Die Wahrheit: Blutgrätsche in die Logik

Der Vorwurf selbst wird in den Medien immer häufiger mit Vorwürfen überhäuft, er sei sexistisch oder rassistisch. Ein Solidaritätsaufruf.

Ein Computer mit einer tippenden Hand, der Zeigefinger ist bandagiert

Manche Journalisten schreiben sich die Finger wund mit ihrem hanebüchenen Unfug Foto: Karsten Thielker

Niemand bekommt sie gern an den Kopf geworfen: Die Rede ist von Vorwürfen. Das rechtfertigt aber noch lange nicht das Treiben, dem sie sich in diesen Tagen ausgesetzt sehen. Was müssen sich unschuldige, bisweilen absolut notwendige und berechtigte Vorwürfe nicht alles anhören. Rassistisch seien sie, antisemitisch und bisweilen gar sexistisch. Nachfolgend eine kleine Auswahl zur Verdeutlichung:

Lisa Eckhart weist rassistische Vorwürfe zurück“, schreibt das Abendblatt. Nanu? Nun sind plötzlich die Vorwürfe rassistisch? Was haben sie getan? Darf man das überhaupt noch fragen? Darf man noch darauf bestehen, dass es einen Unterschied zwischen rassistischen Vorwürfen und Rassismusvorwürfen gibt, der – würde man einen Vorwurf selbst zu Wort kommen lassen – für diese kein geringer ist? Schließlich ging es doch um Lisa Eckhart.

Ein Einzelfall? Gewiss nicht. „Es gibt sicherlich auch Einzelfälle, in denen Menschen von ihrem eigenen Fehlverhalten mit Provokationen ablenken wollen, das betrifft aber nicht nur rassistische Vorwürfe“, erklärt der Kassler Polizeipräsident Konrad Stelzenbach in einem Interview mit der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) und brandmarkt die Vorwürfe als rassistisch, um sie zugleich als singuläres Ereignis zu verniedlichen.

Ein weiteres Beispiel: „Rassistische und sexistische Vorwürfe erschüttern den englischen Fußball“ (sueddeutsche.de). Diese Vorwürfe mal wieder. Wir bleiben am Ball, denn im Sportteil, so zeigt sich, scheint man besonders ruppig mit ihnen umzugehen: „Hertha erhebt rassistische Vorwürfe gegen Schalkes Fans“ (Westfälischer Anzeiger). Das ist natürlich ein starkes Stück, tut man damit immerhin nicht nur den Vorwürfen ein weiteres Mal ein Unrecht an, nein, auch Hertha BSC kommt in diesem Fall schlechter weg, als es nötig wäre.

Ein offensichtliches Foul

Die Vorwurfsschluderei ist dabei sprachlich nicht nur ein offensichtliches Foul, eine glatte Blutgrätsche in das Standbein der Logik, sie dreht den Spieß in einer naturgemäß doch recht heiklen Sache auch noch ganz einfach um. Ausbaden darf es wie immer der kleine Vorwurf von der Straße, und der Beschuldigte kommt semantisch gesehen (möglicherweise zu Unrecht) davon.

Kein Wunder also, dass Vorwürfen ein schlechtes Image anhaftet. Die Folge: Rückzug. Sämtliche für diesen Text angefragten Vorwürfe wollten sich nicht weiter zu den ihnen gegenüber erhobenen Vorwürfen äußern. Zu leichtfertig ginge man in diesen Tagen mit der Attribuierung von Vorwürfen um. Darin sind sie sich jedenfalls alle einig.

Daher nun auch dieses dringend notwendige Plädoyer an dieser Stelle: Gehen Sie behutsam mit Vorwürfen gegenüber Vorwürfen um. Andernfalls könnten sie uns eines Tages selbst unschöne Vorwürfe machen. Und dann würde es wirklich kompliziert werden.

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