Die Wahrheit: Runter mit den Röcken
Neues aus Neuseeland: Wie in allen Kolonien Britanniens tragen auch die Schüler Aotearoas eine Uniform – züchtig, streng und für manche zu sexy.
A lle hacken auf den Engländern rum, dabei sind sie gestraft genug mit Brexit-Boris und Baked Beans. Vom EM-Ausscheiden hier mal ganz zu schweigen. Doch kein Pardon! Da ich nun mal in einem Land lebe, das zum Königreich gehört, kann ich nicht länger verschweigen, was die Briten in ihren Kolonien seit Generationen an Kindern verbrochen haben. Die EU kann sich glücklich schätzen, dass bestimmte Kulturgüter hinter Inselgrenzen bleiben. Ich rede von der Schuluniform.
Meine Familie hat schon vor Jahren den Exit gewählt und hält am deutschen Alleingang fest: Als halbwegs assimilierte Migranten schicken wir unsere Kinder auf die Waldorfschule. Sie mögen dennoch Baked Beans, die zweite Generation passt sich besser an. Man kann von Eurythmie und Engeln halten, was man will, aber eine britische Tugend haben uns die Waldis erspart. Keiner unserer Söhne muss sich, wie an den meisten High Schools üblich, in Blazer zwingen und Krawatten tragen.
Wie im Mutterland Britannien tragen auch in Neuseeland viele Schüler im tiefsten Winter Shorts. Das ist Vorschrift. Lange Hosen gibt’s für Mädchen schon mal gar nicht: Nur vier von 36 High Schools im Distrikt Canterbury erlauben sie ihren Schülerinnen. Bei manchen Privatschulen – und davon gibt es viele – reicht der zwangsverordnete Schottenrock fast bis auf die Knöchel. Dazu klobige Treter mit Schnürsenkeln und ordentliche Zöpfe. Klar, ist ja kein Laufsteg. Aber auch nicht 1956.
Um die Zustände hierzulande besser zu verdeutlichen, ein kleiner Einblick in die Vorbereitungen des St. Dominic’s College in Auckland für seinen Ball im Juli. Die katholische Mädchenschule schreibt ihren Schützlingen fürs Fest vor: 1. Schlitz im Kleid nur bis zum Knie. 2. Ausschnitt im Rücken nur bis Achselhöhe. 3. Kein Dekolletee, 4. Schuhe dürfen nicht ausgezogen werden, egal wie sehr die Füße schmerzen, 5. Wer ein „Date“ mitbringt, muss eine ernsthafte Beziehung haben.
Seit Generationen krempeln rebellische Kiwi-Teens ihre Uniform-Röcke um die Taille heimlich etwas höher als erlaubt. Das gehört zur Schullaufbahn wie Abschreiben und Schwänzen. Doch vorige Woche kam es deshalb in der Aula der Hornby High School in Christchurch zum Eklat. Den Schülerinnen wurde von oben mitgeteilt, dass ihre Röcke zu kurz seien. Laut Schulregel muss der Saum zehn Zentimeter unterm Knie enden. Die nackte Haut am Bein würde männliche Lehrer ablenken, die sich ob des Anblicks „unwohl“ fühlten. Rock hoch falle daher unter „sexuelle Belästigung“.
Eines der Mädchen weigerte sich, am nächsten Tag zum Unterricht zu gehen: „Ich möchte nicht in einer Klasse sitzen, wo ich als Sexobjekt gesehen werde.“ Andere zogen aus Protest lange Hosen an. Eine Petition ist im Gange. Der Schuldirektor entschuldigte sich für die „unglückliche Formulierung“ des Lehrpersonals. Dass er morgens im Lehrerzimmer Tabletten verteilt, die den Sexualtrieb der Pauker hemmen sollen, ist nur Gerücht. Aber im Handarbeitsunterricht wurden Schnittmuster für Burkas gesichtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?