Diskussion um Reform: Die Schuldenbremse wackelt deutlich
Mittlerweile spricht sich selbst eine Ratingagentur für eine Reform der Schuldenregeln aus. Auch Kanzlerkandidat Merz schließt das nicht mehr aus.
Die Scope-Groupe wurde 2002 in Berlin gegründet und begann 2012, Staaten und Unternehmen auf Kreditwürdigkeit zu prüfen. Sie sollte eine europäische Antwort auf die drei großen US-Anbieter Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch sein. Dass sich mit Scope nun eine Ratingagentur für eine Lockerung der Schuldenregeln ausspricht, ist beachtlich. Schließlich achten die Agenturen bei ihren Bonitätsprüfungen normalerweise darauf, dass die Schuldenlast möglichst gering ist.
Doch mit einer Staatsverschuldung von 63 Prozent der Wirtschaftsleistung ist diese in Deutschland schon relativ niedrig. So weist zum Beispiel Spanien eine Schuldenquote von 103 Prozent auf. Gleichzeitig verzeichnete das südeuropäische Land aber nach IWF-Schätzungen 2024 mit 2,9 Prozent das zweithöchste Wirtschaftswachstum der Eurozone, während die deutsche Wirtschaft das zweite Jahr in Folge schrumpfte.
„Wenn Deutschland den allmählichen Rückgang seiner Wettbewerbsfähigkeit aufhalten will, dann sollte sich die nächste deutsche Regierung auf eine deutliche Steigerung der Investitionen konzentrieren“, sagte deshalb Scope-Direktor Sievert. Er bläst damit ins selbe Horn wie zuletzt etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) oder die Bundesbank.
600 Milliarden Euro Investitionsstau
„Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse. In den letzten Jahrzehnten wurde in Deutschland viel zu wenig investiert“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Dienstag und bekräftigte, dass derzeit ein zusätzlicher öffentlicher Investitionsbedarf von mindestens 600 Milliarden Euro bestehe.
Auch Bundesbank-Chef Joachim Nagel spricht sich für eine Reform der Schuldenbremse aus: „Ich denke, wir sollten nicht nur leichte Änderungen vornehmen“, sagte Deutschlands oberster Währungshüter am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. „Ich denke, wir müssen das ganze Konzept ändern.“ Angesichts von „tektonischen Veränderungen“ in der Welt seien konventionelle Maßnahmen nicht mehr genug.
Auch in der Politik gibt es Bewegung. Während Linke, Grüne und SPD für eine Reform werben, sind nur noch FDP und AfD strikt dagegen. Selbst in der Union, die in ihrem Wahlprogramm schrieb, dass sie „an der Schuldenbremse des Grundgesetzes“ festhalte, mehren sich die Zeichen, dass sie grundsätzlich für eine Reform bereit ist: So sagte Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz der Heilbronner Stimme-Mediengruppe: „Wir können über die Schuldenbremse diskutieren. Das will ich gar nicht ausschließen.“
Damit würde sich Merz dem Willen der Mehrheit anpassen. Laut einer aktuellen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sprechen sich 55 Prozent für eine Reform oder gar Abschaffung der Schuldenbremse aus, damit mehr Investitionen finanziert werden können. Besonders wichtig sind den Menschen Investitionen in Bildung, Verkehr und Gesundheit. (mit Agenturen)
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