Die Verständnisfrage: Es geht um Gemeinschaft
Liebe Weintrinker*innen, warum hat Alkohol bei euch einen so guten Ruf?, fragt ein Schüler aus Hamburg. Eine Pfarrerin antwortet.
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine Person, die antwortet.
Markus, 16, Schüler aus Hamburg, fragt:
Liebe Weintrinker*innen, warum hat Alkohol bei euch einen so guten Ruf?
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Pfarrerin Susanne Duwe, 58, aus Oldenburg, antwortet
Als Weinliebhaberin genieße ich gerne ein Glas Rotwein zu Hause, um zu entspannen und den Geschmack zu genießen. In gemütlicher Runde an einem Tisch zusammenkommen, Salat, Pasta und eine Flasche Rotwein zu teilen, das schätze ich sehr. Ich habe da keinen festen Rhythmus. Immer wenn etwas anliegt, treffe ich mich mit Freundinnen und Freunden und wir unterhalten uns. Es ist etwas Kostbares, wenn man spürt, dass man gerade eine gute Zeit hat.
Ich bin persönlich sehr geprägt durch die christliche Tradition. Die Bedeutung von Wein liegt für mich nicht primär im Alkohol, sondern in dem Setting, in dem er getrunken wird. Nicht der Alkohol macht den guten Ruf, sondern das Drumherum, die nette Gesellschaft.
Aber ich verzichte auf Alkohol, wenn ich auf Feiern gehe, um präsent und wach zu bleiben. Dass Alkohol schädlich ist, wissen wir alle, und trotzdem konsumieren wir ihn. Problematisch wird es, wenn es zum Missbrauch kommt. Doch wie bei allem im Leben gilt: Wenn man es übertreibt, ist es schlecht. Eine ähnliche Diskussion haben wir ja aktuell, wenn es um Cannabis geht.
Rotwein ist mehr als nur ein alkoholisches Getränk. Er hat eine lange kulturelle und rituelle Bedeutung. Tatsächlich geht die Bedeutung von Wein als Teil von Feierlichkeiten auf uralte Zeiten zurück. Im Judentum spielt Wein eine wichtige Rolle beim Pessachfest, bei dem Brot gebrochen und der Kelch mit Wein geteilt wird.
Das christliche Abendmahl, das auf dem Pessachfest basiert, erinnert an die Worte und Taten von Jesus Christus und hat bis heute eine wichtige Bedeutung in der christlichen Tradition. Es ist etwas völlig anderes, ob ich bei einem Schluck Wein an Jesus und das letzte Abendmahl denke oder ob ich mir flaschenweise Wein hinter die Binde kippe. Zur damaligen Zeit war der übermäßige Konsum von Wein kein Thema. Er diente lediglich zu rituellen Zwecken.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Wir haben uns als Gemeinde entschieden, auf Alkohol beim Abendmahl zu verzichten, um niemanden auszuschließen, der alkoholkrank ist oder aus anderen Gründen auf Alkohol verzichtet, und natürlich auch wegen der Kinder. Es geht uns bei der Nutzung von Wein weniger um den Alkohol selbst, sondern um das gemeinsame Erleben von Gemeinschaft. Der Kelch wird bei uns mit Traubensaft gefüllt. Warum ausgerechnet Wein und nicht Bier oder Schnaps in der christlichen Tradition verwendet wurde, bleibt jedoch ein Rätsel für mich.
Jedenfalls ist der Wein in Deutschland ein kulturelles Erbe mit einer reichen und langen Tradition, spürbar ist das vor allem in Regionen wie Rheinland-Pfalz, wo der Weinanbau eine wichtige Rolle für Winzerinnen und Winzer spielt. Ich befürchte jedoch, dass die kirchliche Bedeutung des Weins heutzutage nicht mehr so wichtig ist.
Protokoll: Christopher Wandschneider
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