Die Wahrheit: Die Italiener des Nordens

Es gibt erstaunlich viele Irlandiani auf der grünen Insel. Und für sie ist selbst der Nationalheilige Irlands naturalmente ein Italiener.

Diese Italiener! Als ob sie nicht genügend eigene Heilige haben, wollen sie auch noch St. Patrick, Irlands Schutzpatron, vereinnahmen. Der Hobby-Historiker Dennis Cassinelli, der zwar aus Nevada stammt, sich aber als „adoptierten Italiener“ bezeichnet, schreibt über Patrick: „Er wurde zwar nicht in Rom geboren, aber in einem römischen Gebiet. Seine Eltern, Calpurnius und Conchessa, waren römische Bürger, die in Britannien lebten und die Aufgabe hatten, über die römische Kolonie zu wachen.“

Patrick habe sich später auf den Weg gemacht, um das Evangelium nach Irland zu bringen, das zu dieser Zeit ein Land der Druiden und Heiden war. Nicht mal seinen Namen gönnt Cassinelli den Iren. Patrick sei von „Patrician“ abgeleitet, mit dem sich Mitglieder der römischen Hierarchie oder herrschenden Klasse selbst bezeichneten.

Der Erfinder des drahtlosen Radios, Guglielmo Marconi, war hingegen ein echter Italiener mit Verbindungen nach Irland. Er wurde 1874 in Bologna geboren. Sein Vater war Italiener, seine Mutter Irin. Ihrer Familie gehörte die Whiskey-Brennerei Jameson. 1898 experimentierte Marconi mit dem Drahtlosfunk zwischen dem Leuchtturm auf Rathlin Island vor der nordirischen Küste und dem White Lodge House in Ballycastle.

Nach dem erfolgreichen Test installierte Marconi seine Erfindung auf Schiffen und in großen Häfen im Vereinigten Königreich. Das Marconi-Funkgerät an Bord der in Belfast gebauten „Titanic“, auf der auch Italiener arbeiteten, war das leistungsstärkste dieser Zeit. Dadurch überlebten mehr Menschen den Untergang der „Unsinkbaren“, da Schiffe, die viele Meilen entfernt waren, den Notruf empfangen konnten.

Der erste bedeutende Italiener, der nach Irland kam, war Christoph Kolumbus, dessen Denkmal im westirischen Galway steht. Er blieb aber nicht, sondern reiste nach Amerika weiter, wo sich später italienische und irische Auswanderer brutale Schlachten um die Arbeitsplätze lieferten. Vermutlich stammt eine irische Schmähung aus dieser Zeit: „Du bist so nutzlos wie das,g' in Lasagne.“

Warum kommen Italiener überhaupt nach Irland? Am Essen und am Wetter kann es nicht liegen, da ergäbe der umgekehrte Weg mehr Sinn. Bis in die Siebzigerjahre zum Beispiel wurde Olivenöl in Irland nur in Apotheken in medizinischen 10-Milliliter-Flaschen verkauft. Dennoch gibt es mehr als 10.000 sogenannte Irlandiani, Italiener in Irland.

Mike Gordon, der irische Besitzer des italienischen Toscana-Restaurants in Dublin, schreibt: „Der Nationalcharakter Irlands war schon immer den Mittelmeerländern wie Italien und Griechenland näher als den nordeuropäischen Nationen. Die Iren sind ein entspanntes Volk mit einem sonnigen Gemüt. Wie die Italiener reden die Iren nicht, wir singen.“

Die Iren sind also die Italiener Nordeuropas. Deshalb war St. Patrick Ire. Basta.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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