Diskussion um Polanski: Stehen Künstler über dem Gesetz?

Zahlreiche Politiker und Prominente setzen sich für den inhaftierten Filmemacher Roman Polanski ein – obwohl er sich eines Verbrechens schuldig gemacht haben soll.

Löst heftige Diskussionen aus: Der Fall Roman Polanski. Bild: ap

Roman Polanski hat als Regisseur Großes geleistet. Filme wie "Rosemarys Baby", "Chinatown" oder "Der Pianist" belegen dies. Roman Polanski ist außerdem ein Mensch, dem das Leben übel mitgespielt hat. Seine Mutter wurde in Auschwitz umgebracht, sein Vater überlebte den Holocaust im KZ Mauthausen, Polanski floh als Kind aus dem Krakauer Ghetto und hielt sich auf dem Land bei Kleinbauern versteckt. Viele Jahre später, am 8. August 1969, drangen Anhänger von Charles Manson in seine Villa in Los Angeles ein; sie töteten Polanskis schwangere Frau Sharon Tate.

Roman Polanski hatte 1977 - er war damals 44 - während eines Fotoshootings in der Villa von Jack Nicholson Sex mit einem 13 Jahre alten Mädchen, nachdem er ihm Alkohol verabreicht hatte. Ob das Verführung Minderjähriger, sexueller Missbrauch oder Vergewaltigung war, hätte vor Gericht geklärt werden müssen. Es kam allerdings nie zu einem Urteilsspruch. Polanski entzog sich dem Verfahren, nachdem er 47 Tage in Haft gesessen und ein Teilgeständnis abgelegt hatte, indem er sich nach Frankreich absetzte. Die USA hat er seither nie wieder betreten und auch solche Länder gemieden, die Auslieferungsabkommen mit den USA haben. Am Samstag wurde er überraschend am Flughafen von Zürich festgenommen, wohin er reiste, weil ihm beim Züricher Filmfestival ein Preis für sein Lebenswerk verliehen werden sollte. Seither sitzt er im Gefängnis, am Dienstag haben seine Anwälte einen Antrag auf Haftentlassung gestellt.

Die Verhaftung hat Empörung ausgelöst. Die einen regen sich auf, weil sich jemand 31 Jahre unbehelligt durch die Welt bewegt, obwohl er sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat - für sie steht fest, dass es sich bei dem, was sich 1977 in Jack Nicholsons Villa ereignete, um eine Vergewaltigung handelte. Damit bestätigen sie, was ihre Gegner gern ins Feld führen: dass nämlich bei Sexualdelikten Vorverurteilungen gang und gäbe sind.

Die anderen wiederum sprechen von einem "Sittendelikt", wittern eine Justizfarce und werfen der Schweizer Exekutive vor, sich zum Vollstrecker einer ohnehin nicht vertrauenswürdigen US-amerikanischen Justiz zu machen. Filmschaffende meldeten sich am Montag mit einer Petition zu Wort, in der sie die sofortige Freilassung Polanskis fordern. Zu den Unterzeichnern gehören Pedro Almodóvar, Asia Argento, Jonathan Demme, Tom Tykwer und Wim Wenders. In dem Text heißt es: "Aufgrund ihres extraterritorialen Charakters ist es Filmfestivals auf der ganzen Welt möglich, Werke zu zeigen und Filmemacher frei und sicher auftreten zu lassen, selbst wenn manche Staaten dagegen sind."

Die Petition erweckt den Eindruck, Künstler ständen über dem Gesetz. Für sie gilt nicht, was für Krethi und Plethi selbstverständlich wäre. Das, was Polanski 1977 mit dem 13 Jahre alten Mädchen tat, ist den Unterzeichnenden keinen Satz wert - eine Bagatelle, das gute alte Kavaliersdelikt. Dazu passt, dass viele, die für den Regisseur Partei ergreifen, betonen, das Opfer, Samantha Geimer, habe ihm längst verziehen - ganz so, als sei ein sexueller Übergriff dieser Art Sache des Zivil- und nicht des Strafrechts.

Es gibt vieles, was an Polanskis Verhaftung merkwürdig ist. Warum erfolgte sie erst jetzt? Verhielt sich der Richter 1978 in Los Angeles korrekt oder voreingenommen? Wem nützt der internationale Haftbefehl, und wem, außer Polanski, schadet er? Das ändert nichts daran, dass man zwei Dinge in seinem Kopf zusammenbringen muss: Roman Polanski ist ein herausragender Filmemacher. Aber 1977 hat er etwas getan, wofür er sich bisher nicht verantwortet hat und wofür er sich verantworten muss.

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