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ZDF-Doku über VermögenssteuerMysteriöse Drahtzieher

Die ZDF-Doku „Steuerparadies Deutschland“ will ganz nah ran an den Vermögensteuer-Diskurs. Und an einen mächtigen Verein von Un­ter­neh­me­rïn­nen.

Gute Sicht von da oben … Foto: ZDF

Noch nie kam er so nah dran an den Kern von Geld, Macht und Einfluss. Dabei gehe es in der neuen Doku von Hauke Wendler „nur um Steuerpolitik“. Das erzählt der Filmemacher so im Intro. Die neue „ZDF frontal“-Doku verspricht große Enthüllungen, doch liefert sie die auch?

Der 35-minütige Film beleuchtet die Geschichte der Vermögensteuer in Deutschland und die Folgen der daraus resultierenden finanziellen Ungleichheit. Vor 27 Jahren setzte die Regierungskoalition aus Union und FDP unter Kanzler Helmut Kohl die Vermögensteuer aus. De facto handelte es sich jedoch um eine Abschaffung des Gesetzes. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1995 entschieden hatte, dass das Vermögensteuergesetz überarbeitet werden müsste, ließ es Schwarz-Gelb unter den Tisch fallen. Der Staat verzichtet seitdem auf mehrere 100 Milliarden Euro Einnahmen.

Was seitdem passiert ist, spüren sehr viele am eigenen Geldbeutel: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Deutschland ist eine der ungleichsten Demokratien weltweit: Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt fast nichts. Die reichsten 0,1 Prozent der Deutschen, 80.000 Menschen, halten zusammen bis zu 20 Prozent des Vermögens im ganzen Land.

„Frontal“ spricht mit Be­für­wor­te­r*in­nen und Geg­ne­r*in­nen einer Vermögensteuer und erklärt anhand von Archivmaterial den politischen Diskurs in den 1990er Jahren, der dazu führte, dass die Politik nie eine Reform des Gesetzes beschlossen hat. Die Doku bleibt trotz der Dichte an Informationen und Rekonstruktion von vergangenen Debatten an diesem Punkt nicht stehen. Sondern sie blickt auch in die trübe Zukunft einer Vermögensteuer. Also auf Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2025.

„Die Familienunternehmer“

Neben dem Einfluss der Politik beschäftigen sich die Filmemacher auch mit einem besonders einflussreichen Lobbyverein: „die Familienunternehmer“. Getarnt als Interessenverband mittelständischer Unternehmer, handelt es sich dabei eigentlich um einen Club aus Superreichen, Vermögensverwaltern und Vertretern großer Unternehmen. Mit Kampagnen versuchen sie, sich gegen die stärkere Besteuerung ihres Reichtums einzusetzen.

Sind diese Drahtzieher denn der machtvolle Kern, dem Hauke ­Wendler laut seinem Versprechen im Intro so nahegekommen ist wie nie zuvor?

Falls ja: Sein Versprechen ist falsch. Die Annäherung gelingt ihm und seinem Team nicht. Das ist die größte Schwachstelle der Dokumentation. Bis zur Einführung des Lobbyvereins ist der Film eine ein wenig eingeschlafene, aber gut erklärte Zusammenfassung zum Stand der Vermögensteuerpolitik. Der mysteriöse Verband und seine Machenschaften hätten einen tieferen Einblick in die tatsächliche Arbeit gegeben, die die Besteuerung von Reichen so erfolgreich verhindert. Doch „die Familienunternehmer“ verweigern leider das Gespräch mit dem ZDF.

Der Unternehmer, der stattdessen die Argumente gegen eine Besteuerung von Vermögen aufzählen darf (Im Kern: Das Vermögen fließe doch zurück in das Unternehmen und ermögliche so weitere Investitionen), wird im nächsten Moment von der Politologin und Steuerexpertin entwaffnet (empirische Belege für einen Verlust der Arbeitsplätze bei Vermögenbesteuerung gebe es nicht).

Löblich: Für diese Doku musste kein Sparschwein als Symbolbild herhalten

Einen großen Gegenspieler, der ein wenig Spannung in die sonst – sind wir mal ehrlich – dröge Thematik der Finanzpolitik bringen würde, vermisst man als Zuschauerin. Auch sonst glänzt die Doku mit dem klassischen Schnittbildern einer öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion: Hauke Wendler fährt zum Termin mit dem Auto, Hauke Wendler sitzt hinten im Auto und liest Dokumente, Hauke Wendler begrüßt die Interviewpartner*innen.

Hätte man diese Momente einfach weggelassen, der Film wäre mindestens wenige Minuten kürzer und flotter. Dass eine Produktion für „ZDF frontal“, nicht das gekünstelte Drama von einer Netflix-Produktion à la „Dirty Money“ mitbringt, ist klar. Es müssen auch keine treibenden Beats einfliegende Tortengrafiken untermalen. Es ist schon löblich, dass kein Sparschwein als Symbolbild zwischen Szenen hat herhalten müssen. Die Doku versteht, und das ist das Wichtigste, mit den Tatsachen Eindruck zu hinterlassen: Deutschland hat zwar die Mittel, aber nicht den Willen, die Ungleichheit in der Gesellschaft zu verringern.

