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Diether Dehm klagt gegen WagenknechtMusikmillionär verteidigt seine Zurechnungsfähigkeit

Diether Dehm prozessiert gegen Sahra Wagenknecht, weil er seine geistige Integrität in Frage gestellt sieht. Seine Prozessaussichten stehen schlecht.

Diether Dehm auf der „Friedensdemonstration“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am 25. Februar 2023 in Berlin Foto: Pascal Beucker
Pascal Beucker

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Pascal Beucker aus Berlin

Es ist eine große, enttäuschte Liebe. „Auch verletzte Gefühle können Kriege hervorrufen“, sagt Diether Dehm. „Man sollte nicht so tun, als wäre man so eiskalt, dass man verletzte Gefühle für nebbich hält.“ Der 75-jährige ehemalige Bundestagsabgeordnete steht am frühen Mittwochnachmittag vor dem Saal 2.709 des Berliner Landgerichts. Er ist als Kläger hier.

Hat Diether Dehm noch alle Tassen im Schrank? Daran soll ausgerechnet Sahra Wagenknecht in Gesprächen Zweifel gehegt haben – und deswegen klagt er nun auf Unterlassung. Die Beklagte ist nicht gekommen. Sie hat nur ihren Anwalt geschickt.

Dehm ist Ex-Politiker, diplomierter Heilpädagoge, Kulturmanager, Musikproduzent, Schlagersänger, Romanautor, Immobilienbesitzer und Millionär. Er war 33 Jahre in der SPD, 26 Jahre erst in der PDS, dann in der Linkspartei und 17 Jahre im Bundestag. Mit Wagenknecht hatte er mal eine intimere Beziehung. Aber das ist lange her.

Gleichwohl blieb der Dödelbarde über viele Jahre einer ihrer treuesten Anhänger, verstand sich als eine Art Schild und Schwert Wagenknechts, die er vor den sinistren Angriffen dunkler Mächte beschützen wollte. Warum er im Bundestag sitze, fragte ihn 2018 der Spiegel. „Um die Sahra zu verteidigen“, antwortete er.

Schräge Verschwörungstheorie

„Ich habe seit 20 Jahren alle möglichen Auseinandersetzungen für sie geführt“, berichtet Dehm im Prozess voller Stolz. Noch 2023 verbreitete er auf dem prorussischen Desinformationskanal „Infrarot“ die Verschwörungstheorie, zur „Zerstörung des guten Rufs von Sahra Wagenknecht“ gäbe es im Bundesnachrichtendienst „mindestens eine Arbeitsgruppe von sechs Leuten“, die sich „zweimal in der Woche“ treffen würde.

Die taz bezeichnete er damals in dem Gespräch mit Ex-RT Deutsch-Chefredakteur Ivan Rodionov als das „oberste CIA-Organ der Republik“, noch vor dem Spiegel. Wer hätte das gedacht? „Es gibt Medien, die es mit mir nicht besonders gut meinen“, sagt Dehm am Mittwoch vor Gericht. Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.

Mit Geheimdiensten kennt sich Dehm aus: Wie bei so manchem früheren Stamokap-Juso, flog auch bei Dehm in den 1990er Jahren auf, dass seine Verbindung zur DDR nicht nur eine ideologische war. Nach einer Entscheidung des Frankfurter Landgerichts darf er daher als „Stasi-Informant“ bezeichnet werden.

„In Dehms Stasiakte finden sich jede Menge Treffberichte zwischen ihm und der Stasi in den Jahren 1971 bis Ende 1978“, schreibt der Liedermacher Wolf Biermann in seiner Autobiografie. Nach Biermanns Ausbürgerung aus der DDR 1976 wurde Dehm dessen erster Manager in der Bundesrepublik. Damit sei der IM „Willy“ sein „Leibspitzel“ geworden, schreibt Biermann über „diese dummkluge Canaille“. Dehm behauptet demgegenüber bis heute, er sei von der Stasi nur ohne sein Wissen „abgeschöpft“ worden.

Abgekühltes Verhältnis

Mittlerweile ist auch das Verhältnis zwischen Wagenknecht und Dehm abgekühlt. Dass er in seinem Selbstdarstellungsdrang bereits im August 2022 auf einer DKP-Veranstaltung öffentlich über eine Alternativkandidatur gegen die Linkspartei zur Europawahl 2024 fabuliert hatte, sorgte für heftige Verstimmung, weil es die klandestinen Abspaltungsvorbereitungen des Kreises um Wagenknecht störte.

Als das BSW schließlich erst im Herbst 2023 als Verein, dann im Januar 2024 als Partei gegründet wurde, durfte Dehm nicht mit dabei sein. Das hat ihn schwer getroffen.

Trotzdem rief Dehm bei der Bundestagswahl im Februar zur Wahl des BSW auf. „Ich habe sogar in Compact einen Beitrag geschrieben, warum man, selbst wenn man AfD wählen möchte, BSW wählen sollte“, erzählt er. Tatsächlich stand das in einem Interview in dem rechtsextremistischen Magazin, das der Herausgeber und Chefredakteur Jürgen Elsässer mit ihm geführt hat.

Wie auch immer: Berührungsängste mit ganz Rechtsaußen hat Dehm schon seit einiger Zeit nicht mehr. In nationalbolschewistischer Tradition wirbt er inzwischen offen für „ein Zusammengehen von linken und rechten Patrioten“. Denn, so sagte er Compact: „Wer ehrlich für Frieden mit Russland ist – gleichgültig, ob in der AfD oder im BSW – sollte mehr gemeinsam mobilisieren.“

Lustiger oder böser Clown?

Ende der 1970er Jahre war Dehm noch Mittinitiator der legendären „Rock gegen Rechts“-Festivals. Heute steht er auf Rock mit Rechts. „Ist er ein lustiger Clown – oder ein böser?“, fragte der Spiegel mal in einem längeren Porträt. Einstige Weggefährten können die Antwort schnell geben, und sie fällt eindeutig aus.

Dass Dehm nicht beim BSW mitspielen darf, soll Wagenknecht damit begründet haben, er sei unzuverlässig, nicht vertrauenswürdig – und unzurechnungsfähig. So habe ihm das der Liedermacher Tino Eisbrenner berichtet, der sich mit Wagenknecht Anfang vergangenen Jahres in ihrem damaligen Bundestagsbüro getroffen hat.

Laut ihrem Anwalt kann sich Wagenknecht allerdings nicht daran erinnern, sich entsprechend geäußert zu haben. Doch Dehm fühlt sich herabgewürdigt. „Frau Wagenknecht soll einfach in Zukunft unterlassen, meine geistige Integrität in Frage zu stellen“, fordert er.

Seine Aussichten, dass Wagenknecht dazu juristisch verpflichtet wird, stehen nicht gut, wie der Vorsitzende Richter Florian Lickleder in der mündlichen Verhandlung deutlich machte. Am 29. Oktober will das Landgericht das Urteil verkünden. Für den Fall, dass seine Klage abgewiesen wird, kündigte Dehm an, wohl in Berufung zu gehen.

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