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Die Zukunft der BahncardDer freitägliche Wahnsinn

Am Wochenende sind Züge oft überfüllt – weil die Bahn Rabatte gewährt. Preissenkungen für wenig nachgefragte Tickets wären eine Alternative.

„Wir wünschen Ihnen eine angenehme Reise mit der Deutschen Bahn.“ Bild: dpa

BERLIN taz | Jeden Freitagnachmittag herrscht in den Fernzügen Deutschlands Ausnahmezustand: Fernpendler und Fernbeziehungsführende, Städtetouristen und Verwandtenbesucher bevölkern die Fahrzeuge der bundeseigenen Deutschen Bahn AG. Das Gemecker wegen Verspätungen und Überfüllung ist groß – und am Sonntagnachmittag geht das ganze Theater in die umgekehrte Richtung los.

Dabei ist das Problem hausgemacht. Entgegen jeder betriebswirtschaftlichen Logik gewährt die Bahn, die ihren Fernverkehr eigenwirtschaftlich organisieren soll, auch dann Rabatte, wenn die Nachfrage am höchsten ist. Es ist so, als ob Fluggesellschaften zu Ferienbeginn besonders günstige Flüge anböten oder Hotels in Wintersportregionen ihre Preise zu Silvester senkten.

Dass es das nicht gibt, akzeptieren die meisten. Aber wenn die Bahn ihr Rabattsystem – die Bahncard – reformieren oder abschaffen will, ist der Widerstand groß. Schließlich berechtigt die Bahncard 50, zu halbem Normalpreis zu reisen – auch, wenn die Züge schon voll sind.

In den Jahren 2002 und 2003 hatte ein neues Preissystem der Bahn mit Änderungen an der Bahncard deutschlandweit große Proteste ausgelöst. Die Bahn wollte damals Frühbucher mit Preisnachlässen belohnen, was im Reisemarkt üblich ist. Und auf die Bahncard sollten nur noch 25 statt 50 Prozent Rabatt gewährt werden. Nach Querelen um das neue Preissystem führte die Bahn im Sommer 2003 die alte Bahncard mit der 50-Prozent-Rabattkarte wieder ein.

Nun möchte die Bahn das Bahncardsystem weiter entwickeln. Verkehrspolitisch ergäbe eine Infragestellung des bisherigen Rabattsystems sogar Sinn – könnte doch so die Auslastung der Züge erhöht werden. Manche, die gewohnheitsmäßig am Freitagnachmittag fahren, könnten vielleicht auch am Freitagmorgen oder erst am Sonnabend aufbrechen.

Das würde auch helfen, Probleme durch Überlastung einzelner Züge zu mindern. Je größer der Preisunterschied zwischen stark und schwach nachgefragten Zügen ist, umso eher werden Passagiere bereit sein, umzusteigen.

Fernbuslinien und Fluggesellschaften machen dies übrigens genauso. Rabatte oder günstige Preise gewähren sie nur zu nachfrageschwachen Zeiten, um die Auslastung zu erhöhen. Ein Beispiel: Bei Buchung am gestrigen Donnerstagnachmittag kostete die rund neun Stunden lange Busfahrt am heutigen Freitag von München nach Köln zu einer beliebten Zeit bei einem Anbieter (Ankunft gegen 17 Uhr) mehr als doppelt so viel wie die zu einer weniger beliebten Zeit (Ankunft gegen 22 Uhr).

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9 Kommentare

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  • Schlecht recherchiert, die Bahn BIETET Rabatt: In Form der Sparpreise. Seitdem sind bei uns die Züge am Samstag morgen deutlich voller.

    Hanne und Franco treffen es da voll auf den Punkt.

    An sich ist das System ja gut: Deutliche Rabatte mit Zugbindung für diejenigen, die auch am Samstag fahren können und die BC 50 ist vor allem für Vielfahrer interessant.

    Bisschen mehr Recherche hätte ich da schon erwartet oder es schreibt den Artikel jemand, der sich mit der Bahn auskennt...

  • Ich frage mich ob Sie sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt haben.

