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Die Realität nach vier SpieltagenHolstein Kiel auf der Suche nach der Wende zum Guten

Die Vorbereitung auf die neue Saison lief gut, aber nach nur einem Sieg und drei Niederlagen stehen die Zeichen in Kiel nun eher auf Krise.

Marcel Rapp, Trainer von Holstein Kiel: Ist nicht zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft Foto: Gregor Fischer/dpa

Nachhaltiger Abstiegs-Blues nach einem Lehrjahr in der Ersten Fußball-Bundesliga? Davon war bei den Herren von Holstein Kiel zumindest in der Vorbereitung auf die Zweitliga-Saison wenig zu spüren. Es gibt neue, spannende Gesichter im verjüngten Kader. Mit dem anerkannten Hochbegabten-Förderer Marcel Rapp, der seit Oktober 2021 im Amt ist, sitzt ein Symbol für Kontinuität auf dem Trainerstuhl. Und dann gibt es mit Olaf Rebbe noch einen Sportchef, der ein besonderes Gespür für ökonomisch gute Transfergeschäfte hat. Was sollte da schon schiefgehen?

Die Realität nach vier Spieltagen in der Zweiten Bundesliga sieht aber so aus: ein Sieg, drei Niederlagen, ratlose Störche, so wird die Mannschaft Holstein Kiel auch genannt, im Sinkflug.

Nach der 1:2-(0:1-)Niederlage im Heimspiel gegen die mit vier Siegen optimal in die Saison gestartete Mannschaft von Hannover 96 hatte David Zec, Abwehrspieler von Holstein Kiel, am Sonnabend gar erste Anzeichen von Panik bei seinen Mitspielern ausgemacht. „Es gab bei uns viel Angst auf dem Platz, besonders in der zweiten Halbzeit war es fast schon erschreckend“, so der 25-Jährige.

Dabei waren die Kieler mit einem Treffer von Phil Harres in der 21. Minute sogar in Führung gegangen. Es blieb aber die einzige Torchance für sie. Die Kieler überließen in der Folge den zweikampfstärkeren Hannoveranern, die in der Offensive trotz Ballbesitz-Dominanz von 60:40 Prozent allerdings keineswegs die Sterne vom Himmel spielten, die Kontrolle auf dem Feld.

Holstein Kiel findet keine Lösung

„Wir haben nicht die Lösungen mit dem Ball gefunden. Und das ist das, was uns alle ankotzt“, sagte Kiels Kapitän Steven Skrzybski mit Blick auf die zahllosen leichten Fehler im eigenen Aufbau. Ein Detail, das angesichts der in der Vergangenheit gewohnten Spielfreude der Kieler überrascht. Oder wiegen die Verluste von Leistungsträgern wie Top-Scorer Shuto Machino (für acht Millionen Euro nach Gladbach abgegeben), Nicolai Remberg (gegen 2,4 Millionen Euro zum HSV gegangen) und Armin Gigovic (für eine Ablöse von 1,2 Millionen Euro an die Young Boys Bern verkauft) doch schwerer als erwartet?

Teile dieser Einnahmen wurden in vier Akteure der Kategorie „Hochveranlagte mit großem Entwicklungspotenzial“ reinvestiert: ­Offensiv-Allrounder Adrian Kalprati (23/1,5 Millionen Euro/MSK Zilina), Spielmacher Jonas Therkelsen (22/1,9 Millionen Euro/Stömsgodset), Mittelfeld-„Sechser“ Kasper Davidsen (20/1,6 Millionen Euro/Aalborg BK) und Abwehrtalent Frederik Roslyng (19/1,2 Millionen Euro/AC Horsens). Dieses Quartett unter den insgesamt zwölf Neuzugängen soll in der Theorie sowohl sportlich als auch wirtschaftlich rosige Perspektiven eröffnen.

Braucht noch Zeit zur Erstliga-Reife

Doch die internationale Riege aus der Slowakei, Norwegen und Dänemark braucht offenkundig noch Zeit zur Reife. Ein Faktor, der im Profifußball eher auf dem Index steht. „Klar, wir haben viele Spieler im Alter von Anfang 20. Alle bringen ein Riesenpotenzial mit. Qualität ist aber, das auch auf den Rasen zu bringen“, lautete der eindringliche Appell des 32-jährigen Kapitäns Steven Skrzybski.

Immerhin: Die im vergangenen Spieljahr fragile Defensive, die 80 Gegentreffer kassierte, scheint nun vergleichsweise stabil zu sein. Auch gegen Hannover kassierten die Störche lediglich nach zwei Standards Kopfball-Treffer, einen durch Virgil-Eugen Ghia (62.) und einen durch 96-Super-Joker Benjamin Källmann (69.). Hannovers Neu-Coach Christian Titz ist es beeindruckend schnell gelungen, das Team trotz namhafter Abgänge wie Ron-Robert Zieler, Phil Neumann oder Nicolo Tresoldi mit 14 externen Neuzugängen (Einkaufspreis: 3,7 Millionen Euro) zu einer Einheit mit berechtigten Aufstiegsambitionen zu formen.

Daran denkt in Kiel aktuell niemand. Ein sorgenfreies Spieljahr soll es werden – ungeachtet der vereinsinternen Rekordzahlen (Transfer-Überschuss: 6,2 Millionen Euro/Invest für neues Personal: 7,3 Millionen Euro). Nach der Länderspielpause und dem Ende der Transferperiode gerät der September zum Monat der Störche-Wahrheit: große Flatter oder doch die Wende zum Guten?

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