Die Kunst der Woche: Show it all!

Mit der Schau „Paint it all!“ zeigt die Berlinische Galerie Gemälde aus ihrer Sammlung. Das Ergebnis ist farbtrunken, unprätentios und überraschend.

Das Gemälde von Tatjana Doll zeigt ein rampniertes Auto. Die offene Tür trägt die Aufschrift "Arzt", die Motorhaube ist geöffnet und ein Vorderrad scheint zu fehlen

In der Sammlung der Berlinischen Galerie: Tatjana Dolls „CAR_Crankcase“ (2008-2018) Foto: © VG-Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Martin Eberle

Wenn das nur ein Häppchen ist, wie die Ankündigung von „Paint it all!“ es mit dem Hinweis, nur ein Teaser sein zu wollen, so bescheiden formuliert, und wenn das so weiterginge, alle paar Monate mit den farbgetränkten Häppchen in der Berlinischen Galerie, könnte mensch sich die nächsten Jahre ohne Probleme ausschließlich von Vorspeisen ernähren. Für die malereizentrierte Ausstellung präsentiert die Berlinische Galerie zehn Positionen aus ihrer Sammlung, viele der Werke werden zum ersten Mal im Haus gezeigt, so ganz nebenbei ist das Mitte Oktober gestartet, ohne viel Aufhebens und ohne Eröffnung.

Mit Christine Streulis „Warpainting_008“ (2016/2017) ist der Impetus „Alles Malen!“ direkt im All-over-Prinzip umgesetzt. Gerold Millers „Anlage 129“, scheint mit ihrem Entstehungsdatum im Jahr 1996 das Versprechen des Untertitels „Aktuelle Malerei aus Berlin“ zu unterlaufen, es geht hier aber nicht um Dekaden, sondern um Latenz: Wie Miller seinen beigen Lack gemeinsam mit dem dunkel-silber gebürsteten Stahlrahmen antreten lässt, der keinen Bildraum umrandet, sondern selbst Bildträger ist, der Träger des genüsslich herabfließenden Lackes nämlich, das deutet nicht nur auf eine sich selbst genügende Präsenz der Malfarbe hin, sondern auch auf eine unprätentiöse Wahl der Malmittel, die in der Ausstellung immer wieder so angenehm auffällt.

Im äußerst lebhaften zweiten Raum ist das zum Beispiel bei Tamina Amadyar der Fall. Sie trägt ihre semitransparenten Farbfelder, wie hier bei „blue world“ (2020), gern direkt auf die rohe Leinwand auf, die Überlappungen und sanften Komplementärkontraste (ja, so was gibt es!) kommen bei ihr wie immer daher, als handle es sich um die einfachste Geste der Welt. Vielleicht schafft sich die Berlinische Galerie ja demnächst dazu ihre neuesten Malereien in Wasserfarbe an, mit denen sie ins Figurative übergegangen ist und die dabei ebenso lässig in alle möglichen Richtungen auslaufen, denen die Farbsubstanz in dem Moment eben zu folgen gedenkt.

Paint it all! Aktuelle Malerei aus Berlin, Berlinische Galerie, Mi.–Mo. 10–18 Uhr, Di. geschlossen, bis 6. Februar 2023, Alte Jakobstr. 124–128

Auch Tatjana Doll, die 2021 in der BG mit dem Fred-Thieler-Preis für Malerei ausgezeichnet wurde, die unter anderem wieder ihr Gespür für Karosserien unter Beweis stellt, ist hier unerwartet materialnah anzutreffen: bis sich aus dem gigantischen „DUMMY_Dr Bruce Banner II“ (2014) überhaupt ein Hulk-nahes Gesicht formt, ist mensch schon längst eine halbe Stunde lang in den zart applizierten rosa und blauen Schichten und den dickflüssig darüber gleitenden grünen Lackmassen versunken, die hier über die Leinwand schwappen.

Außer Werken von Streuli, Miller, Amadyar und Doll sind außerdem Arbeiten von Philip Grözinger, Eberhard Havekost, Olaf Holzapfel, Zora Mann, Peter Stauss und Thomas Zipp zugegen. Was da wohl noch so alles an malerischen Überraschungen in der Sammlung der BG wohnt? Die Hoffnung liegt bereits jetzt in der Wiederholung der Aktion. Der Wunsch muss lauten: Alles zeigen! Show it all!

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