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Die Wilmersdorfer Straße ohne GaleriaEine Straße sucht sich selbst

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Die Geschichte der Wilmersdorfer Straße war schon immer eine, in der es auf und ab ging. Das Kaufhaus war aber immer da. Nun wird es geschlossen.

Eine Krise nach der anderen in der Wilmsesdorfer. Hier war Pandemie Foto: picture alliance/dpa | David Hutzler

S o oft die Wilmersdorfer in den vergangenen Jahrzehnten ihr Gesicht änderte, Karstadt war immer da, selbst als er in Galeria umbenannt wurde. Das älteste noch geöffnete Warenhaus Berlins als Fels in der Brandung. Nun schließt es, fast 120 Jahre nach seiner Eröffnung 1906.

Geht mit der Ära des Kaufhauses nun auch die Wilmersdorfer Straße als Einkaufsstraße zu Ende? Ist der „Wilmi“ noch zu helfen?

Noch während ich die Worte tippe, merke ich, dass das eine Flanierfrage ist. Flanierfragen sind die, die man sich beim Flanieren stellt, und ich flaniere oft durch die Wilmersdorfer. Vor fast jedem Hertha-Heimspiel ein Galao im Café Lisboa, danach schnell noch zu Edeka in der „Wilma“. Es ist, glaube ich, der bestsortierte Edeka der Stadt. Man kann die Wilmersdorfer Straße auch mögen, wenn man in Pankow oder Brandenburg lebt.

Es ist ein Mögen mit vielen Abs und einigen Aufs. Zu den Aufs gehört der Umbau der Wilmersdorfer Arcaden zur „Wilma“. Kieziger sollte es werden, auch wenn das natürlich ein Euphemismus ist für eine Mall. Näher dran an den Leuten ist die „Wilma“ aber schon seit dem Umbau 2020, siehe Edeka.

Auch einen großen „Marktplatz“ gibt es nun und ein bisschen Raum für Experimente. „Mall anders“ nannte die TU ihr „offenes Lernlabor“ vom Dezember 2021 bis Februar 2022. Kiez und Uni Hand in Hand, in der Wilmersdorfer ist es möglich.

Die Ankermieter sind weg

Die Abs beim Flanieren wiegt das nicht auf. Es sind vor allem die Ankermieter, die in den vergangenen zwanzig Jahren verloren gingen. Sinn und Leffers traf es 2005. Das ein Jahr zuvor eröffnete Kant Center, eine architektonische Verprovinzung ihresgleichen, steht nach dem Auszug von Peek & Cloppenburg halbleer. Der Versuch des Bezirks, dort eine Filiale der Stadtbibliothek unterzubringen, scheiterte am Geld.

Nun aber ist ein Mieter gefunden, weiß Thomas Bong. Kein Flaneur ist er, sondern ein Gewerbetreibender. Der Apotheker spricht für die AG Wilmersdorfer Straße, die sich am Dienstag zu einer Krisensitzung mit dem Bezirk getroffen hat. Auch für das Galeria-Grundstück soll schnell eine Lösung her. „Die Schließung ist auch eine Chance“, sagt Bong. Zwar sei ein Ankermieter wichtig, aber auch auf einen besseren Mix aus Wohnen, Kultur und Einkaufen wolle man Wert legen.

Und darauf, dass dort, wo Galeria heute steht, eine „saubere Baustelle“ eingerichtet wird. Denn die Cofra Holding, der das Gebäude gehört, will das Kaufhaus abreißen und neu bauen. Mit einem städtebaulichen Vertrag will der Bezirk versuchen, auch öffentliche Nutzungen im Neubau unterzubringen. Bong ist optimistisch, verweist darauf, dass sich der Eigentümer schon bei der AG Wilmersdorfer Straße hat blicken lassen.

Zum Flanieren gehört auch, dass man sich die Frage stellt, wo die Wilmersdorfer eigentlich anfängt und wo sie aufhört. Nur wenige Male bin ich in den 40 Jahren, die ich in Berlin lebe, durch den Norden geschlendert, wo es wirklich kiezig zugeht. Und der Süden ist eine Straße für sich, hochherrschaftlich, Kudammnähe halt, aber abgeschnitten durch die Stadtbahntrasse.

Um das alles unter einen Hut zu kriegen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder holt man das Kiezige im Norden und das Herrschaftliche im Süden in die Mitte. So hat es vor einiger Zeit der Stadtplaner Harald Bodenschatz vorgeschlagen. Er plädierte dafür, die 1978 eingeführte Fußgängerzone abzuschaffen.

Oder aber man erweitert sie, wie es der Bezirk will. Noch in diesem Jahr soll die autofreie Zone von der Schillerstraße bis zur Bismarckstraße verlängert werden. Die Ausweitung der Fußgängerzone als eierlegende Wollmilchsau. Die Friedrichstraße lässt grüßen.

Der Wilmersdorfer wünsche ich Besseres.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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