piwik no script img

Die WahrheitMein Aberglaubentest

Eine schwarze Katze stiefelt vorbei. Bringt das tatsächlich Unglück? Ein pfiffiges Experiment mit einem wissenschaftlichen Dokumentationsheft.

A ls Kind tat ich nichts lieber, als zu pfeifen. Ich pfiff Lieder, oder ich pfiff einfach so kreuz und quer vor mich hin. Ich pfiff überall und nirgends, einmal sogar auf der Beerdigung meiner Uroma. Aber nicht aus Freude, ich pfiff halt einfach so. Von der Beerdigung mal abgesehen, durfte ich auch überall pfeifen. Nur an einem Ort war es nicht erlaubt: Bei meinem besten Freund zu Hause, denn der war Russe. Und bei Russen gibt es den Aberglauben, dass das Geld aus dem Haus fliegt, wenn man drinnen pfeift.

Einige Jahre später gewann mein Freund, schon längst und nicht im Guten zu Hause ausgezogen, mit Rubbellosen 200.000 Euro, von denen seine Eltern nichts abbekamen. Das Geld, so wurde mir klar, flog also wirklich aus dem Haus, nur anders, als man vielleicht annimmt. Das brachte mich auf die Idee, verbreitete Aberglauben auf ihre wirklichen Auswirkungen zu testen.

Praktischerweise begann das Experiment schon am nächsten Tag: Meine schwarze Katze ging vor mir von rechts nach links. Das Unglück folgte ihr auf dem Fuß: Sie ließ mich einfach stehen. „Molly ließ sich nicht streicheln“, war die erste Notiz in meinem Dokumentationsheft.

Etwa eine Woche später sah ich eine Leiter an einer Hauswand lehnen. Kurzentschlossen ging ich darunter hindurch. Der Handwerker auf der Leiter fuhr mich deswegen an, wurde aber schnell wieder ruhig. Kein Unglück also, dachte ich. Nur hatte er für mich und meine Wohn-Malaisen leider keine Zeit. Was für ein Pech! Meine Schlussfolgerung: Unter Leitern mit Handwerkern hindurchzugehen, bringt also doch Unglück.

Die weiteren Experimente überließ ich der Reproduzierbarkeit wegen nicht mehr dem Zufall. Ich positionierte mich auf dem Balkon, warf Salz über meine Schulter und hatte, wie es der Aberglaube vorhersagt, tatsächlich Glück. Das Salz landete nämlich im Auge eines Kindes unter mir, die Mutter schimpfte böse, ich allerdings konnte mich rechtzeitig hineinflüchten, sodass sie mich nicht bemerkte und ich ihrer Tirade entging.

Ein zerbrochener Spiegel bringt sieben Jahre Unglück? Das wollen wir ja mal sehen! Ich zerschlug also einen alten Handspiegel, und es geschah – nichts. Einige Tage später trat ich jedoch in eine übersehene Scherbe. In der sah ich dann auch, wer wirklich für mein Unglück verantwortlich war. Das erste eindeutige Ergebnis: Aberglauben widerlegt! Dachte ich.

Da erinnerte ich mich an den Ursprung meiner Forschung, und ich kaufte 13 Rubbellose. Und tatsächlich! Trotz der Unglücksziffer 13 – ein Los gewann. Allerdings nur sehr wenig. Es gab also wieder kein eindeutiges Ergebnis.

Nach einigen unrühmlichen Versuchen mit Hasenfüßen und Hufeisen gab ich schließlich auf und legte mein Notizheft in die Schublade zu der Dokumentation „Verhüten nach Mondphasen“. Was auch immer am Ende unser Schicksal bestimmt, ich hoffe einfach, ich mache es durch Zufall richtig. Klopf auf Holz. Oder drauf gepfiffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Titanic, taz, titel, thesen, temperamente
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • ...mein Freund gewann mit Rubellosen... - so muss es ja wohl heissen, oder?