Diskriminierung an Berliner Schulen: Wenn LehrerInnen rassistisch sind
Erstmals gibt es Zahlen zu Diskriminierung an Schulen. Täter sind meist Erwachsene, oft geht es gegen muslimische und schwarze SchülerInnen.
Nun könnte man meinen, dass bei mehr als 350.000 SchülerInnen an allgemeinbildenden Schulen 170 Fälle nicht viel sind. Doch die Anzahl lasse keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Ausmaß von Diskriminierung zu, schreibt die Verwaltung. An Schulen würden „starke Beschwerdehemmnisse wirken“. Dazu passt, dass offenbar ein Großteil der BeschwerdeführerInnen Angst hat, dass der Schule die Meldung bekannt wird. Die meisten würden darauf drängen, dass dies nicht passiert, heißt es in der Antwort. Ziel der Beratung durch die Diskriminierungsbeauftragte ist dann logischerweise nicht das Abstellen der Diskriminierung, sondern „Unterstützung bei der Suche nach Empowermentangeboten“, psychologischer Begleitung – oder der Schulwechsel.
Obwohl die Daten also nicht das wahre Ausmaß von Diskriminierung offenbaren, sind sie in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen zeigen sie, dass die öffentliche Diskussion, die sich bislang fast nur um SchülerInnen als Täter dreht, womöglich in die falsche Richtung läuft. Nur in 20 Fällen war Diskriminierung durch SchülerInnen Grund der Beschwerde, in 19 Fällen waren die Diskriminierenden SchülerInnen und LehrerInnen zugleich. Alle anderen Beschwerden drehen sich um das Fehlverhalten von Erwachsenen – von LehrerInnen, ErzieherInnen und sonstigem Schulpersonal, aber auch von MitarbeiterInnen von Jugendamt und Polizei in der Zusammenarbeit mit der Schule. Immerhin 24 Fälle betreffen Bildungsmaterialien, Zugang/Aufnahme an eine Schule, Schulregeln.
Dazu sagte der Grünen-Politiker Walter: Natürlich müsse man einkalkulieren, dass nicht jede Beschimpfung unter SchülerInnen in die Statistik kommt – gemeldet würden vermutlich nur die besonders schlimmen Fälle. „Aber in der öffentlichen Debatte kommt schon zu kurz, dass Diskriminierungen oft von LehrerInnen ausgeübt werden“, sagte Walter am Freitag der taz. Das entspreche auch dem, was er von Betroffenen höre. Als Beispiel nannte er eine Schülerin mit Kopftuch, die gegenüber ihrer Lehrerin geäußert hatte, sie würde gerne Zahnärztin werden. „Die Lehrerin sagte darauf zu ihr: Das kannst du dir abschminken. Du mit deinem Hintergrund und dem Kopftuch wirst später eh putzen gehen.“
Häufig geht es um antimuslimischen Rassismus
Auch in einem anderen Punkt scheint die Öffentlichkeit auf der falschen Fährte zu sein: Denn geredet wird bislang fast ausnahmslos über Antisemitismus. Von den 106 Fällen von Rassismus fallen aber „nur“ 9 in diese Unterkategorie. Viel öfter gemeldet wurden Fälle von antimuslimischem Rassismus (36) und Rassismus gegen Schwarze Menschen (24). Auch Antiziganismus (12) kam öfter vor, 25 Fälle wurden unter „Sonstiges“ erfasst (Sprache, Religion, Nationalität und mehrfache Rassifizierung).
Einschränkend muss allerdings hinzugefügt werden, dass die Gruppe der muslimischen SchülerInnen viel größer ist als die der jüdischen SchülerInnen. Kleinere Fallzahlen für Antisemitismus sagen daher nur eingeschränkt etwas über die Relevanz des Problems aus. Dennoch darf wohl konstatiert werden, dass das Problem des Antiislamismus bislang öffentlich zu wenig wahrgenommen wird.
Die nach Rassismus zweithäufigste Diskriminierung geschah mit 20 Fällen wegen „Behinderung, Körper und Krankheit“ sowie mit 10 Fällen wegen „Geschlecht, sexueller Orientierung“. 4 Fälle bezogen sich auf den sozioökonomischen Status.
Folgen haben solche Taten bislang nur in wenigen Fällen: Beamtete LehrerInnen bekamen in vier Fällen einen Verweis, eine Missbilligung oder eine Geldbuße. Walter erklärte, die Konsequenz aus den Zahlen könne jetzt nicht heißen, in ein generelles Lehrer-Bashing zu verfallen. „Aber LehrerInnen müssen besser fortgebildet werden, damit sie in der Lage sind, eigene Verhaltensweisen zu reflektieren und zu verändern.“
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