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Drohende GasknappheitWarnungen für Verbraucher

Wirtschaftsminister Habeck und Netzagentur-Chef Müller mahnen Vorbereitungen auf die Heizsaison an. Bei der Einsparung von Gas gibt es erste Erfolge.

Es kommt immer weniger Gas an: Pipeline von Nord Stream 1 in Lubmin Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Berlin afp | Die Bundesnetzagentur und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schließen einen Totalausfall der russischen Gaslieferungen nicht aus. Habeck sprach am Wochenende von einem „Muster“: Die Gasmenge sei immer wieder reduziert worden, zuletzt in der Pipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent. Danach komme „logischerweise die nächste“ Reduktion, sagte der Minister.

Er hatte am 23. Juni die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Mitte Juli will Gazprom die Pipeline einer zehntägigen Wartung unterziehen. Wie es danach weitergeht, ist offen. Auch Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller rief zu größeren Anstrengungen beim Energiesparen auf.

Ein gewisser Erfolg ist dabei schon zu verzeichnen: Deutschland hat in den fünf Monaten bis Ende Mai etwa ein Siebtel weniger Erdgas verbraucht als im Vorjahreszeitraum. Laut Energiewirtschaftsverband BDEW liegt das auch nicht nur am milden Frühjahr, durch das wenig geheizt wurde. Rechnet man diesen Temperatureffekt heraus, ging der Gasverbrauch immer noch um 6,4 Prozent zurück.

BDEW-Chefin Kerstin Andreae erklärte, es sei davon auszugehen, dass der Gasverbrauch vor allem wegen der steigenden Gaspreise weiter zurückgehe. „Aber auch die wirtschaftliche Eintrübung, Appelle zum Energiesparen oder persönlich motivierte Einspareffekte spielen eine Rolle.“

Netzagentur-Chef Müller sagte den Funke-Zeitungen vom Samstag, die zwölf Wochen bis zum Beginn der nächsten Heizsaison müssten gut genutzt werden. Er appellierte an alle Haus- und Wohnungsbesitzer:innen, ihre Gasbrennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen.

„Eine Wartung kann den Gasverbrauch um 10 bis 15 Prozent senken“, sagte der Behördenchef. „Das muss jetzt passieren und nicht erst im Herbst.“ Er warnte vor hohen Nachzahlungen. „Viele Verbraucher werden schockiert sein, wenn sie Post von ihrem Energieversorger bekommen“, sagte er. Es sei „eine Verdreifachung drin“.

Gibt es zu wenig Gas für alle, sind die Privathaushalte besonders geschützt – erst wird der Industrie der Hahn zugedreht. Müller sagte, in einer Gasnotlage „können wir nicht jeden Betrieb als systemrelevant einstufen“.

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10 Kommentare

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  • Momentan ist die kWh Erdgas noch billiger als Strom, aber dieses Verhältnis kann sich im kommenden Winter umdrehen und dann wird der Heizlüfter in der Wohnung sehr attraktiv. Daran ändert auch ein staatliches Energiegeld nichts, das ist nur ein sozialer Kostendämpfer ohne Steuerungswirkung.

    Neben Energiesparen müsste die Regierung für Heizlüfter werben um Gas zu ersetzen. Das wäre auch vom Klimaschutz (CO2-Ausstoß) her vorteilhaft. Der steigende Bedarf an CO2-armem Strom in Winternächten kollidiert aber mit dem Atomausstieg, daran wird es scheitern.

  • Rettung in Sicht : Winterschlaf !



    "Early humans may have survived the harsh winters by hibernating" (Guardian)

  • Turbine Turbine : "Die Siemens-Verantwortlichen sind abgetaucht und zeigen in Richtung Politik. Was sollen sie auch sagen? In Berlin wiederholt eine Sprecherin von Bundesenergieminister Robert Habeck (Grüne) Woche für Woche auf RND-Anfrage gebetmühlenartig: 'Wir sind in intensiven Gesprächen mit der kanadischen Regierung und sind der Überzeugung, dass das Problem gelöst werden kann. Die Gespräche laufen noch.'" (Redaktionsnetzwerk Deutschland)

  • "Wir" wollten doch Energieträger aus Russland boykottieren.



