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Diskussion über VerfassungsänderungSollte der Kampf gegen Antisemitismus ins Grundgesetz?

Parallel zur Antisemitismus-Resolution denkt eine Tagung weiter: Sind harte Eingriffe gegen Antisemitismus nur nach einer Verfassungsänderung möglich?

Von der Meinungsfreiheit gedeckt: Die Kampagne BDS steht im Fokus vieler, die in Deutschland gegen Antisemitismus kämpfen Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Der Bundestag hat an diesem Donnerstag trotz Ampel-Aus mit einem interfraktionellen Antrag seine Antisemitismus-Resolution verabschiedet. Eine Tagung in Berlin hat unterdessen schon weiter überlegt. Sollte der Kampf gegen Antisemitismus auch im Grundgesetz verankert werden? Veranstalter war am Dienstag neben der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung das Tikvah-Institut zur Eindämmung des Antisemitismus, gegründet 2020 vom Ex-Abgeordneten Volker Beck (Grüne).

Der Gedanke an Verfassungsänderungen liegt aus Sicht des Instituts juristisch nahe, seit Anfang 2024 das Bundesverwaltungsgericht sein BDS-Urteil verkündete. Danach verstieß ein Raumverbot der Stadt München für alle Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Israel-Boykottbewegung BDS gegen die Meinungsfreiheit.

Zwar hat der Bundestag auch in der kommenden Resolution seine Aufforderung bekräftigt, dass der Staat die BDS-Bewegung in keiner Weise unterstützen dürfe. Außerdem fordert der Antrag, dass bei der Kulturförderung keine antisemitischen Werke bezuschusst werden. Wie aber neue Gerichtsurteile vermieden werden können, blieb offen. In der Resolution heißt es nur, entsprechende Haushaltsregeln sollten „rechtssicher“ formuliert werden – was immer das bedeutet.

Eine Möglichkeit, solche Gerichtsurteile zu vermeiden, könnte eine Änderung des Grundgesetzes sein. Bei der Berliner Tagung wurden drei Vorschläge vorgestellt. Ein Vorschlag stammte von Ludwig Spaenle (CSU), dem bayerischen Antisemitismus-Beauftragten. Er will „den Kampf gegen Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens“ als Staatsziele im Grundgesetz verankern.

Udo Di Fabio: Es ginge auch ohne Grundgesetzänderung

Ebenfalls ein Staatsziel schlug der Rechtsanwalt Matthias von Kaler vor. Danach soll der deutsche Staat verpflichtet werden, die „Sicherheit des Staates Israel“ zu schützen. Hier würde quasi die politische „Staatsräson“ die die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) 2008 verkündet hatte, zum verfassungsrechtlichen Gebot.

Angelika Günzel, eine ehemalige Rechtsprofessorin, die jetzt für eine Bundesbehörde arbeitet, hält bloße Staatsziele für zu schwach. Sie will die Grundrechte auf Meinungsfreiheit und auf Versammlungsfreiheit ausdrücklich einschränken, um wirkungsvoller gegen Antisemitismus vorgehen zu können.

Udo Di Fabio, Ex-Verfassungsrichter und Bonner Rechtsprofessor, machte deutlich, dass sich die Ablehnung des Antisemitismus auch ohne explizite Grundgesetzänderung der Verfassung entnehmen lasse. Er verwies insbesondere auf das Wunsiedel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009, das im Grundgesetz ein „anti-nationalsozialistisches“ Ziel erkannt hatte. Hier sei auch die Ablehnung des Antisemitismus mitgemeint.

Für Di Fabio bedeutet Antisemitismus immer auch eine „Feindschaft zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung“. Denn: „Antisemitismus ist mehr als Judenfeindschaft“, er sei vielmehr ein Welterklärungssystem, das durch seine Fixierung auf das angebliche jüdische Streben nach Weltherrschaft stets Rationalität, Pluralismus und Aufklärung ablehne. Der Antisemitismus sei, so Di Fabio, eine „Ideologie gegen die westliche liberale Demokratie“.

Deshalb sei es auch ohne Grundgesetzänderung möglich, antisemitische Kundgebungen generell zu verbieten, argumentierte der Ex-Verfassungsrichter. Auch Förderrichtlinien, die Zuschüsse für antisemitische Inhalte ausschließen, seien heute schon möglich.

Anti-Antisemitismus bereits in 4 Landesverfassungen

Der Potsdamer Rechtsprofessor Norbert Janz, der eine Grundgesetzänderung befürwortet, fand Di Fabios Herleitung zu kompliziert, „da muss man zu viel erklären“.

In den letzten Jahren haben bereits vier Bundesländer in ihren Landesverfassungen den Kampf gegen Antisemitismus als Staatsziel verankert. Sachsen-Anhalt machte 2020 den Anfang, es folgten 2022 Brandenburg und jeweils 2023 Bremen und Hamburg. Mecklenburg-Vorpommern steht kurz vor einer entsprechenden Verfassungsänderung. In der Regel hatten die Verfassungsänderungen keine konkreten Auswirkungen, sondern wirkten als Symbol und Signal, auch an die jüdischen Gemeinden vor Ort.

Bei der Berliner Tagung zeichnete sich ab, dass im Bundestag die für eine Grundgesetzänderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit derzeit nicht zustande käme. Zwar zeigten sich Johannes Fechner (SPD), Till Steffen (Grüne) und Thorsten Lieb (FDP) für die Vorschläge offen. Günter Krings lehnte jedoch für die CDU/CSU eine Grundgesetzänderung ab. Die CDU/CSU-Fraktion sei generell skeptisch gegenüber Verfassungsänderungen. „Nur wo die Verfassung hindert, etwas im einfachen Recht zu ändern, sollten wir das Grundgesetz ändern“, so Krings.

Gastgeber Volker Beck resümierte: „Wir sind noch nicht so weit, dass wir etwas vorschlagen können“. Er sei sich auch noch nicht sicher, ob man wirklich eine Grundgesetzänderung angehen sollte.

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