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Doku über GazakriegBBC in der Kritik

Die BBC zog im Februar eine Doku über den Gazakrieg zurück, weil der Erzähler Hamas-Verbindungen hat. Jetzt bestätigt das eine Untersuchung.

Die alt ehrwürdige BBC hat eine Fehler gemacht, nun bestätigterweise, und erntet dafür verdient Kritik Foto: Frank Augstein/ap

London taz | Eine BBC-Dokumentation über das Leben während des Krieges in Gaza aus Kindersicht hatte ein falsches und unangemessenes Konzept. So lautet das am Montag veröffentlichte Urteil einer ausgiebigen Untersuchung der unabhängigen Prüfstelle der BBC über die im Februar zurückgezogene Dokumentation „Gaza: How to Survive a Warzone.“

Der BBC-Chefintendant Tim Davie entschuldigte sich und sprach von der Identifizierung signifikanter Genauigkeitsfehler. Der Grund der Misere war, dass der Erzähler der Geschichte, der damals 13-jährige Sohn des stellvertretenden Hamas-Agrarministers Ayman Alyazouri war.

Dies wurde der BBC von der Produktionsfirma Hoyo Films nicht mitgeteilt. Hoyo habe angenommen, dass die Stelle seines Vaters zivil oder technokratisch gewesen sei und er aufgrund des Krieges nicht arbeite. Hoyo hätte damit zwar einen Fehler begangen, doch dies nicht absichtlich getan, so urteilte die Untersuchung.

BBC-Angestellte hätten sich jedoch mit fehlenden Antworten und unzureichenden Hintergründen zufrieden gegeben und seien bei mindestens fünf Gelegenheiten nicht ausreichend „proaktiv“, gewesen. Dies hätte dazu geführt, dass die BBC ihren Richtlinien nicht nachkam und Zu­schaue­r:in­nen fehlinformierte.

Geschenkkarte für ein Computerspiel

Dass Drittpersonen, insbesondere der Vater des Jungen, den Film beeinflusst hätten, konnte die Prüfstelle nicht bestätigen. Andererseits seien 1.000 US-Dollar an die Schwester des Jungens bezahlt worden.

Er hätte auch ein gebrauchtes Handy und eine Geschenkkarte für ein Computerspiel erhalten. Insgesamt wäre so ein Wert von 2.100 Euro an den Jungen geflossen. Obwohl das haarscharf an der Trennlinie steht, keine Gelder an terroristisch eingestufte Personen zu zahlen, sagte der die Untersuchung führende Direktor der BBC-Beschwerdestelle Peter Johnston, es sei eine akzeptable Bezahlung gewesen. Tim Davie versicherte, man werde faire und angemessene Schritte vornehmen.

Einer davon ist ein neuer Direktorposten für Dokumentationen und Nachrichten. Zudem sollen striktere Prüfungen unternommen werden, ob und wer in Konfliktzonen das Narrativ bestimmen darf. Es müssten von Anfang an rigorose Backgroundchecks auch in den sozialen Medien durchgeführt werden.

Probleme mit der Übersetzung

Da es auch Probleme mit der Übersetzung aus dem Arabischen gab, ist da noch ein wichtiger Nebenaspekt: Wenn Personen für israelisch oder die israelischen Streitkräfte die Worte Jude oder Jüdinnen verwenden, ist das ein mögliches Indiz von Meinungen gegen Juden. Doch bei Übersetzungen darf nicht nachgebessert werden, und wenn, dann nur von Vorgesetzten in der BBC.

Kri­ti­ke­r:in­nen fehlen disziplinäre Schritte, die Lobbygruppe Campaign against Antisemitism fordert sogar den Rücktritt Davies, nicht zuletzt wegen der Ansammlung von Problemen, etwa bei Aussagen von BBC-Angestellten nach dem 7. Oktober, darunter Fußballmoderator Garry Lineker oder die Affäre mit der Band Bob Vylan in Glastonbury.

Die BBC musste übrigens eine weitere Dokumentation über Gaza aus dem Programm nehmen. Darüber hinaus musste sich die BBC für das Benehmen des ehemaligen Fernsehkochs Gregg Wallace entschuldigen, der unter anderem Frauen belästigt hatte.

Die Geschäftsführerin BBC News und Nachrichten, Deborah Turness, widersprach Rücktrittsforderungen. Man verstünde, was falsch gelaufen sei und würde Maßnahmen zur Lösung einleiten. Zudem hätte man sich entschuldigt.

Ofcom, die staatliche Behörde für die Einhaltung von Standards von britischen TV und Rundfunk, hat nun eine Überprüfung zur Frage der Irreführung der Öffentlichkeit gestartet. Das könnte Bußgelder nach sich ziehen.

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