    Und jetzt wundern "wir" uns, dass Energie knapp und teuer wird.



    Wer hat jemals das Gerücht aufgebracht, dass Menschen vernunftbegabte Wesen sind? Wozu ist eigentlich dieses komische Geschwür im Hinterkopf gut, vulgo "Großhirn"?

    • @sollndas:

      also ich bin auf alle fälle nicht"wir".denn ich wusste dass russland zu güstigen konditionen bodenschätze nach deutschland verkaufte.ich konnte damit leben.dass "wir"das anders sah wunderte mich gar sehr.nun hat "wir"die preise die es für richtig hält.schon verrückt wie unterschiedlich "wir"und ich ticken.kann da nur mit dem kopf schütteln.denn macht mal fröhlich weiter"wir".da geht doch sicher noch was.

  • Gasnotlage… Wörter gibt’s…

    Die Grünen haben es ja schon in den 80ern kommen sehen und vorgesorgt, die sitzen auf massenhaft selbstgestrickten Pullovern, zum Großteil sogar noch in Warnfarben. Und wir haben sie ausgelacht… schon peinlich jetzt…

    Mal Spaß beiseite. Dass man jetzt versucht noch zu tun was halt noch geht ist verständlich, aber angesichts der Größenordnungen ist das irgendwie so tragisch wie der Typ, der sein lichterloh brennendes Haus mit dem kurzen Stück Gartenschlauch vom Nachbarn löschen will…

    Und das finde ich auch gefährlich, das erzeugt bei vielen das Gefühl es werde ja was getan und darum werde es schon nicht so schlimm kommen. Umso tiefer wird der Schock dann sitzen wenn Putin zu Beginn der Heizsaison den Gashahn zudreht und es dann unvermeidlich ganz schlimm kommen wird…

    Aber irgendwie ist’s ja verständlich, wieso sollte man die in dem Fall berechtigte Panik schon heute verursachen? Es reicht ja auch im November noch. Man sollte den Leuten ja auch den Urlaub nicht vermiesen…

    Btw. wie man Teile der Industrie selektiv abschalten will, ohne dabei die „systemrelevanten“ Lieferketten zu unterbrechen, wäre die andere Frage. Wir haben es ja in den Lockdowns gesehen, alles steckt in allem drin, jeder liefert an alle und alle brauchen alles von jedem, sonst geht am Schluß nix, weil sonst immer dieses eine einzige scheiss Teil fehlt, immer ein anderes halt… Das wird interessant…

    Gasnotlage… Euphemismus für Systemzusammenbruch? Man weiß es einfach noch nicht, man wird es in nem halben Jahr ja sehen…

  • Es ist ja richtig, wenn jetzt alle Hebel in Bewegung gesetzt werden um die Bevölkerung auf die voraussichtliche Gasunterversorgung im kommenden Winter vorzubereiten.

    Zwar denke ich nicht daß die Lage übermäßig kritisch ist, aber es kann sicher nicht schaden sich vorzubereiten und sich gegen Putins Erpressungsversuche zu wappnen.



    Denn ein Szenario sollten wir dann doch vermeiden: nämlich daß im Februar/März das Gas aufgebraucht ist und Millionen Haushalte entweder im Kalten sitzen oder aber versuchen per Heizlüfter durchzukommen...damit aber auch noch das Stromnetz zum Zusammenbruch bringen würden..

    Für mich stellt sich hier die spannende Frage ob der Staat die betroffenen Bürger mit einem Deckel beim Gaspreis "pampern" sollte oder aber die Marktpreise für Gas unangetatet läßt, dafür aber Haushalte mit geringem Einkommen gezielt finanziell unterstützt.

    Ich würde hier ganz entschieden für die zweite Variante plädieren, denn sie würde den größtmöglichen Anreiz schaffen Gas einzusparen. Und sie würde die Menschen als mündige Bürger betrachten und nicht als unreife Subjekte, den man jede Ungemach ersparen sollte..

    Optimal wäre nach m.E. ein Energiegeld welches bei moderater Einsparung für die betroffenenen Haushalte auf Kostenneutralität hinausliefe. Wer darüber hinaus heizen würde, müßte das aus eigener Tasche bezahlen...wer hingegen sehr deutlich spart, dürfte auch einen Gewinn erzielen.

    Also setzen wir doch bitte auf die Rationalität, das Verantwortungsbewusstsein und die Mündigkeit der Bürger dieses Landes...

  • Ich muss mich jetzt wieder mit behördlichen Falschinformationen beschäftigen, die Kunden auf die falsche Fährte bringen. Die Wartung von Gas-Heizgeräten kann nur dann eine Brennstoffersparnis von 10-15% erbringen, wenn das Gerät vorher nie richtig eingestellt wurde. Wenn aber derselbe Heizungsbaubetrieb die Wartung macht, der das Gerät schon falsch eingestellt hat, kann er auch nix an Einsparung erzielen. Als selbstständiger Heizungsinstallateur muss ich jetzt jedem Kunden erklären, dass er nach einer Wartung nicht erwarten darf, 10 oder 15% Gas einzusparen. Das darf er erwarten, wenn er im Winter nicht mit gekippten Fenstern dauerlüftet, oder wenn er nicht bei 15 Minuten Duschzeit das Warmwasser einfach laufen lässt, oder wenn er statt 23 nur 21 Grad in der Bude hat. Das wollen viele Kunden aber gar nicht hören. Auch hilfreich, besonders bei den etwas älteren Etagenheizgeräten: im Sommer das Gerät nicht auf Winterbetrieb einstellen. Das bekommen in der Regel aber Mieter nicht von Ihren Vermietern oder den Heizungsbauern erklärt. Leider gibt es noch viel Fortbildungsbedarf auch bis hoch in Behördenleitungen.

  • Die Hysterie mit der das Thema Erdgas und die Einsparpotentiale in den Privaten Haushalten angegangen wird ist schon etwas grotesk.



    Etwa 30 % des in Deutschland verwendeten Erdgases wird in privaten Haushalten verbraucht, vor der Ukrainekrise wurden knapp 50 % des Erdgases in Deutschland aus Rußland importiert.



    Selbst wenn alle Haushalte von heute auf morgen kein Erdgas mehr verbrauchen würden, würde dies nicht ausreichen um bei einen totalen importverzicht von Gas aus Russland in den anderen Sektoren so weiter machen zu können wie bisher. Anderseits zeigt es aber auch das auch ohne Russland prinzipiell genügend Gas zum heizen privater Haushalte da ist wenn in anderen Sektoren weniger verbraucht wird.



    Zu denken sollte jedem geben das letztes Jahr 26% unseres Primärenergieverbrauchs durch Erdgas befriedigt wurde und nur zu 16% aus erneuerbaren Energien. Und das harte hieran ist das der Anteil der Erneuerbaren zu über 50% aus der verbrennung von kostbarer Biomasse erzeugt wird. Das heisst das wir aktuell gerade mal 4% des Primärenergiehungers durch Windkraft und zu knapp 2% durch Solarkraftwerke stillen können.

  • Wenn ein Mensch in der kalten Wohnung sitzt (zumal im Winter), und seine Energiekosten nicht bezahlen kann, dann nützt es ihm auch nichts, daß er den Klimawandel bekämpft oder Rußland unter Druck setzt. Zumal das jetzt drohende Debakel vermeidbar gewesen wäre. Man hätte sich nicht derartig stark von russischem Gas abhängig machen dürfen. Wenn eine Regierung in einem derart zentralen Punkt wie der Energieversorgung, bzw. Energiesicherheit versagt, dann darf man dies durchaus bei den nächsten Wahlen berücksichtigen.