Ausstellungsempfehlung für Berlin: Am Knotenpunkt des Materials
Das 13. Design Lab im Kunstgewerbemuseum geht den Geschichten diverser Bau- und Designmaterialien auf den Grund. Befragt werden Werke aus der Sammlung.
Kalkbildung und Mineralisierung, Sedimentation und Handgeknüpftes. In den „Design Labs“ im Kunstgewerbemuseum erhält die Kategorie Process Art einen leicht anderen Twist. Die in der 13. Ausgabe „Material Legacies“ gezeigten Arbeiten von Designer:innen und Forscher:innen des Exzellenzclusters „Matters of Activity. Image Space Material“ an der Humboldt-Universität sind Work-in-Progress-Installationen. Sie entstanden beim Ausprobieren verschiedener Materialien und neuer Wirkweisen in Technik, Design und Architektur und zeigen Tests und Überlegungen, Gedankenprozesse, die vor allem in Richtung nachhaltiger Produktion und alternativer Wirtschaftsmodelle reichen.
In dem von Michaela Büsse und Emile De Visscher kuratierten 13. Design Lab, das auch die vorerst letzte Ausgabe der experimentellen Reihe ist, die Claudia Banz 2019 am Museum eröffnete, kommen Reflexionen zur Frage ethischer Geschichtsschreibung in der Materialforschung prominent zum Ausdruck. Vor allem in Bezug auf gestohlenes indigenes Wissen über bestimmte Materialien und Bauweisen, wie Kautschuk oder Bootsbau mit Rinde.
Angesichts der kolonialen Ausbeutungsgeschichte rund um Kautschuk sprechen Claudia Mareis, Helen Pinto, Emile de Visscher und Amanda Winberg dann auch von „Rubber Violence“, wie sie die Installation, die von einer Audiospur zu besagter Genealogie begleitet wird, genannt haben. Was hier am Beispiel der britischen Kolonialwirtschaft erzählt wird, lässt sich bis zur Ausbeutung kongolesischer Arbeiter durch den belgischen König Leopold II. verfolgen.
Design Lab #13: Material Legacies, Kunstgewerbemuseum, Di.–Fr. 10–18 Uhr, Sa.+So. 11–18 Uhr, bis 26. 2., Matthäikirchplatz; Deep Material Futures, Tagung, 16. 11., silent green, Gerichtstr. 35, Warteliste für Event vor Ort: moa.public.relations[at]hu-berlin.de; ab 10 Uhr Livestream über matters-of-activity.de
In der Ausstellung haben auch erneut Artefakte aus der Sammlung den Weg in die Präsentation gefunden. Im (englischsprachigen) Katalog, der auf der Website des Clusters zum Download zur Verfügung steht, geben die interdisziplinären Forschungsteams Auskunft über die Fragen, die sich mit Bezug zur Bildenden Kunst erst gestellt oder erweitert haben.
Absolut lesens- und sehenswert ist „Architectural Yarns“, ein Dialog von Iva Rešetar, Christiane Sauer, Josephine Shone und Maxie Schneider mit der textilen Arbeitsweise der rumänischen Künstlerin Ritzi Jacobi (1941–2022). Mit ihren Installationen und Tapisserien, von denen hier ein Werk aus der Sammlung präsent ist, schuf Jacobi mal weiche, mal widerborstige Reliefs voller Knoten und Sammelpunkte. Ein exzellenter Punkt der Verknüpfung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“