Dreikönigstreffen der FDP: Im milden Gold-Gelb
Auf dem Dreikönigstreffen schlägt Neu-Finanzminister Lindner ausgleichende Töne an. Nur der Grüne Kretschmann muss als Feindbild herhalten.
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Und da Parteichef und Finanzminister Christian Lindner natürlich der Top-Act des traditionsreichen Liberalentreffens bleibt, lässt er dieses Mal die große Trommel zu Hause und fängt auch manchen schrillen Ton seines Parteifreunds Wolfgang Kubicki zur Impfpflicht ein: Die Partei wolle einen „wirksamen Gesundheitsschutz mit möglichst viel Freiheit“, sagt Lindner. Und zitiert dann die FAZ, die der FDP mit ihrer Nachdenklichkeit einen Dienst an der Demokratie bescheinigt.
Die Nachdenklichkeit könnte man auch Unentschlossenheit nennen. Auch beim Landesparteitag der FDP am Tag zuvor gab es eine kontroverse Debatte zur Impfpflicht und die Partei konnte sich auch hier auf keine gemeinsame Position einigen. Der Landesvorsitzende Michael Theurer äußerte vor allem Zweifel an den Zwangsmaßnahmen, welche die Ampelparteien befürworten.
Lindner reicht der Union die Hand
Deshalb schlägt Lindner in seiner Rede vor allem ausgleichende Töne an: Er bescheinigt eigentlich allen demokratischen Parteien, berechtigte Anliegen zu vertreten und bietet der CDU/CSU-Opposition im Bundestag ein „konstruktives Zukunftsgespräch“ an. Dabei setze er auf Friedrich Merz als Oppositionsführer, sagt Lindner. Die FDP habe kein Interesse an einer Entfremdung zur Union. Kein Wunder, stehen doch vier Landtagswahlen an, in denen die FDP auch die CDU als Koalitionspartner braucht, wenn sie mitregieren will. Die Spitzenkandidaten aus dem Saarland, NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein dürfen in Stuttgart mit knappen Videobotschaften grüßen.
Auch bei Lindners Finanzpolitik ist für fast jeden etwas dabei. Das Aufstiegsversprechen für die Leistungswilligen, ein Bekenntnis zur Schuldenbremse, die Staatsausgaben und Umverteilung im Rahmen halte. Trotzdem sei der viel kritisierte Nachtragshaushalt als Wirtschaftsbooster nach der Pandemie wichtig. So blieben wichtige Investitionen des Staates möglich. Zugleich kündigt er an, die Neuverschuldung im kommenden Jahr zurückzufahren.
Absage an eine Renaissance der Atomkraft
Ganz im Sinne des Koalitionspartners – „unseren Freunden von Bündnis 90/Die Grünen“ – wendet sich Lindner entschieden gegen eine Renaissance der Kernkraft. Die Technologie sei vielleicht CO2-frei, aber nicht nachhaltig. Was man als überzeugter Marktwirtschaftler schon daran erkennen könne, dass es in Deutschland keine Versicherung gebe, die bereit wäre, neue Atomkraftwerke zu versichern. Wenn die EU Kernkraft im Zuge der Taxonomie tatsächlich für nachhaltig erklärt, sei das wettbewerbsverzerrend, meint Lindner.
Überhaupt redet Lindner so ausführlich wie bei keinem bisherigen Dreikönigstreffen über die Klimapolitik. Wo er früher laue Witzchen über Hitzesommer machte, erklärt er diesmal die Klimapolitik zur entscheidenden Frage, „bei der Geschwindigkeit und Qualität über die Zukunft des Wohlstands entscheidet“.
Feindbild Winfried Kretschmann
Bei so viel grünem Liberalismus bleibt wenigstens ein altes Feindbild übrig: der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Winfried Kretschmann hatte im Frühjahr eine Ampelkoalition im Land vor allem wegen des „Auspuffliberalismus“ der Südwest-FDP ausgeschlagen und lieber weiter mit der CDU regiert. Über Weihnachten hatte sich Kretschmann dann mit Kubicki ein Scharmützel zur Impfpflicht geliefert und in einem Interview mit der taz dem „Hyperliberalismus“ die Schuld an der verbreiteten Impfskepsis gegeben.
Der FDP-Landesvorsitzende Theurer erklärt Kretschmann beim Dreikönigstreffen deshalb listig zum „führenden Vertreter der Konservativen im Südwesten“. Der Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke, wirft ihm gleich vor, er wolle „die parlamentarische Demokratie aushebeln und zu autoritären Strukturen zurückkehren“. Kretschmann sei in seiner Jugend bei Mao Zedong gestartet und dann irgendwann mal bei der Philosophin Hannah Arendt zwischengelandet, sagt Rülke. „Jetzt im Alter kehrt er wieder zu Mao zurück.“ Da war sie dann nochmal, die schrill-pinke FDP der vergangenen Jahre.
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