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Drittes Demo-Wochenende gegen rechts100.000-mal Protest am Sonntag

Am Sonntag sind mehr als 100.000 Menschen in fast 70 Orten für ein buntes Deutschland auf die Straße gegangen. Seit Freitag waren es mehr als 600.000.

Am Sonntag trafen sich in Forst etwa 400 Menschen und protestierten für Vielfalt und Menschenrechte Foto: Frank Hammerschmidt/dpa

Berlin taz | Der Protest geht weiter. Am Sonntag haben an rund 70 Orten mindestens 100.000 Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert. Seit Freitag standen am Wochenende damit mehr als 600.000 Menschen auf der Straße – an mehr als 220 Orten. Mit Kundgebung, Menschenkette, Mahnwache oder Demonstrationszug setzten sich Dörflerin und Städter in Deutschland für eine offene und demokratische Gesellschaft ein. Das zeigt eine Auswertung der taz: Wir sichteten Polizeiberichte und Lokalpresse, telefonierten mit Polizeiinspektionen und korrespondierten mit Ver­an­stal­te­r*in­nen und Stadtverwaltungen.

Die meisten Veranstaltungen fanden, wie auch am vergangenen Wochenende, in kleineren Gemeinden statt: Bei mehr als 200 war die Zahl der Teilnehmenden nur drei- oder vierstellig. In Regen, auf der kleinsten uns bekannten Demo, protestierten 65 Menschen, wie uns die Polizei vor Ort mitteilte. Oft sind große Teile der Ein­woh­ne­r*in­nen auf der Straße, in Coesfeld waren mit 3.000 Menschen etwa 10 Prozent der Bevölkerung auf der Straße. Die Lokalpresse schreibt von der wohl größten Demonstration der Stadtgeschichte.

Immer wieder standen De­mons­tran­t*in­nen sogar Neonazis gegenüber. In Grimma (Sachsen) trafen sich 750 Menschen zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz. Immer wieder störten etwa 55 Gegendemonstranten der rechtsextremen Kleinstpartei „Freie Sachsen“ die Veranstaltung.

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Mit 600.000 Menschen auf der Straße war es das dritte große Demo-Wochenende gegen Rechtsextremismus in Folge. Auslöser für die Protestwelle waren Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Neonazis Ende November, an dem einige Politiker der in Teilen rechtsextremen AfD sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Dabei ging es auch um Pläne, nichtweiße Menschen und Menschen mit ausländischen Wurzeln auszubürgern und zu vertreiben.

Weniger Demos in der kommenden Woche

In der kommenden Woche sind uns bisher deutlich weniger Demo-Termine bekannt. Am Montagabend sind eine große Demo in Frankfurt am Main geplant sowie kleinere in zwölf weiteren Städten. Am Mittwoch soll es in Schortens einen Protest gegen einen Bürgerdialog der AfD geben. Die Polizei rechnet mit einer vierstelligen Teilnehmerzahl für den Gegenprotest. Schortens liegt im Landkreis Friesland und hat etwa 20.000 Einwohnende.

Der nächste größere Anlass steht am 13.02. in Dresden bevor. Die Luftangriffe auf Dresden im Jahr 1945 lösen jährlich geschichtsverdrehende Aufmärsche von Neonazis aus – letztes Jahr mit etwa 1.000 Rechten und 2.000 Gegendemonstrant*innen, wie der MDR berichtete.

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Seit einer Woche sammeln wir Termine für die aktuellen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus – unter anderem über die Mail-Adresse demohinweise@taz.de. So haben uns bisher mehr als 460 Hinweise erreicht. (Vielen Dank an alle, die uns geschrieben haben!)

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6 Kommentare

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  • SO GEHT DAS NICHT!



    Ich habe in den letzten drei Wochen die größten, aber vor allem die schönsten, die kreativsten, die beeindruckensten Demonstrationen meines 73-jährigen Lebens erlebt. Ich bin begeistert und habe große Hoffnung, dass endlich deutlich wird, wer die Mehrheit ist! Aber ich bin auch traurig: jeden Tag meldet sich eine von Marginalisierung diskriminierter Gruppe und ist enttäuscht, dass diese Bewegung der Millionen zu wenig für ihre Interessen eintritt. Linken geht es zu wenig gegen den Kapitalismus, Juden geht es zu wenig gegen den Antisemitismus, arabischen Menschen geht es zu wenig um die Solidarität mit unschuldig getöteten Zivilisten im Gaza, POC geht es zu wenig um die Diskriminierung durch Rassismus, manchen Frauen geht es zu wenig gegen das Patriarchat. Ich kann euch alle verstehen und eure Verletzungen. Und dennoch sage ich: so geht das nicht! Dies ist eine Bewegung die nur von einem Ziel geeint ist: gegen die Faschisten der AfD. No Passaran, sie dürfen nicht durchkommen. Über alles andere werden wir weiter streiten, streiten müssen, um den richtigen Weg. Werden uns besser kennenlernen, werden lernen müssen zuzuhören, werden lernen müssen, uns in die Verletzungen der jeweils anderen Gruppe einzufühlen. Aber erst müssen wir gemeinsam an der Gemeinsamkeit festhalten: die Höckes die Gaulands die Weidels werden nicht durchkommen! No passaran. Das schafft die Grundlage, dass wir weiter streiten können. Über Gerechtigkeit und Überwindung des Kapitalismus, über Gleichberechtigung und die Überwindung des Patriarchats, über Rassendiskriminierung und Überwindung des Rassismus, über Antisemitismus und das Existenzrecht Israels und über die vielen anderen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Voraussetzung dafür ist Demokratie. Wir kämpfen nicht für gemeinsame Meinung der Millionen, sondern für eine Gesellschaft in der Meinungsstreit möglich bleibt!. Für Diversität einzutreten, heißt auch für die Diversität der Meinungen! Bitte lasst uns dies versuchen.

  • Nur knapp eine halbe Million Menschen zeigen Flagge gegen Rechts. Für mich ist das kein Grund zum feiern, das ist 1% der Bevölkerung, grob geschätzt.

    So lange unsere Politik uns so alleine lässt mit den rechtsextremistischen Fakenews in fast allen Werbemedien (facebook, tiktok, X, telegram, ...), wird sich da nicht viel ändern.

    Was schnell und nachhaltig helfen würde, wäre ein Verbot von personalisierter Werbung! Denn dieses Geschäftsmodell ("Überwachungskapitalismus") ist die finanzielle Grundlage für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Werbekanäle und ihrer Algorithmen. Sobald sich das nicht mehr lohnen würde, wäre der Sumpf ausgetrocknet.

    In Mediatheken gibt es übrigens mehrere Dokus zu dem Thema, die das genauer erläutern.

  • Von der Straße in den Bundestag

    Ich war auf der Straße, Millionen Mitbürger waren auf der Straße. Nun geben wir diesen Ball an die Politik weiter: Ihr wisst jetzt, was wir wollen, macht was daraus, setzt dem Hass ein Ende.

  • Entscheidend is auf´m Platz. Europawahl Juni 2024, da können wir Demokrat:innen mit einer hohen Wahlbeteiligung ein sehr effizientes und weit sichtbares demokratisches Zeichen setzen.

    Es darf nicht der "2015er Kölner Effekt" eintreten. Trinken, Singen und Feiern wie die Weltmeister:innen für Demokratie und gegen Rechtsradikale ... um dann leider einen Negativrekord hinsichtlich der Wahlbeteiligung aufzustellen.

  • Wenn man den aktuellen Umfragen glauben kann, hat die AFD 3 Prozentpunkte eingebüßt.



    Fakt ist, dass die AFD nervöser wird, wei sie feststellt, dass ihr die Straße nicht mehr alleine gehört.



    Kleines Licht am Ende des Tunnels

    • @Klaus Waldhans:

      Das ist aber nicht nachhaltig, weil die rechten Führungen in CDU, SPD und Grünen mit ihrem Asylrechtsabbau, Sozialabbau, härtere Polizeigesetze, Rüstungs-/Kriegspolitik, Vernachlässigung der Klimapolitik etc. die AfD ständig mit Themen füttern.

      Diese Themen greift die AfD auf, verschärft sie und gewinnt damit erneut Panikbürger vorwiegend aus der Mittelschicht.

      Horckheimer hat mal gesagt: Wer nicht vom Kapitalismus [- ich nenne es mal Neoliberalismus -] reden will, soll vom Faschismus schweigen.