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Die WahrheitMonday, Monday …

Radiowecker waren die wahren Helden der 1980er-Jahre. Auch wenn sie noch so abgrundtief schlechte Musik wiedergaben.

Küsse statt schlechter Musik: Achtung, dies ist kein Radiowecker! Foto: reuters

Es war einmal ein Radiowecker. Er hörte auf den Namen Blödmann. Er hatte auch noch jede Menge anderer Namen. Die waren aber alle zoologischen Ursprungs, und damit meine ich nicht Häschen, Mäuschen, Bärchen oder irgendwas anderes aus der Abteilung süß, nett, kuschelig. Alle anderen Namen meines Radioweckers sind jedenfalls nicht stubenrein. Und wenn jetzt jemand unbedingt will, kann er sich die Namen auch denken.

Blödmann, mein Radiowecker, stand neben meinem Bett. Auf Ohrhöhe. Altmodisches Teil. Voll analog. Mit Drehknöpfen zum Sendereinstellen. Robust. Schmerzunempfindlich. Musste er auch sein. Sonst hätte er es nicht lange mit mir ausgehalten.

Er bekam schließlich jahrzehntelang jeden Morgen voll einen auf die Mütze. Mit links. Ich schlafe auf der rechten Seite. Und wenn Blödmann mir auftragsgemäß zur pünktlichen Unzeit irgendeine zu laute Musik ins Ohr sägte, gab ich ihm mit der obenliegenden linken Faust direkt was auf seine Schlummertaste.

Blödmann konnte das ab. Beschwert hat er sich jedenfalls nie. Nach dem Hieb versank er jedes Mal anstandslos in eine Ohnmacht, regenerierte und meldete sich nach ein paar Minuten gesund und viel zu munter mit der nächsten Musikzumutung zurück.

Es ist eine Weile her, da gab es tief in den tiefsten Tiefen der Katakomben unserer Radiosender noch spinnennetzumwobene Archivare, die auf Sechziger-Jahre-Kulturen überlebt hatten. Auf proteinreichem Woodstock-Urschlamm, also mit viel Cannabis und ähnlichen Düngestoffen drin.

Hin und wieder gelang es diesen fusseligen Zombies ganz hervorragend, Audio-Artefakte aus ihrer Frühzeit nach oben zu kassibern und in die Festplatten der Musiksender einzuspeisen. Sonntagnachts waren sie am erfolgreichsten. Regelmäßig schmuggelten sie mir die Mamas und die Papas in den Blödmann, der mich mit „Monday, Monday / so good to me“ aus dem Schlaf rüpelte.

Klang irgendwie nach Kalifornien – locker, leicht und luftig. Nach ewigem Sommer. Totlangweilig also, und entsprechend depressionsgesättigt ist auch der Text dieses Liedes. Vielleicht wussten die zotteligen Musikagenten des Bösen das sogar. Ich glaube aber, eher nicht. Die meisten Menschen sind ja rücksichtslos, weil sie ahnungslos sind. Das entschuldigt aber nicht jede Schandtat, und schon mal gar nicht diese akustische an jedem verdammten Montagmorgen.

Der Radiowecker konnte einstecken. Ich war Rocky, der Blödmann die Rinderhälfte

Monday, Monday / so bad to me. Keine leichte Zeit für meinen Radiowecker. Montagmorgens kriegte er mächtig auf die Rübe. Aber er konnte einstecken. Ich war Rocky, der Blödmann die Rinderhälfte.

Erste Schwächen zeigte er in den achtziger Jahren. Da hielten es Musikredakteure sehr oft für eine gute Idee, mich mit den Boomtown Rats aus den Federn zu krakeelen: „Tell mewhy / I don’t like Mondays“. In dem Song geht es um ein Massaker an einer kalifornischen Schule. Doch was kümmert es den deutschen Musikredakteur, wenn eine irische Band Schreckliches über die USA singt. Hauptsache, Lala. Hauptsache, Montag.

Der Blödmann hat selbst diese düstere Bob-Geldof-Periode zwar verbeult, aber wartungsfrei überstanden. Verschieden ist er erst später. Er fiel einem der größten akustischen Verbrechen des dritten Jahrtausends zum Opfer. Mein Radiowecker verendete an einem frühen Montagmorgen, um fünf Uhr dreißig Mitteleuropäischer Sommerzeit.

