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Diskussion um RenteneintrittsalterOettinger erhöht auf 70

Die Rente mit 63 wackelt. Die Idee einer Flexi-Rente bekommt immer mehr Zuspruch, EU-Kommissar Oettinger fordert gar eine Verlängerung der Lebensarbeitzeit.

Nach Meinung von Günther Oettinger sollen wir bis 70 ackern und erst dann relaxen Bild: dpa

BERLIN afp/dpa | In der Debatte um das Rentenpaket der großen Koalition hat sich der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ausgesprochen. „Wir haben einen Fachkräftemangel und müssen in den nächsten Jahren über die Rente mit 70 sprechen“, sagte der CDU-Politiker der Zeitung Die Welt. „Wir müssen Menschen mit beruflicher Weiterbildung fit machen für eine längere Lebensarbeitszeit.“

Die von der großen Koalition geplante Rente mit 63 kritisierte Oettinger als „falsches Signal“ auch nach außen. „Wir muten den Griechen mehr Arbeit bei schlechterem Gehalt zu. Die wundern sich jetzt, dass die Deutschen in die andere Richtung unterwegs sind“, sagte er. Auch das Unionsprojekt Mütterrente und den von der SPD forcierten Mindestlohn nannte der frühere baden-württembergische Ministerpräsident „nicht überzeugend“. Die große Koalition habe „einen großen Schluck aus der Pulle genommen“, um Wahlversprechen von Union und SPD einzulösen.

Unterstützung bekam Oettinger von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. „Durch die steigende Lebenserwartung und die demografische Wende ist die Frage der Rente mit 70 unausweichlich“, sagte er der Welt. Auch Klaus Zimmermann, Direktor des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit, kritisierte die Koalitionspläne: „Mit der Rentenparty, die die deutsche Bundesregierung gerade auf Kosten der jungen Generation vorbereitet, gibt Deutschland in Europa seinen Anspruch auf Führung in rentenpolitischen Zukunftsfragen auf.“

Zuvor hatte sich bereits der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, hinter Vorschläge aus der Union gestellt, älteren Menschen nach Erreichen des Rentenalters das Weiterarbeiten zu erleichtern. Weise sagte der Rheinischen Post mit Blick auf eine sogenannte Flexi-Rente: „Es gibt Menschen mit viel Erfahrung und hohem Lebensalter, die weiterarbeiten wollen.“ Dafür solle es dann entsprechende Anreize geben.

SPD warnt vor Verzögerungen

In dem Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für eine Rentenreform ist eine solche Flexi-Rente bislang allerdings nicht vorgesehen. Kernpunkte ihrer Reform sind die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren sowie der Ausbau der Mütterrenten. „Wir dürfen das Rentenpaket jetzt nicht durch neue Forderungen verzögern“, sagte SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer der Rheinischen Post. Maßnahmen für einen flexibleren Übergang in die Rente müssten berücksichtigen, dass die Menschen unterschiedlich seien: „Manche wollen länger arbeiten, manche können es nicht.“

Der hessische SPD-Chef und Bundesvize seiner Partei, Schäfer-Gümbel, sagte , mit der abschlagsfreien Rente nach 45 Jahren Arbeit werde eine Gerechtigkeitslücke geschlossen. „Das gilt nicht nur für die Facharbeiterschaft, sondern auch für viele andere Beschäftigte“, sagte er zu Vorwürfen, die SPD bediene mit der Reform vor allem die ihr eng verbundene Klientel der Facharbeiter.

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6 Kommentare

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  • der Begriff "Rentenversicherung" ist irreführend. Als junger Mensch habe ich das tatsächlich für eine Versicherung gehalten. Schließe ich eine private Versicherung ab, stehen Mindesablaufleistung und Auszahlungszeitpunkt fest, also eine Sache auf die man sich verlassen kann.

     

    Das habe ich glücklicherweise auch getan sobald ich merkte, daß das staatliche System mir keine Sicherheit für das Alter bieten kann. Als Selbständiger konnte ich das auch so regeln.

     

    In der staatlichen Renterversicherung bin ich als "Kunde" rückwirkenden Gesetzen, ebenso ausgesetzt wie willkürlichem Umgang mit den eingezalten Beiträge (versicherungsfremde Leistungen) und kann gar nichts dagegen unternehmen.

