Doku über Fleischproduktion: Auf rostigen Kähnen
Der Journalist Manfred Karremann hat wieder einen Film über Tiertransporte gedreht: „Achtung Tiertransport“ (ARD) ist eine stichhaltig begründete Anklage.
„1,6 Milliarden Tiere werden jedes Jahr in die und aus der EU transportiert. Die Wege sind oft lang, die Tiere nur Ware. Nicht selten bleibt der Tierschutz dabei auf der Strecke.“ Auch das ist keine Neuigkeit.
Dazu beigetragen, Tiertransporte in den Fokus einer kritischen Öffentlichkeit zu rücken, hat der Journalist Manfred Karremann – mit Fernsehdokus wie: „Geheimsache Tiertransporte“, „Tiertransporte grenzenlos – Leder für Deutschland“ und „Rinder für den Orient“. Das Thema ist ihm also ein echtes Anliegen, es hat viele Facetten, wie man im ARD-Programm sehen kann, in einem neuen Film von Manfred Karremann: „Achtung Tiertransport“.
Der Schwerpunkt ist dieses Mal: das deutsche Exportverbot für Schlachttiere in Länder außerhalb der Europäischen Union – und dessen offenbar kinderleichte Umgehung, „indem man sie schon als Kälber in andere EU-Länder verkauft. Dort werden sie gemästet, danach aus Europa exportiert.“ Nach Afrika, in den Nahen Osten, in den Libanon. Dicht gedrängt auf rostigen, alten Kähnen, auf denen die zuvor auf europäischen Straßen einschlägigen Schutzvorschriften nicht mehr interessieren. Denn: „Die Zeit auf einem Schiff gilt bislang nicht als Transportzeit.“
ARD, Mo., 13.01.25, 23.35 Uhr und in der ARD-Mediathek
Wie die korrekte Behandlung aussieht
Wie das sein kann, erklärt Stefan de Keersmaecker, Sprecher der EU-Kommission und unter zahlreichen Talking Heads im Film der einzige in der Rolle des Advocatus Diaboli. Er wirkt dabei so unmotiviert – er scheint selbst nicht zu glauben, was er da behauptet: „Die Stressumgebung ist eindeutig anders zwischen dem klassischen Straßentransport und dem Schiff, wo es genug Platz geben sollte, um die Tiere korrekt zu behandeln.“
Die korrekte Behandlung sieht dann etwa so aus, dass ein Rind nach der Schiffspassage in den Libanon mit gebrochenen Beinen per Kran vom Schiff gehoben wird, damit es noch – gerade eben so – lebend verladen werden kann. „Ein Leben zum Verzehr“, nennt Karremann das Prinzip hinter der Nutztierbewirtschaftung einmal. Dafür, nicht in Deutschland zu schlachten und dann das Fleisch zu exportieren, gibt es mehr oder weniger gute Gründe. Der wichtigste: „Man schlachtet hier nach religiösem Brauch. Das sogenannte Schächten ohne Betäubung ist in Deutschland verboten.“
Und nicht nur aus Europa, auch aus Brasilien und Australien werden die Tiere in den Libanon verschifft: „Solche Transporte über die Weltmeere hinweg bedeuten auch eine immense Verschmutzung der Umwelt und der Meere. Tonnenweise Gülle wird ins Meer abgelassen – schädlich für Korallen.“ Karremann belegt das alles mit nicht sehr schön anzuschauendem Bildmaterial.
Renate Künast, ehemals Spitzenkandidatin der Grünen bei einer Bundestagswahl, die dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören wird, aktuell aber noch Leiterin der AG Ernährung und Landwirtschaft ihrer Fraktion ist, beklagt eine Haltung der Bevölkerungsmehrheit, „die nicht mehr zur Kenntnis nimmt, dass das Geschöpfe sind, die auch Schmerz und Leid empfinden“.
Nimmermüder Überzeugungstäter
Die zweite Politikerin, der Karremann das Wort erteilt, ist Zoe Mayer, ebenfalls Grüne. Bestimmt wäre es ihm möglich gewesen, auch irgendeinen CSU-Waldbauern vor seine Kamera zu bekommen, um zu erklären, warum es an den Tiertransporten, so wie sie stattfinden, rein gar nichts auszusetzen gibt. Für so viel Meinungspluralismus war aber offensichtlich kein Platz in einem Film, der nichts anderes ist als die stichhaltig begründete Anklage eines nimmermüden Überzeugungstäters, gelegentlich mit polemischer Tendenz: „Huhn ist das beliebteste Tier in Deutschland. Zumindest als Hähnchen auf dem Teller.“
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