     

    Sie schreiben:

    "Entgegen jeder .. Logik gewährt die Bahn .. auch dann Rabatte, wenn die Nachfrage am höchsten ist."

     

    Ich würde die Bahncard nicht als Rabatt bezeichnen, eher als Vorteilskarte. Die Bahncard 50 ermöglicht es erst dass die teueren Normalpreise überhaupt attraktiv sind für regelmäßige Kunden.

    Und Sparpreise zu Stoßzeiten gibt es kaum.

     

    Weiterhin schreiben Sie:

    "Aber wenn die Bahn .. reformieren .. will, ist der Widerstand groß. Schließlich berechtigt die Bahncard 50, zu halbem Normalpreis zu reisen .."

     

    Das is aber sehr verständlich, denn das Schienennetz wurde aus Steuermittel finanziert und soll die Mobilität eines jeden in der Bevölkerung gewährleisten. Außerdem zahlt man für eine BC50 gute 299,- € und die Tickets sind immer noch teuer. Zumal man für eine Reservierung auch noch immer - unabhängig einer BC - 4,50 € drauflegen darf!

     

    Noch weiter schreiben Sie:

    "Das würde auch helfen, .. Überlastung einzelner Züge zu mindern. Je größer der Preisunterschied ..umso eher werden Passagiere .. umzusteigen. "

     

    Und dann werden Pendler am unteren Ende der Gesellschaft gezwungen Stunden auf Bahnhöfen zu verbringen statt mit Ihren Familien. Weil genau diese Menschen nicht die XX € Differenz aufbringen können.

     

    Sehr sozial! Nicht!

     

    Angebot und Nachfrage kann man immer auf zwei Wege ins Gleichgewicht bringen: Nachfrage senken (wie Sie es mit erhöhten Preisen fordern) oder Angebot erhöhen (darauf gehen Sie nicht ein)

    Mehr Züge auf den ausgelasteten Strecken zu den Stoßzeiten (bzw. mehr Wagons)

  • Ja, ich habe mich immer gefragt, warum die Bahn nicht einfach mehr Wagen an die Züge hängt. Die Idee, es sollten einfach weniger Menschen Zug fahren, ist natürlich genial - für die Automobilindustrie.

  • Ich würde sagen, die Preiselastizität ist in dem Fall gering, da nur wenige Wochenendpendler zu einem anderen Zeitpunkt fahren wollen und können. Ausweichen möchte man da höchtens im Bereich +- 1 Stunde, wenn man Freitags arbeitet und noch was vom Wochenende haben möchte.

     

    Für wahrscheinlicher halte ich es, dass sich bei höheren Preisen mehr Bahnfahrer nach anderen Verkehrsmitteln umsehen: Auto, Mitfahrgelegenheit, Fernbus.

  • Sorry, Herr Rother, ist das ein Beitrag zum 1. April?

     

    Sind Sie Bahnfahrer?

     

    Der öffentliche Nahverkehr soll im besten Fall den Individualverkehr mit dem PKW ersetzen. Und das bedeutet, dass ich als regelmäßiger Bahnkunde immer und überall einsteigen darf.

     

    Dass für Vielfahrer "Rabatte" angeboten werden ist mehr als üblich, das wird im Kurzstreckenbereich tagtäglich auch so praktiziert. Mit Monatskarten, Jahreskarten, Studitickets, Jobtickets etc. Noch günstiger sind dann allerdings dort die sog. 9-Uhr-Monatskarten.

     

    "Rabatt" würde ich es für Vielfahrer auch nicht nennen, das trifft dann eher auf das Sortiment der zuggebundenen Sparpreise zu.

     

    Es ist auch schon viele Jahre üblich, wenn es besondere Ticketaktionen inn Supermärkten etc. gibt, dass diese prinzipiell an Freitagen nicht genutzt werden dürfen.

     

    Wie gesagt, die sog. Normalfahrt mit der BahnCard soll die PKW-Fahrten ersetzen. Und das Auto muss ich auch nicht erst Wochen vorher anmelden. Ich nutze es, falls ich eines besitze, wann mir danach ist, wann ich Zeit und Lust habe und vor allem um nach und vor der Arbeit ggf. umgehend irgendwo hin fahren zu können. "Gerne" stellen sich dafür PKW-Fahrer auch regelmäßig z.B. an Frei- und Sonntagen in Staus und kommen nicht auf die Idee, dass an diesen Tagen manche nicht fahren dürfen, nur weil sie ein kleines, altes Auto haben oder sonst am Freitag vielleicht nie fahren.

