Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Auf dem Kirchentag in Dortmund wurden Vulven gemalt. Und Polizei und Bundeswehr sind laut Friedrich Merz schon zu Teilen bei der AfD.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die 150-jährige Buche hinterm Haus ist kahl. Dürrestress, das Alter, womöglich Schädlinge.
Und was wird besser in dieser?
Johannistrieb.
Am Sonntag ging der Kirchentag in Dortmund zu Ende. Was bleibt, abgesehen von der wunderbaren Vulven-Malerei?
Scheiden tut weh, doch immerhin konnte man so auch die Bild-Zeitung („Zwischen Gender-Gaga und Gott-Partei“) in die Arche holen. Unsere nicht besonders gut betuchte Stadt war paar Tage besonders gut betucht, die Frömmelkohorten durch allerlei bunte Bänder, Lanyards und hilflose Blicke in Stadtpläne ausreichend kenntlich. Sie hausten wie die Sandalen und wirkten wie die umgängliche Version eines bisher unbekannten, lindgrünen Heimspielgegners des BVB.
In Sachsen-Anhalt denken CDU-Politiker über eine Koalition mit der AfD nach. Ist das nun diese bürgerliche Kraft gegen die AfD, über die AKK sich nach den Bürgermeisterwahlen in Görlitz so gefreut hat?
Ist „denken nach“ nicht ein wenig euphemistisch dafür? „Zunahme brutaler Kriminalität“ und „ungesteuerte Migration“ sind Schemen aus dem entfakteten AfD-Jargon. Der Wunsch, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“, ist inhaltlich unlogisch, Sozialpolitik ist beklagenswert national in Europa. Und rhetorisch klassisch: Erfinde einen Missstand und verkaufe eine Lösung, die niemand braucht. Na ja, oder man liest „national und sozial versöhnen“ in einem CDU-Papier und kotzt direkt. Ob Union und AfD je koalieren, steht dahin. Sicher jedoch: Es perforiert jetzt schon die Autorität der Parteivorsitzenden, die doch eigentlich erst nach drei Klatschen im Osten gefeuert werden soll.
Der Berliner Senat hat vergangenen Dienstag einen Mietendeckel beschlossen und die ganze Stadt war in Schampuslaune. Haben die jetzt tatsächlich mal was richtig gemacht?
Pardauz: die Politik kann handeln! Berliner Mieter können sich als Arbeitsgruppe der Vertriebenenverbände organisieren – da kommt R2G und haut einen raus, der eben noch als undenkbar galt. Ob Landes- und Verfassungsgerichte das durchwinken, ist der Müllergang weniger wichtig als die Geste: Wir tun was. Enthalten das Geständnis, dass Mietpreisbremse und anhängende Bestimmungen nicht wirken und eh keiner versteht, seit Stephen Hawking tot ist. Kompliment von der Börse – die Aktien von Immobilienkonzernen gaben ein paar Prozentpunkte nach. Also Konzerne wie Vonovia, Deutsche Wohnen und ADO, die in diesem Jahrzehnt zwischen 300 und 600 % Kursanstieg mampften.
Der Europäische Gerichtshof hat der Pkw-Maut für Ausländer in Deutschland eine Absage erteilt. Was könnte nun das neue Lieblingsprojekt der CSU werden?
Üben? Ausländerfeindlichkeit ist schlimm; schlimmer ist, wenn man zum Ausländerfeindlichsein auch noch zu blöd ist. Das Monstrum entstand im Landtagswahlkampf 2013 als „Ausländermaut“ und war auch so gemeint. Kanzlerin Merkel beschied im TV-Duell Stefan Raab, mit ihr werde es das nicht geben – im stillen Vertrauen auf die EU-Gesetzgebung, die nun greift. Die CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt, Schmidt und Scheuer parkten ihr Haus auf der Standspur, während Dieselaffäre, Abgasbetrug, Bahndesaster, marode-Straßen-Ärger, Fluglinienpleiten und Elektromobilität an ihnen vorbeirauschten. Nun ist ihre als Gesetz getarnte Strohhütte abgefackelt, und mehr noch: der schlafende Hund ist wach. Die EU sagt: Maut für alle – gute Idee. Und plant die europaweite Einführung. Die CSU trennt nur noch ein Vollrausch vom neuen Claim – „Maut? Mit uns nicht!“.
Der im Mordfall Lübcke Tatverdächtige Stephan E. war laut Spiegel Online offenbar auf jener Versammlung, auf der Walter Lübcke seinen berühmten Satz sagte. Danach hat er ihn in Chats mit Gleichgesinnten als Volksverräter bezeichnet – sieht so ein Einzeltäter aus?
Bin ich Kripo? Zum Glück nicht, denn Polizei und Bundeswehr sind laut Friedrich Merz schon zu Teilen bei der AfD. Weswegen die Ordnungsmacht „eindeutigen Rückhalt aus der Politik“ brauche. Merz’ Hinweis, dass Ermittler der zu ermittelnden Tat unterdistanziert begegnen, beruhigt nun auch nicht. Andere Frage: Wo steht man, wenn ein hessischer CDU-Amtsträger todgeweiht weit links erscheint?
Und was machen die Borussen?
Verkauften Weltmeister Mats Hummels 2016 für 35 Millionen an Bayern München, holen ihn nun – aus der Nationalelf aussortiert und „für Bayern zu langsam“ – für gerüchtelte 38 Millionen zurück. Ist ja nicht mein Geld.
Fragen: LIY, HDL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind