Die Wahrheit: Arien vor der Urne
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Heute darf sich die geneigte Leserschaft an einem Poem über einen entscheidenden Sonntag erfreuen.
Opernverse aus der Ferne,
Geigenrauschen, Hörnerklänge –
dicker Männer Schmachtgesänge
lausch ich sonntags morgens gerne.
Denn dann ist noch nichts abhanden,
Stadt liegt traumwarm weich im Schlummer.
Aller Menschen Lebenskummer
ist noch gar nicht aufgestanden.
Nur der Opernsingsang schallet
durch die Höfe, Fluren, Gassen.
Überhaupt noch nicht zu fassen
ist, was schwer in Seelen wallet.
Räume, Träume, Schäume, alle
Töne und Kadenzen fliegen.
Schwerelos bleib ich noch liegen,
fern des Lebens schwarzer Galle.
Noch mal Füße aus den Decken
strecken, gähnen, Zeit versäumen.
Noch mal offnen Ohres träumen,
von den Opernklängen schlecken.
Erst das sterbende Vibrato
letzter Töne ist Signal:
Aufstehn! Somnambul banal
geht’s zum ersten Macchiato –
und dann ab ins Wahllokal.
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