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Drug-Checking in BerlinHohe Nachfrage nach Drogenanalysen

Rund 2.000 Proben hat das Berliner Drug-Checking-Projekt im ersten Jahr getestet – und in jedem zweiten Fall gewarnt. Trotzdem drohen Einsparungen.

Was und wie viel steckt hier drin? Ecstasy-Pille mit „Red Bull“-Prägung Foto: Henning Kaiser/dpa

Berlin taz | MDMA, versetzt mit Heroin. Kokain und Ketamin, gestreckt mit dem Tierentwurmungsmittel Tetramisol. Gras, unter das ein Antidepressivum gemischt wurde: Das sind drei aktuelle Warnungen auf der Webseite des Berliner Drug-Checking-Projekts, das vor einem Jahr gestartet ist und von der Senatsgesundheitsverwaltung gefördert wird. Seitdem können Kon­su­men­t*in­nen an drei Teststellen kostenlos, legal und anonym psychoaktive Substanzen analysieren lassen.

Das Angebot kommt so gut an, dass im ersten Jahr hunderte In­ter­es­sen­t*in­nen abgewiesen werden mussten. Das geht aus einer Bilanz der Gesundheitsverwaltung hervor, die auf Nachfrage des Grünen-Angeordneten Vasili Franco erstellt wurde. Demnach wurden von Juli 2023 bis Juni 2024 rund 1.800 Proben ausgewertet und fast 850 Warnungen veröffentlicht. In dem Zeitraum konnten 785 Anfragen nicht angenommen werden.

Die Statistik zeigt, dass vor allem die typischen Partydrogen analysiert wurden: Am häufigsten – 453 Mal – haben die Kon­su­men­t*in­nen MDMA und Ecstasy-Pillen testen lassen: Jede vierte Probe war somit ein MDMA-Produkt. An zweiter Stelle mit 354 Fällen folgen Cathinone, zu denen auch die Substanz Mephedron zählt. Auf den weiteren Plätzen liegen Speed, Kokain und Ketamin.

Für Vasili Franco, Fraktionssprecher für Drogenpolitik, untermauern die Zahlen den Erfolg und die Notwendigkeit von Drug-Checking: „Das Berliner Projekt leistet einen wertvollen Beitrag zur Verhinderung von gefährlichen Konsummustern, Fehlgebrauch und Überdosierungen“, sagte Franco am Donnerstag. „Auch Konsumierende illegaler Substanzen haben ein Recht auf Gesundheitsschutz. Daher muss gelten: Wenn schon konsumiert wird, dann möglichst sicher.“

Rot-grün-rotes Vorzeigeprojekt

Das Drug-Checking nach dem Vorbild von Städten wie Zürich war ein Vorzeigeprojekt des ehemaligen Berliner rot-grün-roten Senats. Im Juni 2023 ging es mit zwei Jahren Verspätung an den Start. An den drei Teststellen in Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln werden die eingereichten Substanzen meist innerhalb von drei Tagen darauf geprüft, ob sie gefährlich oder gestreckt sind.

Die meisten Warnungen wurden laut Bilanz ausgesprochen, weil Drogen verunreinigt oder falsch deklariert waren. An dritter Stelle folgen Warnungen wegen hoher Dosierungen – die im Laufe des Jahres allerdings seltener wurden. Die Warnungen werden auf der Webseite des Drug-Checking-Projekts veröffentlicht, die im ersten Jahr mehr als 200.000 Mal aufgerufen wurde.

Für den Erfolg des Drug-Checking-Projekts sprechen auch Daten aus dem Fragebogen, den die Kon­su­men­t*in­nen an den Teststellen ausfüllen können. Vier von fünf Befragten geben an, vorher noch nie Kontakt zu Angeboten der Suchthilfe gehabt zu haben. Laut Franco deckt sich das mit dem Ziel des Projekts, neue Bevölkerungsgruppen zu erreichen und die Suchthilfe bekannter zu machen und zu entstigmatisieren. Außerdem zeigen die Zahlen, dass die meisten Teil­neh­me­r*in­nen des Checkings junge Erwachsene sind: Drei Viertel sind jünger als 40. Der älteste Nutzer war 76 Jahre alt.

Finanzierung in Gefahr

Allerdings sieht es so aus, als müssten die Teststellen auch in Zukunft In­ter­es­sen­t*in­nen wieder nach Hause schicken. Trotz der hohen Nachfrage sei „eine Ausweitung der Angebote aufgrund der zur Verfügung stehenden Mittel in 2025 nicht möglich“, schreibt die Gesundheitsverwaltung in ihrer Antwort auf die Grünen-Anfrage. Im Koalitionsvertrag war noch die Rede von einem „perspektivischen“ Ausbau des Angebots gewesen.

Ob das Drug-Checking von den Sparvorgaben im Haushalt für 2025 betroffen ist, kann die Senatsverwaltungs laut eigenen Angaben noch nicht absehen. Mögliche Kostensteigerungen soll das Projekt laut Verwaltung durch „Angebotseinschränkungen“ auffangen.

Für Vasili Franco ist das nicht nachvollziehbar. Er drängt auf eine Erhöhung der Kapazitäten: „Ein Ausbau wäre notwendig, denn Substanzkonsum ist weit verbreitete Realität.“ Doch stattdessen drohten bereits ab nächstem Jahr Mittelkürzungen oder gar das Ende des Projekts, kritisiert der Grünen-Abgeordnete.

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3 Kommentare

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  • Nachklapp zu meiner ersten Frage: verbessert sich die Sauberkeit der Drogen seit Einführung des Drug-Checking? Immerhin kann der Konsument, dessen Drogen gepanscht sind, ja mal ein ernstes Wörtchen mit seinem Dealer reden...fragt sich nur, ob die Anbieter auf Beschwerden der Kundschaft reagieren.

  • Was ich nicht ganz verstehe: Was bringen die auf der Webseite veröffentlichten Warnungen, wenn außer dem, der das Zeug gekauft und zum Testen gebracht hat, niemand weiß, welcher Dealer das jeweilige Zeug vertickt? "Vorsicht, es ist verschnittenes Koks auf dem Markt" - okay, wann war das nicht der Fall? Bzw.: gibt es überhaupt nicht gepanschtes Zeug?

    Nicht, dass ich persönlich finde, dass es ein Recht auf saubere illegale Substanzen gibt, aber wie gesagt: was bringen die Warnungen den Konsumenten insgesamt? Lassen sich denn signifikant viele Menschen vom Konsum abhalten, wenn es diese Warnungen gibt, oder werden sich die meisten nicht doch darauf verlassen, dass ihre Dosis schon halbwegs sauber ist?

  • Eine Art Verbraucherzentrale mit lebensrettenden Folgen, denn es sind ja, wie es heißt, nicht zuletzt komische Beimischungen, die einen über die Drogenwirkung hinaus ins Koma stoßen.



    Ein wenig paradox, doch letztlich eine sinnvolle Ausgabe.