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Diskriminierung in ÖsterreichEntsetzen über „Anti-Homo-Haus“

Ein Wirt in Wachau darf Schwulen den Zugang verwehren. Der Fall zeigt, wie schwach das österreichische Anti-Diskriminierungsgesetz ist.

Auf ihm ruhen nun die Hoffnungen auf besseren Schutz: Österreichs Sozialminister Mückstein (rechts) Foto: Leonhard Foeger/rtr

Wien taz | Als „Anti-Homo-Haus“ bewirbt Michael Hirschmann sein Gästehaus im niederösterreichischen Aggsbach Markt. In seinem „Arbeiter-Monteur-Quartier“ in der Wachau, einem der schönsten Landstriche an der Donau, erteilt der Wirt „Homosexualität, Pädophilie und Gender-Ideologie“ eine Absage. „Wir wollen nichts mit Aids oder Syphilis zu tun haben,“ erklärt er auf der Homepage des Hauses. Seine zehn Zimmer vermietet Hirschmann vor allem an Arbeiter – sofern sie nicht schwul sind.

„Wenn ich mir vorstelle, wie diese Leute Sex miteinander haben, graust es mir“, sagte der Herbergswirt der Plattform noe.ORF.at. Mangels therapeutischer Kenntnisse könne er ihnen nicht helfen: „Deshalb ist es mir lieber, sie kommen nicht zu mir.“ Die homofeindliche Werbung ist jüngst der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), aber auch der Gemeinde, der Wirtschaftskammer und dem Tourismusverband aufgefallen.

Sandra Konstatzky, Leiterin der GAW, zeigt sich machtlos: „Da die aktuelle Causa in den Kompetenzbereich des Bundes und somit ins Gleichberechtigungsgesetz fällt, sind Betroffene nicht geschützt“. Und das Gleichberechtigungsgesetz bietet in diesem Fall keine Handhabe gegen die eklatante Diskriminierung.

Österreich, so kritisiert sie in den niederösterreichischen Medien, zähle zu den Staaten der EU, die außerhalb der Arbeitswelt am wenigsten Schutz für Homosexuelle bieten. Eine Gesetzgebung, die dem europäischen Standard entsprechen würde, ist bisher immer an der ÖVP gescheitert, die sich ihrer bürgerlichen und christlich-sozialen Werte rühmt.

Angeschlagene ÖVP, Chance für die Grünen

Im konkreten Fall zeigte sich sogar Josef Kremser schockiert, der ÖVP-Bürgermeister des 387 Einwohner zählenden Fleckens. Er tat, was er in seinem Zuständigkeitsbereich tun konnte: Er nahm die Unterkunft auf der Homepage der Gemeinde von der Liste der Zimmervermieter.

Auf Bundesebene hat der unappetitliche Fall Bewegung in die Debatte gebracht. Die SPÖ, die liberalen Neos und die Grünen bemühen sich schon lange um ein effektives Antidiskriminierungsgesetz. Die Sozialdemokraten hatten zuletzt vergangenes Jahr eine entsprechende Gesetzesinitiative in den Nationalrat gebracht, scheiterten aber an der Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen. Die Abgeordneten des kleinen Koalitionspartners mussten sich die Häme der Opposition gefallen lassen, als sie aus Koalitionsdisziplin gegen die eigene Überzeugung stimmen mussten.

„Wenn ich als schwuler Mann in einem Café sitze und dort bei einem Date einen Kaffee trinke, könnte ich ganz legal aus dem Lokal verwiesen werden“, klagte Markus Möller, Obmann der Homosexuellen Initiative in Tirol, im Ö1-Mittagsjournal. Ihm könne auch ein Mietvertrag verweigert werden. Gegen verbale Angriffe in einem Taxi konnte er sich rechtlich nicht zur Wehr setzen.

Die Plattform #Aufstehn hat Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) einen von 20.000 Wahlberechtigten unterzeichneten Appell übergeben, den Diskriminierungsschutz aufgrund sexueller Orientierung auf alle Lebensbereiche auszuweiten. Jetzt nützen die Grünen die Chance, den wegen zahlreicher Korruptions- und Postenschacher-Affairen politisch angeschlagenen Koalitionspartner unter Druck zu setzen.

Die Parteigranden der ÖVP halten sich bisher auffallend bedeckt. Einzig die jüngst ernannte Generalsekretärin Laura Sachslehner verschickte ein trockenes Kommuniqué, in dem sie im Namen der Partei „jede Form der Diskriminierung“ ablehnt. Die sexuelle Orientierung sei „Privatsache, die niemandem nachteilig ausgelegt werden“ dürfe.

Von der Zustimmung zu einem umfassenden Diskriminierungsschutz ist diese Position noch weit entfernt, schließt aber einen Sinneswandel nicht aus. Ausgerechnet der homophobe Gastwirt in der Wachau könnte jetzt dafür sorgen, dass er Schwule künftig von Gesetzes wegen nicht mehr vor die Tür setzen darf.