     

    Dieser Kommentar von Ihnen ist einfach absurd.

    • @Hanne:

      Ergänzung zum Preismodell:

       

      Die BahnCard an sich bietet nicht die "Billigpreise" an. Solange man mit der BahnCard 25 oder 50 sog. Normalfahrkarten kauft, sind diese sogar vergleichsweise teuer und schrecken Gelegenheitsfahrer immer noch ab. Was sicher aber seit ca. 10 Jahren immer mehr ausbreitet sind die sog. Sparpreise. Die gibt es kontingentiert auch ohne BahnCard sehr günstig, mit einer BahnCard 25 allerdings bekommt man auf diese Preise nochmals 25% Rabatt. Das sind die wahren Billigtickets, diese sind aber definitiv zuggebunden.

       

      Ich habe mich jahrelang geweigert diese Sparpreistickets zu erwerben, weil mir die Flexibilität wichtiger ist und ich kein Umtauschstress bei Fahrten haben möchte etc. Aber wie gesagt, die Normaltickets mit BC 50 (oder auch 25) sind wesentlich teurer als die Sparpreistickets.

       

      Und wer möchte nicht an einem Freitag mit 2 Erwachsen für 600 km für knapp 40 € fahren (nur ICE!)? Mit der BC 50 wären das mind. 100 € für zwei Erwachsene (ab 15 Jahre) je Strecke!

       

      Das Problem, welches Sie nennen, geht an der BahnCard an sich vorbei!!! Es ist wenn, dann ein Problem der Sparpreise.

  • Danke TAZ, endlich Klarheit. Wenn ich sonst am Wochenende in überfüllten Zügen stand, dachte ich immer die Bahn solle mehr Züge und Personal einsetzen um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Aber nein, die Nachfrage muß zu Stoßzeiten verringert werden, in dem die Billigkartenschmatotzer den Mehrbezahlern weichen. Die Billigkartler sollen sich gefälligst andere Zeiten zum Fahren suchen um den Vollzahlern aus den Füssen zu gehen. Vielleicht sollte die TAZ ihren älteren Mitarbeitern die erste Klasse bezahlen, damit sie Wochenends nicht mehr so unter der schlecht gesteuerten Nachfrage leiden müssen.

    • @Jorge Pontius:

      Müssen denn die Pendler wirklich immer gerade am Freitag und Sonntag die Züge verstopfen? Können die nicht mal einfach Dienstag oder Mittwoch pendeln? Und dann noch Rabatte an Pendlertagen, das geht ja gar nicht. Erst fröhlich arbeiten gehen dürfen, vielleicht sogar mit Überstunden, und dann noch Preisnachlässe bei der Bahnfahrt kassieren. Schlimm ist es auch früh Morgens und am Nachmittag, ebenfalls durch Pendler verstopfte Züge. Können die nicht einmal Rücksicht nehmen, und sagen wir mal bereits um 4 Uhr zur Arbeit fahren und dann entweder Mittags oder nach 20 Uhr wieder nach Hause? Da müssen wir dringend was ändern: Doppelte Preise zu Stoßzeiten und keine Rabatte mehr für Pendler!

  • Super! Die taz wird zum Sprachrohr neoliberaler Wirtschaftspolitik. Seit wann ist das Argument, andere machen es auch so ein gutes Argument? Und könnte es vielleicht sein, dass die Züge Freitags und Sonntags voll sind, weil da die meisten Menschen reisen müssen? Wer kann fährt doch jetzt schon zu anderen Zeiten, gerade weil die Züge überfüllt sind. Der letzte Versuch der Bahn, die Bahncard 50 abzuschaffen und die Zugbelegung über ein Rabattsystem zu steuern, ist ziemlich in die Hose gegangen. Muss das alle paar Jahre wieder versucht werden?