Ich musste keine Hand anlegen. „Hanföl. Do nimscht jede Morge an Löffel von und do fülscht dich richtig guat!“ Nachdem er mich zum wiederholten Male mit dem Werbespot eines schwäbischen Müsliherstellers wecken musste, zog er selbst die Konsequenzen und verstummte für immer.

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2 Kommentare

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  • Ja wie?

    Fritz Eckenga is ja 'n harmloser Fall &

    's Mowgli reicht der Männe! Na bitte!

    Ich glaub - ich penne!

     

    Schlief über mir doch as well

    'n praktizierend Bäckerg'sell

    Der selbst die Dissi-Könige - von -

    Schule der Nation - BW & Y

    Lang vor La Tuffa & Kosovo

    In den Schatten stellte! Sowieso!

    Hin Nachtbackverbot -

    Semmel her oder tot!

     

    4 uhr morgens & 5 - in Worten - fünf!

    Wecker der teuflischsten Art -

    Sollten helfen auf die Strümpf!

    & Ich sprang - im Quadrat!

    kurz - Er verschlief - Ich klaschte Ihn -

    Hellwach - doch nur im Geiste! hin!

    Jedoch - Hurra - nach vier Woch!

    Schliefen er&ich - Ganz prima durch!

    Zufrieden stimmt ich's Jauchzen ein!

    Schnurcheln prima - oh wie fein!

    Jedoch - Gemach - Der Schlurch!

    Zog aus & ich - Lag wach ab vier!

    Genau - Die fünfe fehlten mir!

    Klar aber auch - Der Bäckerbursch -

    War auch beim Meister ziemlich dursch!

  • Was für "die meisten Menschen" gilt, dass sie nämlich "rücksichtslos [sind], weil sie ahnungslos sind", müssen Radioweckerbesitzer ihren Geräten erst recht zugute halten. Außer, sie gehören zu jenen Leuten, die allem, was existiert, eine eigene Seele zuschreiben, auch ihrer Technik.

     

    Ob Fritz Eckenga auch Esoteriker ist, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal. Entscheidend ist für mich: Ich bin Rationalist. Und das ist auch gut so. Es hat mich nämlich (u.a.) der Versuchung enthoben, meinen eigenen Radiowecker an die Wand zu schmeißen in der Hoffnung, daraus würde erst ein Frosch und dann ein Prinz.

     

    Nein, der Wecker kann nichts dafür, dass ich mich seit einigen Jahren doch lieber wieder menschlich wecken lasse. Von meinem Mann, der unseren 5x5 Zentimeter großen Reisewecker hört. Mit der Musik wäre ich womöglich noch ne Weile klar gekommen. Nur mit den Wortbeiträgen hab ich irgendwann nicht mehr gekonnt.

     

    Wenn ich pünktlich an meinem Arbeitsplatz sein will, muss ich zeitig aufstehen. Nun ja, nicht wirklich zeitig, aber doch so gegen sechs. Mein Radiowecker sendet um die Zeit Nachrichten. Jedenfalls auf der einzigen Frequenz, die nicht vollkommen verrauscht ist. Und anschließend gibt es das Wort zum Tage.

     

    Hätte ich mir diese beiden Sendungen auf Dauer angetan, würde ich womöglich jetzt nicht kommentieren. Trotzdem habe ich meinen Radiowecker nie einen "Blödmann" genannt. Der Wecker konnte schließlich nichts dafür, dass die Blödmänner (und Frauen) in den Redaktionen glauben, "Monday, Monday" müsse zusätzlich erläutert werden. Weil es ja nur "Lalala" ist und alle Hörer lernbehindert sind.

     

    In meinem Fall war das ein Irrtum. Und mehr noch: Dass die Welt entschieden besser wird, wenn man die Leute jeden Tag mit Horrormeldungen aus dem Tiefschlaf reist, halte ich für völlig abwegig. Die Angst, schließlich, ist keine Lösung. Sie ist ein ernsthaftes Problem. Vor allem, wenn man nichts konkretes gegen machen kann - außer abschalten.