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11 Kommentare

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  • "Wenn ich als schwuler Mann in einem Café sitze und dort bei einem Date einen Kaffee trinke, könnte ich ganz legal aus dem Lokal verwiesen werden"



    Ich frag mich bei dem ganzen Artikel, wie denn die Homosexualität des Betroffenen jeweils überhaupt festgestellt wird? Denn für eine "legale Verweisung" muss dieser Tatbestand ja nun zweifelsfrei nachgewiesen werden. Wie soll das gehen?



    Ich seh schon Horden von Menschen aus Hotels und Restaurants verwiesen, um dann mit einer eidesstattlichen Erklärung ihrer Heterosexualität Schmerzensgeld zu bekommen... hm, war lange nicht in Österreich...

    Irgendwie ist das doch - neben Unappetitlichkeit - völlig absurd, was da abgeht.

  • Kann mir jemand erklären wie es kommt, dass der Verhetzungs-Paragraf §283 des österreichischen StGB nicht greift?

    www.jusline.at/gesetz/stgb/paragraf/283

    Nennung von "Homosexualität, Pädophilie und Gender-Ideologie" in einem Schwung mit AIDS und Syphilis dazu klingt für mich auch ziemlich nach Herabsetzung und Verächtlichmachung.

    Ich fände es von Seiten der taz mal interessant ob man rausfinden könnte wieso das nicht strafrechtlich relevant ist.

  • Warum stellt eigentlich niemand genau diesen christlichen Dogmatismus infrage? Das Buch-Christentum bzw. das der Kirchen ist doch genau so!

    • @Tenderloin:

      Das stellen SEHR viele Menschen infrage. Nur leben die Profichristen in einer Parallelwelt, das kann man nicht so einfach per Gesetzgebung ändern.

    • @Tenderloin:

      Hm? Wie genau meinen Sie das? Dass es keinen Widerstand gegen Homophobie innerhalb der Kirche gäbe?

      taz.de/Reformen-in...n-Kirche/!5833230/



      taz.de/Reformen-in...n-Kirche/!5833230/



      taz.de/Homosexuali...d-Kirche/!5084005/

      Nur mal so drei willkürliche ausgewählte taz-Artikel zu dem Thema.

      Oder meinen Sie, dass die Leute ganz im allgemeinen am Buch-Christentum oder der Kirche hängen?

      Kirchenaustritte von 2014-2020 liegen so um die 1% pro Jahr. Da steht zwar nicht von wievielen "Neuaufnahmen" es gibt, aber den Sorgen der Kirchen nach liegt die bestimmt eher darunter.

      www.kirchenaustritt.de/statistik

      Könnte sowas schneller gehen? Vielleicht. Könnte sowas besser umgesetzt werden? Sicher. Aber zu schreiben, dass niemand (Ihre Worte) christlichen Dogmatismus und Buch-Christentum in Frage stellt scheint mir doch etwas absurd.

      • @spinmearound:

        Das Problem haben alle Religionen. weil es halt "Nachwuchs" verhindert und man stets die Vermehrung der Gläubigen zum Ziel hat.

  • 'Ausgerechnet der homophobe Gastwirt in der Wachau könnte jetzt dafür sorgen, dass er Schwule künftig von Gesetzes wegen nicht mehr vor die Tür setzen darf.'

    Die eigentliche Frage ist doch, ob ein Schwuler in dieser Gaststätte nach erfolgter Gesetztes-Liberalisierung überhaupt noch Gast sein möchte ?

    • @Nikolai Nikitin:

      Nein, das ist NICHT die eigentliche Frage, sondern vielleicht ihr Versuch, vom Thema abzulenken.

      Oder Sie haben den Kern der Problematik noch nicht erfasst: in Österreich darf offenbar JEDER Gastwirt und Arbeitgeber usw. legal die sexuelle Orientierung einer Person zum Grund nehmen, dessen Anliegen und Bedürfnis abzulehnen.

      Ich wusste gar nicht, dass Österreich SO hinterwäldlerisch ist? Das wär so in etwa 10-20 Jahre hinter anderen europäischen Ländern?

    • @Nikolai Nikitin:

      Der Witz an der Sache wäre, dass er's nicht dürfte, auch wenn sich kein Schwuler jemals bei ihm blicken ließe.

    • @Nikolai Nikitin:

      Sind Sie sich sicher, dass das DIE eigentliche Frage ist? Es könnte durchaus ein paar mehr Konsequenzen geben, die uns vielleicht nicht sofort bewusst sind. Ersetzen wir doch spaßeshalber mal "Gastwirt" durch "Apotheker". Ich bin mir relativ sicher, dass es da durchaus tiefgreifendere Implikationen geben kann.

      Außerdem... solange ein derartiges Verhalten homophobes Verhalten legitim wäre gäbe es wahrscheinlich auch keine rechtliche Möglichkeit gegen Diskriminierung vorzugehen.

      Ich würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen.

      • @spinmearound:

        Ich habe solche Art von Türsteherpolitik noch nie verstanden. Passt dem Türsteher vor dem Club die Nase des Um-Einlass-Begehrenden nicht, bleibt dieser eben draußen. Wo ist hier die Gerechtigkeit ?