     

    Seit 40 Jahren ist absehbar, daß das Solidarsystem nicht mehr aufgeht. Die Politik aller Parteien hat stets die Augen davor verschlossen und an Symptomen herumgedoktert, anstatt eine wirkliche Rentenreform anzugehen. Politik fängt jedoch nur Prokejkte an, die bis zur nächsten Wahl verwertbar sind und so schnell ist eine nachhaltige Reform nicht umzusetzen.

     

    Es gibt viele denkbare Modelle zur Finanzierung der Renten, aber immer steht irgend eine Lobby dazwischen.

  • Kein Wunder, werden Leute wütend auf die EU!

    Das betrifft uns alle

  • a) Es gibt keinen Fachkräftemangel

    b) Die Rente ist weder gerecht, noch ungerecht, aber sie wird in den nächsten Jahren für viele Normalverdiener eine Armutsrente werden

    c) Die Rente mit 70 ist für Beamte und hochgestellte Angestellte kein Problem, also für ca. 4 bis 6 Prozent der Beschäftigten funktioniert dieses Modell

    d) Das Hauptproblem heißt: Armutssichere Altersversorgung! Nicht Renteneintrittsalter oder Rente mit 80 oder 90.

    e) Das Thema ist ernst - unqualifizierte Gesetze und Vorschläge nerven und zeigen erhebliche Unsensibilität.

    f) Alle sollten einzahlen und alle sollten eine armutsfeste Rente erhalten. Und zwar nach 63 bis 65 Jahren, also entsprechend der Beitragsjahre und des Berufs.

  • A
    aurorua

    Immer dieselben parteiintern in die EU entsorgt, damit die Kohle auch weiterhin stimmt und die Pensionsansprüche zusätzlich exorbitant steigen. Dafür zahlt der Parteibuchkarrierist Oettinger, Günther nicht einen Eurocent Beiträge. Aber denen, nämlich dem ehrlichen Arbeiter nach 45 Jahren Beitragszahlung in die Rentenkasse, gönnen solche "Knallchargen" ihre wohlverdiente und bezahlte Rente nicht. Klar bei so einem EU-Job bei dem man sich von einem Arbeitsessen und Trinken zum nächsten chauffieren lässt, bei einem Job bei dem man von Lobbyisten wie eine Diva umschwirrt und insgeheim gesponsert wird, da möchte man am liebsten bis 90 mitfeiern, da vergisst man schnell wer einem so ein Leben in Saus und Braus via Steuern ermöglicht nämlich der Bürger und Wähler und i.d.R. zukünftige Rentner/in.

    Herr Oettinger gehts noch schamloser?

    Gerade wegen solch hemmungslosen Abkassierern wäre eine wirkliche Reform längst überfällig! Siehe:

    https://www.openpetition.de/petition/online/buergerversicherung-altersversorgung-solidarisch-und-gerecht

  • Rente mit 70? Ich bin 60 und eigentlich qualifiziert für alle mögliche Tätigkeiten, einen Job finde ich aber nicht. Alles Gerede über längere Lebensarbeitszeit ist Unsinn, solange keine Arbeitsplätze vorhanden sind - und ich denke an richtige Arbeitsplätze.

  • Eine Rente mit 63 mag "gerecht" sein, fördert aber eben gerade die, die aufgrund langer Beitragsjahre in stabilen Industriebranchen oder dem öffentlchen Dienst eh schon vergleichsweise gute Löhne und gute Renten bekommen. Menschen mit unterbrochenen Arbeitskarrieren, Niedriglohnbeschäftigungen oder mit längerer Ausbildungszeit, die mit 65 vor Armutsrenten stehen, bringt das sozialdemokratische Füllhorn leider nichts.

     

    Schaut man auf die demographische Entwicklung und die üblichen Wirtschaftszyklen, wird obendrein klar, dass das Nahles'sche Renten-Schlaraffia die nächste Wirtzschaftskrise kaum überleben wird. Die Zusatzlasten durch Mütterrente und 63er-Rente werden Staat und Beitragszahler auf Dauer nicht tragen können. Mir persönlich gefällt die Vorstellung zwar nicht, aber ich glaube, mein Renteneintrittsalter wird eher bei 70 als bei 65 oder niedriger liegen.