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Die WahrheitOchs vorm Bitcoin

Sinn und Zweck von Kryptowährungen zu verstehen, verbraucht ungefähr so viel Energie wie die Schaffung dieses überflüssigen Scheingelds.

N eulich ist mir erstmals seit Jahren ein Zug „vor der Nase weggefahren“. Als ich atemlos den Bahnsteig erreichte, piepsten gerade „selbsttätig“ die Türen zu, und der ICE setzte sich mit grausamer Gemächlichkeit in Gang. Irgendwie kam mir das Gefühl bekannt vor. Erst habe ich den Schuss nicht gehört, dann ist der Zug abgefahren. Ich habe offenbar das triste Talent, zuverlässig jeden Trend zu verpassen.

Immerhin bin ich damit nicht allein, wie mir am Bahnhofs­kiosk aufgefallen ist. So gut wie alle Magazine von Spiegel über Stern bis Auto, Motor und Sport bestätigten mich mit ihren Titelgeschichten zum neuen US-amerikanischen Präsidenten in meinem Trübsinn: „Donald Trump: Der Imperator“, „Donald Trump: Der Verführer“ oder „Donald Trump: Europas neuer Feind“. Nur Focus Money titelte unverdrossen, geradezu frohlockend: „Reich werden mit Donald Trump: Aktien, Bitcoin, ETF“.

Ich fand das sehr erfrischend und musste an Ijoma Mangold denken, der eine solche Ambiguitätstoleranz unlängst in der Zeit eingefordert hatte – und als Finanzfeuilletonist sui generis nicht müde wird, Trotteln wie mir Sinn und Zweck von Kryptowährungen vermitteln zu wollen. Vermutlich hat er recht, vielleicht auch nicht. Um das zu beurteilen, müsste ich Kryptowährungen erst einmal verstehen. Leider macht mein Gehirn nicht mit, so sehr ich mich auch bemühe. Wie sagte Dou­glas Adams so schön? „Alles, was vor unserer Geburt an Technik da ist, wird als gegeben hingenommen. Alles, was zwischen unserem 15. und 35. Lebensjahr auftaucht, ist ungemein spannend. Alles, was danach auftaucht, ist des Teufels.“

Wollen wir’s mal zu­sammen versuchen? Bitcoins beispielsweise werden durch „Mining“ erzeugt, was ich mir wie das Schürfen von Gold vorstellen muss, nur eben in Rechenzentren. So weit, so einleuchten. Diese digitalen Schürfer dürfen dann, was auch immer sie Kryptisches geschürft haben, an einen sogenannten Block hängen, den ich mir als Kette („Chain“) denken darf, die als „Blockchain“ öffentlich einsehbar ist. Völlig klar.

Den Bitcoin stelle ich mir also als etwas wahnsinnig Verschlüsseltes vor, auf dessen Wertsteigerung spekuliert werden kann. Weil die Verschlüsselei viel Rechenleistung und damit Energie verbraucht, wird das Schürfen mit einem „Block Reward“ belohnt, der sich aber – jetzt kommt’s! – alle vier Jahre halbiert. Dieses „Halving“ soll die Schürfer zu mehr Effizienz und Tempo zwingen. Logisch. Hey, ich hab’s kapiert! Jedenfalls so ungefähr, rein theoretisch. Und habe es … kleinen Augenblick noch … drei, zwei, eins … genau jetzt wieder komplett vergessen.

Es ist wie mit den „Non-Fungible Token“ (NFT), der Quantenfeldtheorie (QFT) oder der Popularität einer Alice Weidel. Erklärt man’s mir, als wäre ich fünf Jahre alt, geht mir tatsächlich ein Licht auf – nach wenigen Sekunden aber ist es wieder restlos erloschen, und erneut stehe ich wie der Ochs vorm Berg. Oder eben am Bahnsteig, wo ich den Zug gerade noch abfahren sehe.

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Inlandskorrespondent
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6 Kommentare

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  • „Ambiguitätstoleranz" Mein aktuelles Lieblingswort. Da werde ich ganz emotzional.

    • @starsheep:

      Lieblingsmotzkopf 💐🌜🐑👍

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Danke für die Blumen.

  • Ja wie? Mit Andreas Rebers - helfe gern:

    Dase - schon an Q ne Nase - hilft hier - heiter -,



    Albert de 👅 - weiter.



    Der rief zwar nicht heureka, anders sonst newahr



    Als es ihm - dem Genie - Ja wie? Geschah.



    Daß ihm 👣 wie auch String - ein Rätsel war.



    Sich bescheiden - sicherlich - lag ihm nich!



    Nein. Albert emc2 - sprang auf - der 🪑 wippte.



    Hiermit verkünde ich “Gott würfelt nicht!“



    & Däh - ein leichtes wie bei Busch -



    Zum Wiegen braucht das Bäuerlein -



    Hievt auf ein stabiles Brett sein 🐖 -



    Und behände nen dicken 🧱 am andern Ende.



    Kratz sich arnolike ann Kopp! 🤙



    Bringt dess alls ins Gleichgewicht!



    Händepatsch! Klatsch. “Nu isses leicht“



    Fein. “Nu schätz ich - Wieviel wiegt der 🧱?!“



    Denn!



    Entscheidend - wußte Luhmanns Niklas schon!



    Ist - auch bei coin - die Komplexitätsreduktion!

    Hauptsache 🐽 •

  • Nun ja, ich kann Ihre Verzweiflung etwas verstehen. Allerdings lernt man durch *machen*, nicht durch lesen.



    Falls Sie tatsächlich neugierig sind, steigen Sie doch einfach in eine Spiel-Blockchain (z.B. Goerli ETH) ein, erzeugen ein paar Konten (z.B. mit metamask), lassen sich dort etwas Kryptowährung schenken (faucet) und spielen Sie damit herum. Verschicken Sie Kryptogeld an sich selbst. Vernichten Sie etwas Geld. Machen Sie genau das, was man nicht machen soll. Gucken Sie sich die "Überweisungsgebühren" an. Verstehen sie die gnadenlose Öffentlichkeit der Blockchain. Schon sieht das ganz anders aus.

    Und wenn sie dann mal echte Kryptowährung "brauchen" (Empfehlung: ebenfalls nur als Spielgeld betrachten) - fallen Sie bitte nicht auf das Geschwätz (leider auch häufig in Zeitungen) über diese unsäglichen Börsen herein - die braucht man lediglich für den Einstieg (echte Euros in Kryptowährung) oder die kurzfristige Spekulation und sollte tunlichst sein in Kryptos getauschtes Fiatgeld sofort danach dann auf selbsterzeugte Konten umbuchen. Schon ist man die Börse los. Und versteht, was "not your keys - not your coins" meint. ...

  • WTF - aber eben köstlich...