Doping-Experte über den Fall Schleck: „Es wird mehr ausgepieselt“
Horst Pagel von der Uni Lübeck über das Urin produzierende Medikament, auf das der Radprofi Fränk Schleck bei der Tour der France positiv getestet wurde.
taz: Herr Pagel, bei der Tour de France ist Doping ein fester Bestandteil der Berichterstattung. Am Mittwoch verließ der luxemburgische Radprofi Fränk Schleck die Tour da bei ihm ein „Diuretikum“ nachgewiesen werden konnte. Was genau versteckt sich hinter diesem Begriff?
Horst Pagel: Diuretika sind eine Reihe von Medikamenten, mit denen die Produktionsrate von Urin gesteigert werden soll. Also auf gut deutsch, es wird mehr ausgepieselt. Sie werden in der Regel injiziert oder in Tablettenform verabreicht.
Wenn das Medikament nicht die eigentliche Leistung des Athleten stärkt, wieso steht es dann auf der Dopingliste?
Weil damit die Konzentration von Dopingmittel herunter gesetzt werden kann. Durch Diuretika wird mehr Urin produziert und dadurch werden die eventuellen nachweisbaren Dopingmittel verdünnt, um somit unterhalb der Nachweisgrenze zu liegen.
Wenn wir jetzt mal die kriminelle Energie der Sportler beiseite lassen – für wen wurde dieses Medikament denn eigentlich hergestellt?
Diuretika sind wichtige Medikamente für nierenkranke Patienten. Wenn die Nierenfunktion eingeschränkt ist, können gewisse Stoffwechselendprodukte den Körper nicht verlassen. Durch das Medikament wird Urin produziert, um somit die Ausscheidung zu gewährleisten. Denn wenn nicht ausreichend ausgeschieden wird, vergiftet sich der Patient selbst.
56, ist Professor für Physiologie an der Universität Lübeck und seit 2008 Anti-Doping-Beauftragter des Radsport-Verbandes Schleswig-Holstein.
Nehmen wir an, einem Sportler wird die Einnahme von Diuretika nachgewiesen und dieser argumentiert er sei nierenkrank …
… Dann müssen ein Attest und eine Ausnahmegenehmigung vorliegen.
Wenn dies aber der Fall wäre, ist es dann mit einer solchen Erkrankung nicht gesundheitsschädlich, Hochleistungssport zu treiben?
Das müsste der behandelnde Arzt beurteilen. Das kann der Fall sein, muss aber nicht unbedingt.
Wie lange sind Diuretika denn im Körper nachweisbar?
Das Mittel Xipamid (welches bei Radprofi Fränk Schleck festgestellt wurde – Anm. der Red.) ist über den Daumen gepeilt nach einem Tag ausgeschieden.
Können durch die Einnahme gesundheitsgefährdende Nebenwirkungen auftreten?
Bei einem gesunden Menschen sind Diuretika nicht weiter gefährlich. Durch das Ausscheiden von wesentlich mehr Urin muss nur die ausgeschiedene Flüssigkeit ausgeglichen werden. Sprich, derjenige müsste einfach mehr trinken.
In wieweit ist der Profi-Radsport Ihrer Meinung nach wirklich von Doping befallen?
Die sind alle voll bis unter die Mütze.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip