern, per Elektrolyse aus Wasser gewinnen. Man speichert also Ökostrom für den Zugverkehr und stabilisiert zugleich das Stromnetz, da man diesem zeitweilige Überschüsse abnimmt.

Zwar ist – rein physikalisch betrachtet – der Wasserstoffpfad im Vergleich zur Batterie-Variante deutlich weniger effizient. Doch dort, wo die Batterie die Energiewende nicht zu leisten vermag, etwa im Zug- oder Schwerlastverkehr, wird der Wasserstoff einspringen können.

Wichtig für den Klimaschutz ist freilich, dass der Wasserstoff ausschließlich unter Einsatz erneuerbarer Energien erzeugt wird. Und das sollte zudem nur zu den Zeiten geschehen, wenn der Ökostrom nicht andernorts fossile Stromerzeuger ersetzen kann. Das heißt: In Stunden, in denen zum Beispiel viel Windstrom vorhanden ist, ist es immer sinnvoller, erst einmal die Kohle- und Atomkraftwerke zu drosseln. Erst wenn das geschehen ist, und trotzdem noch zu viel Strom vorhanden, sollte mit diesem Wasserstoff erzeugt werden.

An dem ökologischen Konzept allerdings hapert es noch. Für den Anfang, so musste Alstom zugeben, sei der eingesetzte Wasserstoff ein Nebenprodukt eines industriellen Prozesses.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.