piwik no script img

Donald Trump auf FacebookVorerst ausgehetzt

Facebooks Aufsichtsgremium hat die Sperrung von Donald Trumps Account bestätigt. An der Willkür des Tech-Konzerns ändert das nur wenig.

Muss erstmal weiter alleine auf seiner Website bloggen: D. Trump Foto: Joshua Roberts/reuters

Berlin taz | Der Anfang Januar gesperrte Facebook-Account des damaligen US-Präsidenten Donald Trump bleibt auch weiterhin gesperrt. Das hat ein Aufsichtsgremium von Facebook namens Oversight Board, das endgültig über umstrittene und entfernte Inhalte bei Facebook urteilen soll, am Mittwoch entschieden. Und damit seinen ersten wichtigen Fall behandelt.

Nach der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols am 6. Januar war Trumps Account auf Facebook deaktiviert worden. Er hätte die Plattform genutzt, um „einen Aufstand gegen eine demokratisch gewählte Regierung anzustiften“, begründete Facebook-Chef Mark Zuckerberg den Bann damals. Um sich der wachsenden Kritik entgegenzustellen, dass Facebook selbst ein Regulierer, ja gar ein Medium sei, das Inhalte sehr wohl auswähle und meinungsbildend wirke, wurde das sogenannte Oversight Board, also eine Art hauseigener, aber nach eigener Aussage trotzdem unabhängiger Oberster Gerichtshof, beauftragt, die Sperre zu prüfen. Dazu hatte es 90 Tage Zeit und sogar noch eine kleine Verlängerung bekommen.

Zwar sei es richtig gewesen, Trump zu sperren. Das Gremium bezeichnet es allerdings als „willkürlich“, die Sperre unbefristet anzusetzen, weil das in den Konzernregeln nicht vorgesehen sei. Facebook solle deshalb in den nächsten sechs Monaten entscheiden, ob der Account nur befristet oder dauerhaft gesperrt wird oder ob allein einzelne Beiträge entfernt werden. In Bezug auf Staatsoberhäupter, die wiederholt Falschnachrichten veröffentlichen, empfiehlt das Gremium, die entsprechenden Konten für einen bestimmten Zeitraum zu sperren.

Bislang war von dem 2018 erstmals angekündigten zwanzigköpfigen Gremium, dem Jurist:innen, For­sche­r:in­nen und Politiker:innen, darunter auch die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman, angehören, noch nicht viel zu hören. Nur vier Löschungen wurden rückgängig gemacht. In einem Beitrag wurde ein Satz fälschlicherweise dem Nazi-Propagandaminister Josef Goebbels zugeschrieben und von einem Moderator gelöscht.

Facebooks liebstes Spiel: Verantwortung abwälzen

Ein Instagram-Post, auf dem Brustwarzen zu sehen waren, wurde von Instagrams automatischen Bilderkennungssystemen gelöscht und musste wiederhergestellt werden. Zwar widerspreche die Darstellung von Nacktheit den Nutzungsbedingungen, allerdings wollte der Beitrag, so die Ex­per­t:in­nen des Gremiums, die Aufmerksamkeit für Brustkrebs steigern.

Künftig soll das Gremium auf vierzig Mitglieder wachsen. Die Finanzierung fußt auf einer 130 Millionen US-Dollar schweren, von Facebook gegründeten Stiftung. Die Arbeit geschehe trotzdem unabhängig, heißt es.

Nun blockieren die Algorithmen auf Facebooks sozialen Medien täglich zu Unrecht dutzende Bilder, und prekär beschäftigte Mo­de­ra­to­r:in­nen treffen Fehlentscheidungen. Daran wird das Oversight Board auch künftig wahrscheinlich nichts ändern. Trotzdem ist es ein zumindest kleines Korrektiv und eine Win-Win-Situation für den Konzern.

Denn anders als sein Konkurrent Twitter kann er sich damit brüsten, seine eigenen Entscheidungen kritisch zu hinterfragen und sogar von einem eigenen Gremium bestätigen zu lassen. Bei Twitter hingegen ist mit Ned Segal eine einzelne Person dafür verantwortlich, ob ein Tweet gelöscht wird oder nicht. Gleichzeitig kann Facebook das tun, was es schon seit Jahren am liebsten tut: Verantwortung auf andere Stellen und Bereiche abwälzen.

Demokratisch ist Facebook noch lange nicht

Wie geht es nun weiter? Facebook ist an die Vorschläge vom Oversight Board gebunden und wird Trumps Account erstmal gesperrt lassen. Der Kommunikationschef von Facebook Nick Clegg schreibt in einem Blogpost, dass man die Entscheidung des Boards prüfe und eine angemessene Reaktion festlege. Mit der Arbeit des eingesetzten Gremiums hofft Facebook nun, Kri­ti­ke­r:in­nen zu besänftigen, die sagen, dass sich ein Unternehmen nicht selbst regulieren könne.

Doch den Vorwurf der Willkür kann Facebook nicht abstreifen. Neben der Bestätigung von Trumps Bann empfiehlt das Gremium dem Konzern, klare und verhältnismäßige Richtlinien zu entwickeln, die die Meinungsfreiheit respektieren. Aber genau an diese Emp-fehlung muss sich Facebook nicht halten. So kann das Oversight Board zwar einzelne Postings mit großer Verspätung beeinflussen, am aufmerksamkeitsökonomischen Geschäftsmodell und den willkürlichen Entscheidungen des Konzerns kann es aber nichts ändern.

Kri­ti­ke­r:in­nen wie das wirklich unabhängige facebook-kritische Gremium The Real Oversight Board werden sich deshalb nicht einlullen lassen. So wurden die Mitglieder des Oversight Boards – zumindest in der ersten Runde – von Facebook ausgesucht, arbeiten also nur von Zuckerbergs Gnaden. Und auch die Streitfrage zur Meinungsäußerungsfreiheit in sozialen Medien, über die eigentlich der Gesetzgeber und nicht Unternehmen mit ihren nebulösen „Gemeinschaftsstandards“, die sie am Ende selbst nicht befolgen, bestimmen, wird mit dieser Entscheidung längst noch nicht geklärt. Um ein hybrides teilstaatliches und wirklich unabhängiges Gremium kommt Herr Zuckerberg wohl irgendwann nicht mehr herum.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Apropo Trump - was ist eigentlich aus seinem Steuerverfahren etc. geworden?

  • "Demokratisch ist der Tech-Konzern deshalb aber nicht."

    Warum sollte ein privatwirtschaftliches Unternehmen überhaupt demokratisch sein?

    • @Stefan L.:

      Weil sie einen erheblichen Teil des offenen Diskurses mit Löschungen und Sperrungen beeinflussen.