„Steuerparadies Deutschland“, ZDF-Mediathek

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6 Kommentare

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  • Karl Marx prägt Begriff entfremdeter Arbeit im Hauptwiderspruch Kapital und Arbeit. Wobei Arbeitgeber zunächst bei Arbeitnehmern ungefragt Time is Money Kredit nehmen, indem sie erst nach getaner und nicht vor Arbeitsantritt Lohn auszahlen, damit durch Arbeit anderer geschaffen größten Mehrwertbatzen für sich gewinnen. Seit ausgesetzter Vermögenssteuer 1997 nach BVG Urteil 1995 ignorierter Maßgabe Vermögenssteuergesetzmangel zu heilen, ist seit Dotcom New Economy Börsencrash, Euro Einführung 2002 Phänomen zu registrieren, dass es auch Begriff entfremdeten Geldes gibt jener, die über Geld haben aber so mit Geld an deregulirten Börsen samt Kreditlinie computergesteuert hochfrequent Aktien, EFFTs, Derivate auf Bitcoins, Devisen, Rohstoffe im Gefühl wetten alles an Geld samt Kredit muss auf EZB Geldmengenziel geeicht im Börsenfluss bleiben, weil Geld ja einem selbst Besitzern nicht gehört außer der Börse. Da gilt Vermögenssteuer als Geldbleibeprämie, welcher Börsenjunkie will das schon wg Entzugsgefahr? Investieren in Menschen, Gesellschaft geht anders, aber wer weiß das angesicht Money Tsunami schon noch der hält hahende Vermögensinflations Geldwand für Übergewinn Glückslos aber dann?

  • Was mich wundert ist, dass die Gegner der Vermögenssteuer derzeit überall ablesen können, was die Ungleichheit bei den Menschen auslöst und wie das dazu führt, dass die Lebensbedingungen am Ende auch für Superreiche unsicherer werden. Stabilität und ein funktionierender Staat mögen für Arme wichtiger sein, als für Vermögende; am Ende müssen aber alle ein Interesse daran haben.

    • @Axel Donning:

      Eher nicht - den (Super-)Reichen fällt es nun mal durchaus leicht, sich von den negativen Begleiterscheinungen wirkungsvoll abzuschirmen, z.B. durch Bodyguards, gepanzerte Autos, gated communities... ein bisschen den eigenen Geiz überwinden, dann aber vielleicht sogar damit protzen, wie viel für die persönliche Sicherheit investiert wird. Eine Parallelgesellschaft, gewiss, jedoch kaum eine, die als gesellschaftliches Problem gesehen wird...

  • Bei derartigen Dokumentationen und ihren Rezeptionen werden gerne wilde Behauptungen aufgestellt und stets frage ich mich: Im Vergleich zu was? Und die Antwort ist meist: Im Vergleich zu dem Utopia, welches Macher und Kritiker im Kopf haben.



    Und damit ist dann auch schon klar, dass es kaum Erkenntnisgewinn geben wird außer über die politischen Ideale der fraglichen Personen.

    Im internationalen Vergleich ist Deutschlands Gini-Koeffizient nicht schlecht, auch nicht wenn man sich auf einen Vergleich mit anderen Demokratien beschränkt.



    Ebenso ist es fragwürdig ob die zunehmende Ungleichheit etwas mit der de facto Abschaffung der Vermögenssteuer zu tun hat. Eine Studie, die unter Finanzminister Scholz angefertigt wurde hielt man bis nach der Bundestagswahl zurück, weil ihr Urteil nicht im Einklang mit dem Wahlprogramm der SPD stand.

    Darüber hinaus halte ich den Gedanken, dass einzelne Lobbygruppen starken Einfluss auf die Bundespolitik ausüben können für realitätsfremd. Ein Blick ins Lobbyregister des Bundestages offenbart, dass eifrig aus und in alle Richtungen lobbyiert wird und das „die Familienunternehmer“ nur eine von hunderten Stimmen sind, die versuchen Einfluss zu nehmen.

    • @Julius Anderson:

      Danke für diesen differenzierten Kommentar!

      Auch wenn ich persönlich trotzdem für eine Vermögenssteuer wäre wenn das Geld nicht im Haushalt versickert, sondern gezielt zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen und zum Abbau von Lohnnebenkosten genutzt wird. Wäre auch ein Mittel gegen die AFD.

    • @Julius Anderson:

      Immer wenn die weiter wachsende Ungleichheit aufgrund wegen der fehlenden Vermögenssteuer angesprochen wird, sind die Apologeten nicht fern, die mit an den Haaren herangezogenen Behauptungen weismachen wollen, es wäre gut wenn die "Familienunternehmer" keine Steuern zahlen. Das diese "Familienunternehmer" Milliarden schwer sind und die Politik zu ihren Gunsten beeinflussen wird dabei auch noch frech negiert. Mich kotzen Kommentare wie der Ihre, "Herr" Anderson an. Sie werden für Ihre Desinformation hoffentlich gut bezahlt?