Donald Trumps Kampf mit der Justiz: Mehr als eine „Verfassungskrise“
Immer häufiger schreiten Bundesrichter gegen Aktionen der Trump-Regierung ein. Der Präsident ignoriert das oder empfiehlt gar ihre Amtsenthebung.

Die Regierung brachte unterschiedliche Argumente in Stellung, warum die Flüge vollkommen in Ordnung gewesen seien – kam letztlich aber bei dem Punkt an, absolute Vollmachten zu beanspruchen. Tom Homan, Trumps „Grenzzar“, sagte vor laufenden Kameras, es sei ihm vollkommen egal, was irgendwelche Richter denken.
Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller argumentierte, kein Bezirksrichter habe das Recht, die außenpolitischen Handlungen des Präsidenten zu stoppen.
Und Trump selbst, der bereits Mitte Februar auf X den Satz veröffentlicht hatte „Wer das Land rettet, verstößt gegen kein Gesetz“, postete auf seinem Medienportal Truth Social, Richter James Boasberg, der den Stopp der Abschiebeflüge angeordnet hatte, sei ein „linksradikaler Irrer“, der des Amtes enthoben gehöre.
Einige Abgeordnete fordern Amtsenthebung von Richtern
Das war sogar für John Roberts zu viel. Der konservative Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes sah sich zu einer öffentlichen Erklärung veranlasst: „Seit mehr als zwei Jahrhunderten steht fest, dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf eine Meinungsverschiedenheit über eine gerichtliche Entscheidung ist.“ Dafür seien Berufungsverfahren da, erklärte Roberts, ohne Trump beim Namen zu nennen.
Gleichwohl hat Trumps Aufruf unter den republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus bereits Anhänger*innen gefunden, und das nicht zum ersten Mal: Bereits gegen fünf Richter, die in den vergangenen zwei Monaten Trump-Entscheidungen stoppten, liegen aus dem Repräsentantenhaus Anträge auf Amtsenthebung vor. Für den tatsächlichen Beginn von Verfahren gibt es allerdings keine Mehrheiten.
Allein in den letzten zwei Tagen dürften neue Zielscheiben der Maga-Republikaner*innen hinzugekommen sein. Am Dienstag urteilte Bundesbezirksrichter Theodore D. Chuang aus Maryland, dass die Auflösung der US-Entwicklungsagentur USAID durch die von Elon Musk geführte sogenannte „Behörde für Regierungseffizienz“ sehr wahrscheinlich in mehrerlei Hinsicht verfassungswidrig sei.
Ebenfalls am Dienstag entschied Bundesbezirksrichterin Ana C. Reyes aus Washington DC, die von Trump verfügte Verbannung von trans* Personen aus dem Militär sei rechtswidrig und müsse sofort rückgängig gemacht werden.
„Der Präsident beansprucht diktatorische Befugnisse“
Und im Fall des vor rund zehn Tagen festgenommenen ehemaligen studentischen Pro-Palästina-Aktivisten Mahmoud Khalil, im vergangenen Jahr Sprecher des Protestcamps an der New Yorker Columbia Universität, urteilte am Mittwoch ein New Yorker Bezirksrichter, dass die Klage seiner Anwälte gegen Khalids Festnahme und geplante Abschiebung doch in New Jersey zu verhandeln sei und nicht, wie von der Trump-Regierung gewollt, im tiefrepublikanischen Louisiana.
Khalil war in New York festgenommen worden, dann in einem Abschiebegefängnis in New Jersey festgehalten und später nach Louisiana transferiert worden. Er ist im Besitz einer gültigen Green Card und wird keinerlei krimineller Vergehen beschuldigt. Die Regierung wirft ihm die Verbreitung von Antisemitismus vor.
Angesichts der offenen Verweigerung der Regierung, gerichtliche Anordnungen zu befolgen und ihrer aggressiven Rhetorik gegen die Justiz diskutieren Jurist*innen und Medien inzwischen, ob sich die USA in einer Verfassungskrise befänden. Jamal Greene, Juraprofessor an der Columbia Universität, hält das noch für untertrieben. „Der Präsident beansprucht diktatorische Machtbefugnisse. ‚Verfassungskrise‘ erfasst die Schwere dieser Situation nicht“, sagte er der New York Times.
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