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Drohnen über Schleswig-HolsteinViel los am Himmel über Kiel

Zahlreiche Drohnen kreisten vor einer Woche über Schleswig-Holstein, auch über kritische Infrastruktur in Kiel. Jetzt hat sich der Landtag damit befasst.

Blick auf Thyssen Krupp Werft in Kiel von oben: Drohnen haben im September auch hier kritische Infrastruktur überflogen Foto: Petra Nowack/Imago

Rendsburg taz | Die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses kamen im gläsernen Plenarsaal des schleswig-holsteinischen Landtags mit seiner Fensterfront zur Kieler Förde zusammen. Der Raum will Offenheit signalisieren, die politische Arbeit soll sichtbar sein. Doch wer schaut zu?

In ihrer Sitzung befassten sich die Po­li­ti­ke­r:in­nen mit nächtlichen Drohnenüberflügen über der Landeshauptstadt Ende September. Dabei könnten wichtige Gebäude, darunter auch das Parlament mit seinem gläsernem Saal, aus der Luft vermessen worden sein.

Eine größere „Mutterdrohne“ schwebte über der Kieler Förde, kleinere Drohnen kreisten über dem Hafen und den Werften der Landeshauptstadt, über dem Universitätsklinikum und dem Landtag. Mehrere Stunden sollen diese Manöver gedauert haben. Auch andere Teile des Landes waren betroffen. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete zuerst ausführlich über die Vorfälle, die sich in der Nacht vom 25. zum 26. September ereignet hatten. Am Mittwoch bestätigte die Kieler Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU): „Ja, dieser Bericht entspricht dem, was die Polizei auch uns gemeldet hat.“

Doch ob es sich wirklich um einen Flugverbund mit einer Mutterdrohne gehandelt habe, wollte sie im öffentlichen Teil der Sitzung weder bestätigen noch dementieren. Klar sei: „Der Himmel ist voller Drohnen, das ist heute Normalität.“ Einige der Flugobjekte, die über Kiel beobachtet wurden, seien legal dort gewesen, andere jedoch nicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt.

Drohnenflüge sollen Öffentlichkeit verunsichern

Es sei bedauerlich, dass die offenen Fragen nicht gleich beantwortet würden, sagte der SPD-Abgeordnete Niclas Dürbrook. „Damit geben wir kein optimales Bild nach außen ab.“ Dürbrook hatte um den Bericht zur Lage gebeten, auch wenn ihm klar sei, dass „wir damit das Spiel derer mitspielen, die diese Signale senden und die Bevölkerung verunsichern wollen“.

Die Ministerin sah es ähnlich: Die jüngsten Vorkommnisse in Deutschland und in den Nachbarländern – in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen wurde jüngst nach Drohnensichtungen der Flughafen gesperrt – hätten das Ziel, die Öffentlichkeit zu verunsichern und Stimmungen zu destabilisieren. Dazu trügen auch Falschnachrichten im Internet bei. „Das ist hybride Bedrohung“, sagte die Ministerin.

Drohnenüberflüge werden in allen Bundesländern, auch im Norden, seit Jahren beobachtet, ergab eine Umfrage der taz Nord bei den zuständigen Landesministerien

Drohnenüberflüge werden in allen Bundesländern, auch im Norden, seit Jahren beobachtet, ergab eine Umfrage der taz Nord in den zuständigen Landesministerien. Generell ist von steigenden Zahlen die Rede, genaue Daten liegen aber nicht in allen Ländern vor. Zudem ist Drohne nicht gleich Drohne: Dazu gehören Hobbygeräte, die aus privaten Zwecken fliegen, ebenso wie professionelle Flugobjekte, die zu Spionagezwecken eingesetzt werden könnten.

Insgesamt wollen die fünf norddeutschen Küstenländer das Thema gemeinsam angehen. Eine erste Aktion fand Anfang September statt, als Niedersachsen und Schleswig-Holstein gemeinsam den Frachter „Scanlark“ durchsuchten. Von dem Schiff aus soll eine Drohne gestartet sein, die über einem deutschen Marineschiff in der Ostsee kreiste. Gegen die aus Russland stammende Besatzung wird wegen Spionageverdachts ermittelt.

Nordländer planen gemeinsame Drohnen-Konferenz

Die Hamburger Innenbehörde rühmt sich, dass die Polizei der Hansestadt „moderne Fähigkeiten im Bereich des Drohneneinsatzes und der Drohnenabwehr aufgebaut“ habe und die Stadt bereits über eine funktionierende polizeiliche Drohnenabwehr verfüge. Aber auch Schleswig-Holstein sieht sich selbst weit vorn: Das Land habe als erstes eine „Drohnenstrategie“ entwickelt, berichtete Sütterlin-Waack. Im Haushalt sind Mittel für neue Geräte sowie Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz vorgesehen. In Bremen dagegen seien zurzeit keine Investitionen geplant, hieß es auf taz-Anfrage.

Mittelfristig planen die Länder ein gemeinsames „Drohnenkompetenzcluster“. Eine erste Konferenz dazu soll Anfang November in Hamburg stattfinden. Mehrere Länder, darunter Niedersachsen, prüfen gerade, ob und wie sie ihre Polizeigesetze überarbeiten müssen, um eine Drohnenabwehr zu ermöglichen. Dazu zählt, illegale Drohnen mit einem Netz zu fangen oder mit einer eigenen Drohne die Steuerung zu übernehmen.

Die Kieler Innenministerin Sütterlin-Waack hält es für sinnvoll, der Bundeswehr mehr Befugnisse zu geben: „Gemeinsam wären wir stärker“, sagt sie. Allerdings sind die Hürden für den Einsatz von Sol­da­t:in­nen im Inland hoch. Niclas Dürbrook wünscht sich schnelle Ergebnisse: „Es wäre schlecht, wenn wir im kommenden Sommer immer noch nicht weiter sind.“

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