Bahnverkehr in Schleswig-Holstein: Eine Zugfahrt, die ist schmutzig

In Schleswig-Holstein fahren auf den meisten Strecken noch Dieselloks. Mit Oberleitungen würde weniger CO2 ausgestoßen, doch der Neubau ist teuer.

Ein Zug fährt aus dem Bahnhof von Niebüll.

Oberleitungen gibt es hier nicht: der Bahnhof von Niebüll Foto: dp

HAMBURG taz | Was den Bahnverkehr betrifft, steckt Schleswig-Holstein in einem Dilemma. Auf 70 Prozent der Strecken im Land fahren noch Dieselloks und verpesten die Luft. Es fehlen Oberleitungen. Die würden zwar eine Einsparung beim C02-Ausstoß bewirken, bedeuten aber auch einen Eingriff in die Natur.

Die Jamaika-Koalition hatte vereinbart, das Schienennetz in Schleswig-Holstein zu modernisieren, um den Schienenpersonennahverkehr für die Kunden attraktiver zu machen. Insbesondere die Elektrifizierung solle vorangetrieben werden, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und FDP.

Nun ergibt sich aktuell die Chance, einen Teil der Strecke Hamburg-Westerland zu modernisieren. Da die Anlagen marode sind, investiert die Deutsche Bahn ohnehin 160 Millionen Euro in die Sanierung. 140 Millionen Euro veranschlagt das Unternehmen für die Erneuerung der Gleisanlagen, 20 Millionen Euro für acht Bahnübergänge, Brücken und Signaltechnik. Eine mögliche Alternative zu den Dieselloks ist hingegen nicht vorgesehen.

Bislang ist die Strecke nur bis Itzehoe elektrifiziert. Aufgrund der schweren Lasten der Autozüge und der dichten Zugfolge wäre jedoch der Abschnitt Niebüll – Westerland für den E-Betrieb prädestiniert. Täglich nutzen 14.000 Menschen die Bahn auf der Strecke der sogenannten Marschbahn von Hamburg nach Westerland, ab Niebüll sind es 4.500 Pendler in Richtung Sylt.

Zögerliche Landesregierung

Daran würde auch die Norddeutsche Eisenbahngesellschaft Niebüll GmbH (Neg) gern mitverdienen. Das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Niebüll betreibt unter anderem die „Kleinbahn“ nach Dagebüll. Geschäftsführer Ingo Dewald fordert die Elektrifizierung der Strecken in Nordfriesland und hat dafür auch ein eigenes Konzept vorgelegt. Seit Kurzem gebe es für die konkrete Umsetzung auch eine positive Machbarkeitsstudie des Dresdner Instituts für Bahntechnik. „Die Pläne liegen bereit, sind bereits geprüft“, sagt Dewald. „Nun liegt es allein am politischen Willen.“

Öffentlicher Nahverkehr wird von den Ländern finanziert. Im Regionalisierungsgesetz ist geregelt, dass die Länder dafür Bundesmittel bekommen, da es sich um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt. Schleswig-Holstein bekommt etwa 250 Millionen Euro im Jahr. Die Länder legen dann die Verkehrslinien, den Verkehrsumfang oder die Art der Fahrzeuge fest. Das Land vergibt die Strecke mithilfe einer Ausschreibung an ein Unternehmen, welches sich wiederum um die Bewirtschaftung der Strecke kümmert.

Doch auch wenn Neg-Geschäftsführer Dewald darlegt, dass die Eloks deutlich effizienter und dadurch günstiger seien, zögert die Landesregierung. Bislang lehnte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) die Elektrifizierung der Strecke nach Westerland ab: „Die Trasse führt durch den Nationalpark Wattenmeer, da greift der Vogel- und Naturschutz.“ Die Installation einer Oberleitung würde wohl auf Widerstand der Naturschutzverbände stoßen. Das Konzept der Neg, das vom Ministerium noch nicht geprüft wurde, sieht hierfür Vögel ablenkende Maßnahmen an den Drähten vor.

Ein weiterer Punkt, der für das Wirtschaftsministerium gegen die Oberleitung spricht, sind die Kosten: Ein Kilometer Oberleitung koste das Land eine Million Euro, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage.

Auch die Deutsche Bahn ist gegen den Ausbau der Strecke. Der durch den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) bis 2030 ermittelte Ausbauumfang beziehe sich lediglich darauf, dass der Streckenabschnitt Niebüll-Klanxbüll zweigleisig werden solle. Oberleitungen seien nicht vorgesehen, teilt eine Bahnsprecherin mit.

Strom von örtlichen Windkraftanlagen

Neg-Geschäftsführer Dewald hofft, dass sich sein Vorschlag letztlich doch durchsetzt, trotz der Baukosten. Der Betrieb werde sich leicht amortisieren, glaubt Dewald. Örtliche Windmüller könnten den Strom aus den lokalen Windkraftanlagen liefern; die kostengünstige Energie könnte durch neue Speichersysteme wie leistungsfähige Unterwerke gleich vor Ort verbraucht werden. Er muss mit diesen Plänen in jedem Fall noch bis 2025/2026 warten. Dann schreibt das Land die Strecke wieder aus.

Im Osten Schleswig-Holsteins tut sich hingegen etwas. Auch das Netz Ost hat einen hohen Anteil dieselbetriebener Linien. 2018 hat das Land die Strecken Lübeck-Travemünde – Lübeck Hbf, Lübeck Hbf-Hamburg Hbf und Lübeck Hbf-Puttgarden neu ausgeschrieben und dabei gefordert, den CO2-Ausstoß deutlich zu verringern. DB Regio hat den Zuschlag erhalten.

Die Lösung sollen auch hier nicht neue Oberleitungen sein, sondern akkubetriebene Züge. Die können in einigen Bahnhöfen über bereits vorhandene Oberleitungen nachgeladen werden. 55 akkubetriebene Triebwagen sollen ab Ende 2022 die Dieselantriebe ersetzen. Die Reichweite einer Batterieladung liegt bei bis zu 150 Kilometern.

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