Die Wahrheit: Zauberer wählen
Neues aus Neuseeland: Auch auf Aotearoa schwappt die weltweite Wahlwelle der Rechten und Populisten und Spinner über.
R echtsruck in Europa? Ihr seid nicht allein. Im globalen Obstkorb der Konservativen liegen nicht nur frische italienische Melonen. Auch die Kiwis haben bis auf die Hauptstadt Wellington vor allem rechts gewählt. Zwar nur lokal, aber dafür skurril: Mit sexistischem Zauberer, vorbestraftem Neonazi, trojanischen Pferden und einem öffentlichen Anschiss für Sängerin Lorde.
Über 3.000 Neuseeländer ließen sich dieses Jahr für Behörden, Stadträte und Bürgermeisterämter aufstellen. In der Lokalpolitik kann jede Pappnase mitmischen. So kam es, dass auch der 89-jährige amtliche Zauberer von Christchurch mit im Rennen war – im Pass mit eingetragenem Namen „The Wizard“, gebürtig als Ian Brackenbury Channell aus London.
Der bärtige Zausel mit Kutte und Spitzhut gehörte zum Stadtbild wie die vor elf Jahren im Erdbeben eingestürzte Kathedrale, vor der er gern stand und provokativ polterte – vor allem über „hinterhältige Frauen“, die vortäuschen, von ihren Männern geschlagen zu werden. Bis der Wizard im vorigen Jahr nach zwei Jahrzehnten entlassen wurde, zahlte ihm die Stadt für seine wundersamen Umtriebe als misogyne Touristenattraktion 16.000 Dollar im Jahr.
Er war nicht der Einzige mit schlechtem Ruf, der sich durch die Lokalwahlen einen neuen Job versprach. Passionierte Impfgegner und rechte Verschwörungsgläubige wurden von der Desinformationsdreckschleuder „Voices for Freedom“ zu trojanischen Pferden instrumentalisiert und in den Wahlkampf geschickt. Die Organisation FACT Aotearoa (Fight Against Conspiracy Theories) deckte die einschlägigen Verbindungen von 200 zweifelhaften Kandidaten auf – von denen es dank der Maulwurfarbeit der Aktivisten am Ende nur zwei in einen Stadtrat schafften.
Obwohl die meisten Wahlen diese Woche zugunsten der konservativen National-Partei entschieden wurden, blieb uns zumindest der ultrarechte Carl Bromley als neuer Bürgermeister in Christchurch erspart. Der evangelikale Pastor mit islamophobem Sendungsbewusstsein verehrt Waffen und Donald Trump. Die Polizei durchsuchte bereits seine Wohnung.
Schlagzeilen machte auch Neonazi Philip Arps, der früher einen Lieferwagen mit Nazi-Emblemen durch Christchurch fuhr und sich mit Rudolf Heß vergleicht. Wochen vor dem Terroranschlag auf die Moschee hatte er vor ihr einen Schweinekopf abgelegt. Weil er das Livestream-Video des rechtsradikalen Killers verbreitete, ist Arps vorbestraft. Das hielt ihn nicht davon ab, für den Aufsichtsrat einer multikulturellen Highschool zu kandidieren. Zum Glück wurde er Letzter.
Weil die Wahlbeteiligung so erschreckend gering war, schmiss sich gar unser größter Popstar ins Rennen. Lorde verbreitete ein Foto von sich auf Instagram, wie sie ihr Kreuzchen für Aucklands linken Bürgermeisterkandidaten auf dem Postformular macht. Illegal! Man darf nur sagen, wen man wählt, aber nicht persönliche Wahlunterlagen verbreiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten