Die Zukunft der Groko: Zäher als gedacht
Es ist eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung: Ein schnelles Ende der großen Koalition würde im Moment nur den Grünen nützen.
D ieser Großen Koalition wurde schon so oft das vorzeitige Ende prophezeit, dass es fast eine Nachricht ist, dass sie das Jahr 2020 noch erlebt. Was haben Union und SPD, die allein das Pflichtgefühl aneinanderkettet, nicht schon alles überstanden: den epischen Streit zwischen Merkel und Seehofer wegen Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze, die Affäre um den Ex-Verfassungsschützer Maaßen, den Abgang von Andrea Nahles samt Inthronisierung einer groko-skeptischen SPD-Spitze.
Und die Groko? Macht einfach weiter, immer weiter, das Bündnis ist zäher als gedacht. Dies liegt nicht etwa daran, dass die Beteiligten die Überzeugung verbände, miteinander Großes erreichen zu können. Nein, auf allen Seiten ist eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung der Grund. Ein schnelles Ende der Groko nützt im Moment niemandem, die Grünen ausgenommen, die wegen ihres Regierungsjiepers schon ganz hibbelig sind.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat große Probleme. Ihre Beliebtheitswerte sind im Keller, ihre Autorität im eigenen Laden ist ramponiert, die Union steht in Umfragen nur mäßig da. Auf eine vorgezogene Bundestagswahl ist sie schlecht vorbereitet. Will sie die Kanzlerkandidatur nicht Konkurrenten wie Friedrich Merz oder Armin Laschet überlassen, wonach es nicht aussieht, braucht sie Zeit, um sich aus dem Loch herauszuarbeiten.
Auch die SPD-Spitze hat, allem Groko-Bashing zum Trotz, kein Interesse an schnellen Neuwahlen. Zu viel ist ungeklärt. Wer würde KanzlerkandidatIn? Wer entschiede über den Kurs? Die Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans haben (noch) nicht die Autorität, um das SPD-Establishment auf ihren moderaten Linksschwenk zu verpflichten. Ein Wahlkampf vor der Zeit könnte verschüttete Gräben zwischen SPD-ChefInnen, MinisterInnen und Fraktion neu aufbrechen lassen.
2020 steht auf Länderebene nur eine einzige Wahl an, die in Hamburg. Dies gibt den Koalitionären die Chance, in Ruhe bis zum Ende zu regieren. Es spricht viel dafür, dass sie es tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!