piwik no script img

Die Kunst der WocheMarke Rot

Zurück in die Siebziger und rein in die Gegenwart führt die Galerie Friese mit Elvira Bach. Grund zu feiern: Die Galerie Tanja Wagner wird 15 Jahre alt.

Blick in Elvira Bachs Ausstellung „So rot, so rot“ in der Galerie Friese Foto: Eric Tschernow; Courtesy the artist und Galerie Friese

W enige Künstlerinnen gibt es, bei deren Namen man sofort ein Bild vor Augen hat. Eins von der Kunst. Und auch eins von der Künstlerin. Unter den Malerinnen ihrer Generation ist Elvira Bach vielleicht sogar die einzige, der das gelungen ist – aus sich selbst eine Marke zu machen. Elvira Bach, geboren 1951 im Taunus, berühmt geworden als „Junge Wilde“ in den 1980ern in Berlin.

Flamboyant im Leben und auf der Leinwand, so kennt man sie. Divenhaft im wallenden Gewand, mit Turban auf dem Kopf, großem Gebamsel am Ohr, rotem Lippenstift. Rauchend. Schrill-bunte Frauenfiguren, Elviras malte Bach vor allem ab den späteren 1990ern. Zu repetitiv, zu dekorativ, so lautete mitunter der Vorwurf. Sie habe ihr Leben gemalt, hat sie nicht nur einmal gesagt. Immer sei sie von sich selbst ausgegangen. Von wem auch sonst?

Die Ausstellung in der Galerie Gerrit Friese zeigt eine etwas andere Seite der Künstlerin. Sie entstand, weil sich Bach von Atelierräumen verabschieden musste und was liegt da näher als ein Blick ins Archiv? Teresa Karst, Kuratorin der Ausstellung, entdeckte dort Gemälde und Zeichnungen, die zarter wirken, als man das von Bach kennt, weniger plakativ, jünger. Ins Jahr 1978 verweist die älteste der Arbeiten. „So rot, so rot“ gab der Schau ihren Titel, zeigt Erdbeeren – wie sie da schon Teil von Bachs visuellem Vokabular waren – und dahin schraffierte Buchstaben über schemenhaften Köpfen.

Im Kopf bleibt auch eine kleinere Arbeit, gemalt mit Acryl auf Papier, aus dem Jahr 1980, die eine junge Frau im Bett zeigt. Im schwarzen Negligé und mit wallenden Locken zwischen hellblauen Laken, umgeben von übergroßen Blumen und einem Telefon. 1980, da stand Elvira Bach noch ganz am Anfang, war 29 Jahre alt, hatte gerade erst ihr Studium der Malerei an der Hochschule der Künste Berlin abgeschlossen. Zwei Jahre später dann wurde sie zur documenta 7 eingeladen.

Die Ausstellungen

Elvira Bach: So rot, so rot. Galerie Friese, bis 15. November, Di.–Fr. 11–18, Sa. 12–16 Uhr, Meierottostr. 1

Why We Do What We Do. 15th Anniversary Exhibition: Galerie Tanja Wagner, bis 1. November. Mit Arbeiten von Ulf Aminde, Annabel Daou, Elisa Giardina Papa, Šejla Kamerić, Kapwani Kiwanga, Laurel Nakadate, Grit Richter, Anna Steinert, Angelika J. Trojnarski & Anna Witt, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Pohlstr. 64

Der Fokus der Ausstellung liegt auf frühen Werken der 1970er und 80er Jahre, in der Vergangenheit verharrt sie aber nicht. Zu den alten Bildern gesellen sich neue Keramiken, geformt und glasiert von der Künstlerin in diesem Sommer. Erdbeeren sind auch dabei, so rot, so rot.

15 Jahre klares Profil: Tanja Wagner

Einen Bogen von Vergangenheit zu Gegenwart zieht auch die Gruppenausstellung, mit der Tanja Wagner den 15. Geburtstag ihrer Galerie feiert. Ihren Titel „Why We Do What We Do“ kann man dabei wörtlich nehmen. Für die zehn Künst­le­r*in­nen im Programm der Galerie, unter denen mit Ulf Aminde nur ein Mann ist, und von denen viele – auch das spricht für die Galeristin – schon seit langem, teils schon von Anfang an mit Tanja Wagner zusammenarbeiten, war das der Arbeitsauftrag: Arbeiten auszuwählen, die symbolisieren, was sie künstlerisch antreibt. Jeweils eine Arbeit pro Künst­le­r*in ist ausgestellt, kombiniert jeweils mit einem kurzen Text.

Eröffnet hatte Wagner ihre eigenen Räume 2010, nach mehreren Jahren in der Galerie Max Hetzler. Mutig war der Weg in die Selbstständigkeit damals schon, viele Galerien hat sie über die Zeit kommen und gehen sehen. Ihre eigene ist geblieben. Auch, weil sie von Anfang an ein klares Profil hatte, mit einem Fokus auf Kunst zu gesellschaftlich relevanten Themen gezeigt hat, Arbeiten von Künst­le­r*in­nen mit diversen Perspektiven, die sich zumeist direkt vermitteln.

Šejla Kamerić, „Saponified Jacket of Melania Trump“, 2018, Cotton, viscose, soap

So wie etwa die Werke der bosnischen Künstlerin Šejla Kamerić. Kamerić ist eine der Künstlerinnen, die von Beginn an im Programm der Galerie sind. In die Ausstellung hat sie einen eingeseiften Militärparka gehängt, der jene Jacke zitiert, die Melania Trump 2018 bei ihrem Besuch in einem Internierungslager für Migrantenkinder trug, bedruckt mit dem Satz: „I really don’t care, do you?“. Die Antwort darauf, so formuliert es die Künstlerin, müsse eine andere Frage sein: „How could we not care?“

Vom Druck, der auf Pflegepersonal lastet, erzählt eine Installation von Anna Witt, die dafür deren Kittel zwischen Plexiglas gepresst hat, dazwischen erscheinen Arbeitshandschuhe comichaft wie Hände, die kaum hinterherkommen.

Anna Steinert, „Immortal Quest“, 2025, Oil, oil sticks on canvas, 140 x 120 cm Foto: Courtesy the artist and Galerie Tanja Wagner

Auf die Kraft der Farbe wiederum setzt Anna Steinert, deren mit Ölkreiden überzeichnetes Ölgemälde auf die „Immortal Quest“ verweist, das unsterbliche Streben, mit dem sie sich in den physischen Akt des Malens stürze. „Mit all seinen Rückschlägen, dem Zorn, der Zerstörung, aber auch mit dem ständigen, zarten Neuanfang“. Jedes Bild, schreibt sie, entfache aufs Neue die Hoffnung auf weitere Abenteuer.

Vielleicht auch das passende Motto für die Galerie, der noch viele weitere Abenteuer zu wünschen sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Beate Scheder
Kulturredakteurin
Redakteurin für Berlinkultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Kunstkolumnistin beim taz Plan.
Mehr zum Thema

0 Kommentare