Die Wahrheit: Auf der Beatles-Hadsch
Mein Besuch im Cavern Club und in der „Beatles Story“, dem offiziellen Fab-Four-Museum, sowie meine „Magical Mystery Tour“.
Z u den fünf Säulen der Beatlemania gehört es, mindestens einmal im Leben Liverpool zu besuchen. Ich hatte alles im Voraus organisiert: Ein Besuch im Cavern Club und in der „Beatles Story“, dem offiziellen Fab-Four-Museum, sowie eine thematische Stadtrundfahrt, die „Magical Mystery Tour“ mit dem scherzkeksenden Reiseleiter Tom: „Hi, my name ist Tom, my friends call me Tommy, you can call me Neil.“ Die Bus-Gemeinde lag ihm zu Füßen.
Nachdem ich am ersten Abend den Cavern Club siebenmal umrundet hatte, betrat ich ihn schließlich demütig, um mir die hauseigene Beatles-Coverband anzuhören. Außer „John“ waren alle Bandmitglieder sichtbar jenseits der fünfzig. Da sie aber auch optisch Mittzwanziger darstellen wollten – und das wohl mit ihrem Haarstatus kollidierte –, trugen die Herren alberne Pilzkopf-Fiffis. Darunter – und oberhalb ihrer Konfirmandenanzüge – präsentierten sie desillusionierte, vom langen Bühnen- und Backstage-Leben verlederte Rock-’n’-Roll-Gesichter.
Sie erinnerten stark an die einstmals als „Berliner Beatles“ gerühmten Lords bei ihrem 38. Comeback. „John“ war um die dreißig, trug Naturpilz und hatte tatsächlich eine leichte Ähnlichkeit mit Lennon. Vor allem aber gelang es ihm, den kurzsichtigen Maulwurfblick Lennons aus dessen Vor-Nickelbrillen-Zeit perfekt zu imitieren. Ständig kniff er die Augen zusammen, als versuche er, die Nebenwirkungsliste auf den Beipackzetteln der Blutdruckmedikamente seiner Mitmusiker zu entziffern. Musikalisch gab’s nix zu meckern. Die Gläubigen verlangten nach Beatles-Sound, sie bekamen Beatles-Sound.
Der Besuch des Museums beeindruckte vor allem durch einen Audioguide, in dem diverse Details der Beatles-Historie falsch dargestellt wurden. Meine Versuche, das Aufsichtspersonal darauf aufmerksam zu machen, wurde mit ignorantem Kopfschütteln quittiert. Ich werde meine Beschwerden direkt bei Yoko Ono einreichen.
Auf der „Magical Mystery Tour“ faszinierte nicht nur Tom-Tommy-Neil mit gut abgehangenen, aber punktgenau gesetzten Punchlines: „Als die Queen vor einigen Jahren Paul McCartney traf, sagte sie, sie besitze tatsächlich alle Beatles-Alben, worauf Paul antwortete, das sei toll, er habe auch alle Queen-Platten zu Hause.“
Am meisten überraschte mich allerdings, dass ich an einigen Stationen fast ebenso gerührt war wie mein japanischer Sitznachbar, der sämtliche 64 Gigabite seines Smartphones vollfotografierte und einfach jedes auf der Busanlage abgespielte Beatles-Lied inbrünstig in einer Art Pop-Esperanto mitsang.
Auf Wunsch verschicke ich ein Foto: Er und ich, ergriffen neben dem Tor zu „Strawberry Fields“ stehend. Wer genau hinschaut, sieht, dass mir eine Träne die Wange hinunterläuft. Vielleicht ist es aber auch nur der verkackte englische Regen, der mir trotz Klimawandel bei meiner Beatles-Hadsch drei Tage lang ins Gesicht schlug.
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