Dobrindts „Mobilitätsrevolution“: Mehr Selbstständigkeit für Autos
Das Kabinett verabschiedet einen Gesetzentwurf, der autonomes Fahren regelt. Aber was ist mit den Kernfragen Haftung und Ethik?
An einem wesentlichen Knackpunkt beim Einsatz der Automaten ändert sich nichts. Die Technik muss so gestaltet werden, dass der Fahrer jederzeit die Kontrolle über das Fahrzeug an sich nehmen kann. Damit bleibt auch bei der Haftungsfrage noch alles beim Alten: Die Verantwortung für das Geschehen trägt immer der Fahrer.
In einem zweiten Schritt will Dobrindt das Haftungsrecht demnächst offenbar ändern. „So soll die Begriffsbestimmung des Fahrers so erweitert werden, dass ihm künftig automatisierte Systeme mit voller Kontrolle über ein Fahrzeug gleichgestellt werden“, teilte das Ministerium mit.
Was damit gemeint ist, hat der Minister schon im vergangen Jahr erläutert. In der Straßenverkehrsordnung soll festgelegt werden, dass ein Fahrer nicht gegen Sorgfaltspflichten verstößt, wenn er Aufgaben dem System überlässt und sich vom Fahren abwendet. Bei einem technischen Versagen des Computers drohen dem Fahrer dann keine strafrechtlichen Konsequenzen. „Die finanzielle Haftung wird über die ohnehin vorgeschriebene Haftpflichtversicherung abgedeckt“, sagte Dobrindt.
Daddeln ist künftig okay
Erst dieser zweite gesetzliche Schritt wird tatsächlich brisant. Nach den bisherigen Ankündigungen könnte er allerdings auf eine Mogelpackung hinauslaufen. Der Hersteller wäre beispielsweise fein raus, wenn die Schadenregulierung bei einem durch die Technik verursachten Unfall von der Haftpflichtversicherung des Fahrers übernommen werden müsste. Damit landet auch die finanzielle Haftung zumindest teilweise beim Besitzer des Autos. Denn die Versicherungen holen sich die Ausgaben für einen regulierten Schaden über höhere Beiträge beim Versicherten zurück.
Es ist folglich auch bei einer Gleichstellung von Computer und Fahrer am Ende so, dass der Fahrer für Fehler finanziell verantwortlich bleibt.
Bundesverkehrsministerium
Ungeklärt bleiben auch die ethischen Fragen des autonomen Fahrens. Ein Auto, das selbständig einer gefährlichen Situation ausweicht, steht womöglich in manchen Fällen vor mehreren schlechten Entscheidungsmöglichkeiten. So kann bei einem Ausweichmanöver zum Beispiel links vom Hindernis ein Rentner, rechts davon ein Kind stehen. Irgendjemand muss den Computer im Fahrzeug auf eine Präferenz beim Rettungsmanöver programmieren. National sind diese gravierenden Fragestellungen wohl nicht zu klären. Deshalb will die Bundesregierung eine Vereinbarung im Rahmen der Vereinten Nationen anstoßen. Bis sich die Staatengemeinschaft auf einen gemeinsamen Text geeinigt hat, dürften Jahre ins Land ziehen.
Die deutsche Autoindustrie hegt große Hoffnungen in Zusammenhang mit autonomen Fahrsystemen. Bei Fahrassistenten wie der Einparkhilfe sind Daimler, BMW und VW international weit vorne. In einigen Jahren erwarten Fachleute komplett selbständige Automobile.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste