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Die Folgen der ErdbebenDie Bebenopfer sind meist Frauen

In Afghanistan behindert die frauenfeindliche Politik der Taliban die Hilfsmaßnahmen. Es gibt für die meist weiblichen Opfer zu wenig Ärztinnen.

Freiwillige suchen in den Trümmern in Herat in Afghanistan nach Opfern, 10. Oktober Foto: Ebrahim Noroozi/ap/dpa

Berlin taz | 90 Prozent der Opfer der schweren Erdbeben am Samstag und Donnerstag bei Herat in Nordwest-Afghanistan sind Frauen und Kinder, lauten neue Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Inzwischen geben offizielle Stellen der Taliban die Opferzahlen mit 2.445 Toten und 2.440 Verletzten an.

Darin sind aber noch nicht die Opfer der drei neuen, schweren Erdstöße von Donnerstag enthalten, die sich näher bei der Großstadt Herat ereigneten als die ersten Beben. Nach vorläufigen Zahlen kam dabei mindestens eine Person ums Leben, etwa 50 wurden verletzt.

Laut der afghanischen Onlineplattform Zan News (Frauennachrichten) stehen viele überlebende Frauen und Kinder unter Schock. Viele Schwangere hätten „wegen nervöser Schocks und mangelndem Zugang zu medizinischer Versorgung“ ihre ungeborenen Kinder verloren.

Laut dem Chef der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR, Fi­lippo Grandi, kommen die Zerstörungen „noch zu der sehr fragilen Situation der Frauen“ in Afghanistan hinzu.

Die taz hatte bereits am Donnerstag online berichtet, dass laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen vor allem Frauen mit ihren Kindern unter Trümmern begraben wurden, da sie sich aufgrund der Taliban-Politik, aber auch konservativer örtlicher Traditionen, nicht allein außerhalb der Häuser bewegen dürfen.

Ideologie ist den Taliban wichtiger als Hilfe

Inzwischen mehren sich Berichte, dass die frauenfeindliche Politik der Taliban direkt oder indirekt die Rettungs- und Hilfsmaßnahmen behindert. Demnach konnten nach dem ersten Beben Frauen im größten Krankenhaus von Herat nicht sofort von Ärzten behandelt werden, weil Taliban-Aufpasser auf strikte Geschlechtertrennung bestanden hätten, berichtete die im Exil herausgegebene oppositionelle Onlinezeitung Hascht-e Sobh unter Bezug auf lokale Quellen. Erst als die Opferzahl immer mehr anstieg, sei es zwei männlichen Ärzten erlaubt worden, in der Frauenstation zu arbeiten.

Orzala Nemat, frühere Leiterin des Forschungsinstituts AREU in Kabul und jetzt ebenfalls im Exil, schrieb in sozialen Medien, ihr lägen Berichte aus der Region Herat vor, dass es dort an weiblichen Nothelfern mangele. Umgekommene Frauen blieben deshalb entgegen der islamischen Tradition, die eine Beerdigung noch am Todestag vorsieht, bis zu drei Tagen unbestattet.

Das afghanische Onlineportal Nimroch berichtet, dass die Taliban Helferinnen und Journalistinnen nicht in das Katastrophengebiet reisen ließen und Interviews mit Betroffenen zensiert hätten. Eine Frauenrechtlerin aus Herat, die mit Mitstreiterinnen Hilfspakete nach Sindedschan im Epizentrum des ersten Bebens bringen wollte, sei an einem Taliban-Posten zurückgeschickt worden. Einer Journalistin, die aus dem Bebengebiet berichten wollte, habe man gesagt, sie solle ihre „männlichen Kollegen schicken“.

Taliban wollen die Kontrolle über die Opferzahlen behalten

Laut Hascht-e Sobh hat die Taliban-Behörde für Katastrophenmanagement Andma angeordnet, dass niemand ohne Koordination mit ihr im Bebengebiet Hilfe verteilen dürfe. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Andma es anderen Organisationen untersagt hat, eigene Opfer- und Schadenszahlen herauszugeben. Die Taliban selbst mussten am Sonntag ihre Zahlen korrigieren.

Laut dem Bericht eines Forscherkollektivs des Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam, in dem der afghanische Seismologe Najibullah Kakar mitarbeitet, waren beide Beben die ersten großen in dieser Region, seit ab etwa dem Jahr 1900 offizielle Daten vorliegen. Es gäbe auch keine historischen Belege für ähnlich verheerende Ereignisse in dieser Region aus vorherigen Jahrhunderten.

Insgesamt werden quer durch Afghanistan Spenden gesammelt, unter anderem im Südosten des Landes, der im Juni 2022 selbst von einem schweren Beben getroffen wurde.

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