Die Wahrheit: Gelbe Kraft voraus!
Die durch und durch dynamische FDP hat eine alles und jedes überstrahlende Idee, um ganz im Fluss zurück an die Macht zu kommen.
Endlich: Wildpinkeln soll belohnt werden! Mit einer außergewöhnlichen Idee sucht die FDP wieder den Weg zurück an die Macht, wie die Partei dieser Tage auf einer Pressekonferenz mit ihrem Generalsekretär Bijan Djir-Sarai alert ankündigt. Der Oberliberale wirkt darob in der FDP-Zentrale in Berlin-Mitte nahe des Varieté-Theaters Friedrichstadt-Palast ungewöhnlich ausgelassen. Auf seinem Tisch, wie auch auf allen Tischen der zahlreichen Medienvertreter, stehen große, ja sehr große Zweiliterhumpen. Gefüllt sind sie mit Brennnesselsaft.
„Harmlos, aber nicht harnlos“, feixt Djir-Sarai und hebt sein Glas mit dem entwässerungsfördernden Trank zum Gruß. „Sie brauchen gar nicht zu glauben, die FDP sei verrückt geworden, das ist sie nicht.“ Er nimmt einen tiefen Schluck Brennnesselsaft. „Denn es ist uns vollkommen ernst mit unserem Vorhaben: Wir werden das Wildpinkeln wieder erlauben!“
Passend zum Motto erfüllt ein Plätschern den Raum. Ex-Justizminister Marco Buschmann ist erschienen und hat eine traditionelle Männeken-Pis-Figur nicht nur auf-, sondern auch angestellt. Fröhlich pinkelt die nun vor sich hin. Der audiophile Buschmann, der als DJ MBSounds auch nach dem Ampel-Aus alles und jeden weiter beschallt, freut sich wie Bolle.
In das Plätschern hinein fährt der Generalsekretär nun etwas lauter fort. „Die FDP war immer schon eine Partei der Freiheit. Es muss auch ein Akt der Freiheit sein, sich ohne Zwang von seiner Notdurft zu befreien“, fordert der Liberale und nimmt einen kräftigen Schluck Brennnesselsaft. „Als Partei der Innovation gehen wir noch weiter: Wir werden das öffentliche Pinkeln sogar belohnen!“
Djir-Sarai hebt den Zeigefinger. Dies sei „Ausdruck einer ökonomischen Vernunft“, die in der deutschen Parteienlandschaft „ausschließlich die FDP“ besitze. Er ext auf die Schnelle mit der Linken ein Glas Brennnesselsaft und wirft mit der Rechten einen Beamer an, auf dem ein Wertschöpfungsdiagramm erscheint. Knallgelbe FDP-Pfeile illustrieren, wie mit dem im Urin enthaltenen Stickstoff und Phosphor Landschaften gedüngt werden und so zur reichhaltigen Ernte beitragen.
Selbst ist der Dungminister
Der frühere FDP-Wirtschafts- und Weinbauminister Rainer Brüderle habe auf diese Weise zahlreiche Weinberge in seiner Heimat Rheinland-Pfalz selbst gedüngt und so zur ökonomischen Prosperität der Winzerbranche beigetragen, führt der Generalsekretär aus. „Es ist geradezu hanebüchen, dass die Ausschüttung dieser ökonomischen Werte bisher bestraft wurde.“ Mit dieser „Verbotsmentalität“ sei nun „Schluss“, fährt Djir-Sarai fort und haut auf den Tisch. Das hat zur Folge, dass ihn das Männeken Pis plötzlich anspritzt. „Oh! Eine technische Störung! Ich justiere das“, verspricht der eilig in Aktion geratene Buschmann, „das kann ich gut, war ja Justizminister“.
Mit einem weiteren Schluck Brennnesselsaft kommt Djir-Sarai wieder zur Ruhe und erklärt den Anwesenden endlich das Pinkel-Prämien-System der Partei. „Die FDP war immer schon eine Partei des Bürokratieabbaus“, deshalb solle das Prämiensystem auch „unbürokratisch“ geregelt werden.
Jeder und jede könne sich als Urinspender registrieren und dann anhand von Teststreifen, die nach dem Urinieren kurz in den Boden gesteckt werden, seinen Dunganteil nachweisen, erklärt der Generalsekretär. „Das ist wie beim Schwangerschaftstest.“ Urinspenderinnen sollen, wenn die FDP dann „gleich wieder an der Macht ist“, auf Staatskosten mit einer sogenannten „Urinella“ oder wahlweise mit einem „ausladenden Reifrock“ ausgestattet werden.
„Auf keinen Fall“, so der Generalsekretär, „wollen wir auf den weiblichen Urin verzichten“. Deswegen müsse es Frauen so leicht wie möglich gemacht werden, öffentlich Wasser zu lassen. „Die FDP war immer schon eine Partei der Gleichberechtigung.“ Für die Abrechnung der Piss-Prämie werde eine App entwickelt, die die Teststreifen auslesen soll.
Ein Journalist fragt: „Wie genau?“ Bijan Djir-Sarai sagt: „Per quietschgelbem QR-Code.“ – „Oder mittels Sensorik“, ergänzt Buschmann. „Auf jeden Fall“, legt der Generalsekretär nach, gebe es schon den Namen der App: „Pinkel-Pinke“.
Die anwesenden Kollegen und Kolleginnen blicken Djir-Sarai ungläubig an. „Sind Sie sicher, dass Sie für solche Ideen Mehrheiten bekommen? Vielleicht sind Sie ja gar nicht mehr im nächsten Bundestag vertreten“, fragt eine Reporterin. Der Generalsekretär nimmt einen großen Schluck Brennnesselsaft, dann antwortet er besonnen: „Mit dieser Maßnahme gewinnen wir die Stimmen von Fußballfans, Volksfestbesuchern, Schlagerpartygängern sowie von Junggesellinnen- und Junggesellenabschiedsteilnehmern! Aber so was von. Das reicht dicke für ein zweistelliges Ergebnis. Damit werden wir für jedwede Regierungsbildung gebraucht.“
Bijan Djir-Sarai gluckst jetzt plätschernd vor Glück. „Niemand kommt an uns vorbei.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau