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Die Deutschen und der „Heimat“-BegriffDas Fremde als Bedrohung

Der sehr deutsche Begriff „Heimat“ klingt harmlos. Doch progressiv besetzt werden kann er nicht. Seine Funktionsweise ist die der Ausgrenzung.

Die besonders Heimatverbundenen: Neonazi-Aufkleber an einem Fenster in Saalfeld-Gorndorf (Archivbild, 1998). Foto: imago/Christian Ditsch

Thüringer Heimatschutz – so nannte sich eine Neonazibande in den Neunzigerjahren, in der auch die späteren NSU-Terroristen aktiv waren; die NPD bezeichnete sich jahrelang als „die soziale Heimatpartei“; und auch andere Rechtsradikale nennen sich stolz „heimattreu“. In Dresden verkündeten Pegida-Anhänger bei ihren Demonstrationen auf Plakaten: „Heimatschutz statt Islamisierung!“ Und die in deutschnationalen Kreisen beliebte Band Frei.Wild textete, das „Heimatland“ sei das „Herzstück dieser Welt“, auf das „schon unsere Ahnen mächtig stolz“ gewesen seien: „Kurz gesagt, ich dulde keine Kritik an diesem heiligen Land, das unsere Heimat ist.“

Hinter diesen Verwendungen des Begriffs steht ein gemeinsames Verständnis von Heimat als einmalige und unveränderliche Identität und Herkunft. Heimat kann man sich demnach nicht aussuchen, vielmehr existiert eine schicksalhafte Verbindung zwischen dem Boden, einer starren Kultur sowie den Menschen, die dort geboren wurden.

Aus einer solchen Definition von Heimat lässt sich leicht die Ausgrenzung von zahlreichen Menschengruppen ableiten. Das neurechte Magazin Blaue Narzisse schrieb über Pegida und die Proteste „besorgter Bürger“ in Sachsen: „Jeder Fremde, jeder in einer unbekannten Sprache aufgefangene Wortfetzen führt vor Augen, wie unsere Heimat nie wieder sein wird.“ Vielleicht sei es diese „eigentümliche Melancholie“, die die Menschen auf die Straße bringe.

Das Fremde wird also als Bedrohung der Heimat definiert: Wer hier nicht geboren wurde, gehört nicht dazu. Dieses Denkmuster kann auch auf Religionen übertragen werden, etwa wenn die NPD „Heimatschutz statt Islamisierung“ propagiert.

Einwanderung als Bedrohung

Zum Feind wird auch, wer den Fetisch um die Heimat ablehnt: Kosmopolitische Ideen stehen im Gegensatz zum starren Heimatbegriff der Rechten. In der Blauen Narzisse hieß es etwa, derzeit stehe im Kern der „weitestgehend homogene Nationalstaat zur Debatte“. An dessen Stelle soll angeblich „ein Weltbürgerschaftsrecht treten, das es jedem Menschen erlaubt, dort zu wohnen, wo er es möchte“.

geboren 1974, arbeitet als Journalist in Hamburg, unter anderem als Nachrichtenredakteur beim ARD-„Nachtmagazin“. Er betreibt den Blog publikative.org, der sich mit der extremen Rechten in Deutschland beschäftigt.

Der Essay zum Heimatbegriff ist auch in der aktuellen Ausgabe (5/2015) der Zeitschrift Berliner Republik mit dem Schwerpunktthema „Neue Heimat“ erschienen.

Der neurechten Ideologie zufolge sind dadurch auch die gefährdet, die ihre Heimat gar nicht verlassen. So gehe es etwa in der Flüchtlingsfrage „nicht allein darum, wo fremde Menschen überall leben dürfen“, sondern „das Heimatloswerden der Fremden und unsere eigene Entwurzelung“ seien Themen, die zusammengehörten.

Einwanderung wird als Bedrohung dargestellt, weil dadurch das Prinzip der starren Verwurzelung von Mensch und Heimat aufgehoben werde. Daraus folgern die Neurechten: „Wir befinden uns also auf dem Weg in eine Gesellschaft, die unbegrenzte Flexibilität von jedem fordert. Niemand soll mehr eine Heimat haben.“ Nach dieser Logik gilt: Wer sich einmal von seiner Heimat löst, kann keine neue mehr finden.

Auch wer die Heimat kritisiert, wird nicht geduldet; Rechtsradikale skandieren gerne: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“ Der rechtsextreme „Heimatschutz“ fordert zudem, dass Menschen, die nicht zur imaginären Heimatgemeinschaft gehören, vertrieben werden sollen. Wie Heimat und die dazugehörige Ausgrenzung dabei definiert werden, bleibt zweitrangig: Es funktioniert über Blut und Boden – wie bei den Nazis –, über Raum oder auch über Kultur und Sprache, wie es bei der Neuen Rechten der Fall ist.

Ein diffuser Begriff

taz.am wochenende

Wenn die Massen auf die Straße gehen, können Regime fallen. Neue Hoffnung wächst. Und dann? Wir fragen Menschen aus der ehemaligen DDR, der Ukraine und Tunesien, was von ihrer Revolution geblieben ist. Die Titelgeschichte „Was bleibt von einer Revolution“ lesen Sie in der taz. am wochenende vom 7./8. November. Außerdem: Wer über Müll spricht, muss auch über Design reden. Eine Sachkunde der guten Verpackung. Und: Die schaffen das! Unsere KorrespondentInnen haben FlüchtlingshelferInnen besucht. Das und mehr gibt es am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Heimat, dieser Begriff ist umgangssprachlich zumeist positiv besetzt. Er klingt harmlos – und genau deswegen taucht er immer wieder auf, wenn sich Rechtsradikale moderat präsentieren wollen. In ihrer Definition vereint er die Grundannahmen aller rechten, völkischen Ideologien, wonach nicht das Individuum als frei handelndes Subjekt im Mittelpunkt steht, sondern eine angeblich abgeschlossene, homogene und schicksalhafte Gemeinschaft, der sich der einzelne Mensch unterzuordnen habe.

Aber was ist Heimat überhaupt? Der Begriff bleibt diffus. Seien es Erinnerungen an die Kindheit oder Jugend, Hinweise auf den eigenen Dialekt oder regionale kulturelle Eigenschaften: Heimat bietet vor allem eine Projektionsfläche für – häufig melancholische – Gefühle, ohne konkret werden zu müssen. „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl!“, sang Herbert Grönemeyer. Das trifft es wohl ganz gut.

Aber Gefühle sind nicht automatisch positiv, vor allem die Politik sollte sich nicht von ihnen leiten lassen. Zudem ist Heimat ein sehr deutsches Konzept: Weder findet sich ein Plural des Begriffs, noch gibt es in anderen Sprachen ein Äquivalent. Die englischen Wörter home oder homeland verfügen eben nicht über die mystische, ursprüngliche, naturverbundene und vorindustrielle Konnotation des deutschen Begriffs.

Heimat ist nicht zukunftsgewandt, sondern rückwärtsbezogen. Der Status des Heimatvertriebenen wird sogar über die Generationen weitergereicht. Den Begriff der „Neuen Heimat“ nutzten die Nazis für Wohnungsbaugesellschaften, um den Mythos der Heimat auch in neue Siedlungen zu verpflanzen. Dem rechten Heimatbegriff zufolge haben Menschen Wurzeln, die sie an einem Ort halten – und keine Beine, mit denen sie im Leben und in der Welt weiterkommen und sich verändern können.

Einfallstor für Antisemitismus

All dies zeigt: Bei Heimat geht es stets um vergangene Zeiten, um Erinnerungen und Gefühle. Viele Progressive betrachten das Konzept Heimat daher mit großer Skepsis. Der Psychoanalytiker Paul Parin merkte an: „Heimat dient dazu, Lücken auszufüllen, unerträgliche Traumata aufzufangen, seelische Brüche zu überbrücken, die Seele wieder ganz zu machen. Je schlimmer es um einen Menschen bestellt ist, je brüchiger sein Selbstgefühl ist, desto nötiger hat er oder sie Heimatgefühle, die wir darum eine Plombe für das Selbstgefühl nennen.“

Die Konstruktion von echter Bodenständigkeit und diffusen Heimatgefühlen als politischer Wert kann auch zum Einfallstor für Antisemitismus werden, nämlich wenn die natürliche Heimat, die schicksalhafte Verwurzelung des Menschen, als Gegenkonzept zu demjenigen aufgebaut wird, der überall in der Welt zu Hause ist: gegen den Kosmopoliten oder auch gegen das „ortlose Finanzkapital“, so wie es in der regressiven Kapitalismuskritik heißt. All diese Vorurteile gegen den Heimatlosen, den Kosmopolitischen und das „raffende Kapital“ sind bis heute vor allem im Antisemitismus heimisch.

„Sobald ‚der Mensch‘ darauf befragt wird, ob er Heimat braucht, rücken wir ihn in bedenkliche Nähe zu den postmodernen Suchern, Vermittlern und Kämpfern um Identität, mit der heute jede nationale, völkische oder sonst wie kollektive Abgrenzung oder Ausgrenzung legitimiert, jeder beliebige Herrschafts- und Machtanspruch begründet, schließlich jede mitmenschliche Solidarität infrage gestellt wird“, warnt Paul Parin.

Der Idee einer einzigen unveränderlichen Heimat widerspricht auch der Schriftsteller Klaus Theweleit, der anmerkte, dass mehrfache Identitäten „immer zu mehr Kompetenz“ führten. Das könne jeder bei sich selbst beobachten: „Ich bin ein Flüchtlingskind aus Ostpreußen und hatte dann meine neue, meine zweite schleswig-holsteinische Heimat – inklusive plattdüütsch schnacken. Als Jugendlicher wurde dann englische Beatmusik meine kulturelle Heimat. Ich kenne also mindestens drei verschiedene Heimaten.“

Ängste analysieren

Eine Diskussion darüber, wie das alte und sehr deutsche Konzept Heimat progressiv besetzt werden könnte, wie sie derzeit beispielsweise in der SPD geführt wird, löst kein einziges Problem. Sinnvoller wäre es zu erörtern, wie noch mehr Menschen in Verhältnissen leben können, in denen sie zu starken Individuen reifen, die sich ihrer selbst bewusst und offen gegenüber Neuem sind – und keine diffusen Gefühle benötigen, um sich notdürftig eine Identität zu konstruieren.

Ängste vor Fremden und Sehnsüchte nach Heimat in der Bevölkerung ernst zu nehmen bedeutet nicht, sie einfach zu legitimieren oder sich von ihnen leiten zu lassen, sondern zu analysieren, was deren Ursachen sind. Heimattümelei und Identitätsbildung durch Ausgrenzung sind in der Rechten beheimatet. In der Linken sollten hingegen praktische progressive Politik, Offenheit sowie die Bereitschaft, sich stets zu verändern, zu Hause sein.

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42 Kommentare

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  • Der Begriff Heimat mag wohl mehr oder weniger Emotions behaftet sein. Doch negativ finde ich diesen Begriff nicht. Es ist verachtenswert, dass dieser Begriff missbraucht wird, wie so viele andere Begriffe auch. Wieder einmal von der rechten Ecke.

    Mit Heimat verbinde ich persönlich ein trauriges Gefühl der Sehnsucht und des Verlustes.



    Meine Großeltern Väterlicher- und Mütterlicherseits sind Vertriebene. Mütterlicherseits aus Schlesien, Väterlicherseits aus dem Sudetenland. Väterlicherseits war dieses Gefühl nicht so stark, sie haben sich damit arrangiert und kamen mit der neuen Umgebung sehr gut klar.

    Meine Großmutter aus Schlesien jedoch hat ihr Schlesien sehr vermisst. Sie hat Gedichte, die sie noch wusste aufgeschrieben. Viel vom Riesengebirge und Rübezahl erzählt. Hörte sie ein Lied aus ihrer Heimat, sind ihr stille Tränen über die Wangen gelaufen. Nirgendwo fühlte sie sich Zuhause. Das hat mir eine Ahnung davon gegeben, was Heimat bedeutet. "Heimat ist dort, wo Dein Herz ist!" Ihr Herz ist in Schlesien geblieben.

    Aus diesem Verständnis heraus sehe ich dieses Heimatministerium paradox. Es sollte eher für die Flüchtlinge eingerichtet werden, damit sie sich gemeinsam an ihre alte Heimat erinnern können, bevor sie weg gebombt und zerstört wurde.

    So habe ich den Begriff Heimat verstanden.



    Sehe ich Deutschland als meine Heimat an? Nein. Sehe ich ein anderes Land als Heimat? Nein. Für mich ist Heimat dort, wo meine Familie ist. Das ist das Einzige, an was ich mich halten kann. Meine Großmutter hat mich sehr geprägt und da dieser Ort nicht mehr zugänglich ist, habe ich keine "örtliche" Heimat mehr.

  • Vielleicht, wenn man den Begriff 'Heimat' weniger aufblasen würde?

     

    Ein Beispiel

     

    Bei uns in Altona wird die Max-Brauer Allee grundsaniert.

     

    Die Max-Brauer Allee (Ringelnatz: Zwei Ameisen, 'In Altona auf der Chaussee taten ihnen die Beine weh')

    ist emblematisch für Altona.

    Der zum Rathaus umgebaute ehemalige Bahnhof (Klassizismus), das Amtsgericht, das Gymnasium Allee (beide Renaissance), das schlossartige ehemalige Allgemeine Krankenhaus (Hannoversche Schule), das Helenenstift (Neugotik) usw geben der Strasse ihren unverwechselbaren Charakter und verlängern zugleich in ihren wechselnden Nutzungen die lange Geschichte Altonas in die Gegenwart hinein.

     

    Bei der ersten sog. Bürgerbeteiligung anl. der Sanierung erhielt der Vorschlag eines Anwohners stehenden Applaus.

    Der baumbestandene 15-20m breite Mittelstreifen solle nicht mehr als Parkplatz genutz werden. Vielmehr solle er zum Gehweg bzw kleinem Park mit Außengastronomie umgestaltet werden. Damit würde die Max-Brauer Allee die beiden angrenzenden Viertel Altona-Altstadt und Altona Nord (Zeiseviertel) wieder verbinden statt zu trennen. Ihre soziale und integrative Leistungsfähigkeit als unverwechselbares Emblem für Altona als Heimat für seine schon immer aus vielen Ländern stammende Bewohnerschaft wäre enorm gesteigert.

     

    Dieser Vorschlag tauchte in den Planungen der Hamburger Behörden selbstredend nicht auf.

    Vielmehr wurde betont, dass die Leistungsfähigkeit einer Strasse in Kfz-Tag zu messen ist und davon (Max-Brauer Allee 17 000 Kfz/d) durch die Sanierung kein Abstrich gemacht werden dürfe.

    Auch der Vorhalt, das selbst rein verkehrstechnische Leistungsfähigkeit sich in beförderte Menschen/Tag (Raumeffizienz von Rad-, Fuß- und Busverkehr) zu messen sei, schließlich müssen Menschen zur Arbeit/zu Freunden/zur Schule etc und eben nicht Kfz und das von Seiten der Behörde eine Verwechslung von Belastung (Kfz/d) und Leistungsfähigkeit (beförderte Menschen/Tag) stattfinden würde, brachte kein Umdenken.

     

    Heimat ade.

  • 2 Punkte.

     

    1. Dass man meint einen Begriff positiv oder progressiv besetzen zu müssen löst bei mir schon Würgereiz aus. Ich will Begriffe, die etwas bedeuten und wie ich das bewerte ist eine andere Frage.

     

    2. Wenn man sich zur Verwendung eines Begriffs nur bei einer Handvoll stadtbekannten Rechtsextremen umsieht, dann findet man nur rechtsextremen Sprachgebrauch. Das dann für die Norm zu halten ist schon arg einseitig. Wer kann erwarten, da was positives zu finden? Aus dem Grunde wurde wohl nur bei den Rechten geschaut.

     

    Ich komme nicht aus Berlin aber wohne hier länger, als je sonstwo, habe mich an Berliner und Berlin gewöhnt und fühle mich auch einigermaßen heimisch. Wo ich als Kind groß wurde fühle ich mich auf andere Weise heimisch. Reflektierend sehe ich hier wie da Vor- und Nachteile.

     

    Die Idee, durch die Besetzung von Begriffen die Welt zu verändern - akrakadabra - Gehet hin in Frieden! - funktioniert seit Jahrtausenden nicht. Wir sollen jetzt ausschwärmen und jedem ins Wort fallen, der "Heimat" sagt, und mit kruden Neudefinitionen oder Ersatzvornahmen für Political Correctness sorgen?

     

    Danke, been there, done that.

     

    Mehr als Dogwhisteling kommt nicht bei rum, also dass sich die Teilnehmer und Gleichschrittsoldaten bestimmter Diskurse so gegenseitig erkennen und den Feind, mutmaßlich einen Nazi, viele Nazis, Nazis überall.

     

    Die Analyse, wie positiv besetzte Begriffe wie Heimat in ihrer ganzen Vagheit benutzt werden ist ja schön und gut. Aber zu meinen man könne aus einer Niesche heraus der Sprache etwas aufzwingen ist doch naiv. Wo hat das schon geklappt?

     

    Man will jetzt den Begriff madig machen, damit sich das Gold in den Händen der Rechten zu Scheiße verwandelt, worauf diese enttäuscht nach Hause gehen und wieder brav SPD wählen?

  • Ein sehr erhellender, aufgeklärter Beitrag von P. Gensing. Leider gehört "Heimat" zu den dumpfen, obskuren Begriffen, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten gerade auch im sich grün und alternativ verstehenden Bürgertum ausgebreitet haben. Diese Begriffe bilden eine Art von zähem Schleim, der Helligkeit, Offenheit, Klarheit, Licht wenn nicht verhindert, dann jedenfalls erschwert.

     

    Andere derartige Begriffe sind "Tradition", Ritual", "Spiritualität" und wahrscheinlich etliche mehr.

     

    Ich besuche übrigens gerne die Landschaft meiner Heimat und freue mich über die Modernisierungsprozesse, die ich dort sehen kann.

  • Wie schaffe ich es nur, dieses Land als Heimat zu lieben und ihm dennoch kritisch gegenüberzustehen? Es ist wohl das Wesen der Liebe, immer wieder liebevoll aber konsequent den Finger in Wunden zu legen und beharrlich zu insistieren, sich jedoch nicht zu entfernen. Wenn ein Elternteil auch nur aus einem anderen Bundesland stammt und man deshalb in der gesamten Kindheit und Jugendzeit Ausgrenzung, Hohn und Spott bis hin zur Beleidigung erfährt verspürt man Heimatlosigkeit. Sich dagegen zu wehren verbieten christliche Glaubensgebote. Als Kind glaubt man das alles, beisst die Zähne zusammen, schweigt und beichtet und büßt brav, wenn man sich gelegentlich mit den Fäusten Respekt verschafft hat. Aber dann teilen sich heute die Handlungsstränge in selbständig Handelnde und Althergebrachtes Nachvollziehende, die aus Fehlern vergangener Jahrzehnte nichts lernen wollten.

     

    Zivilisiertes Handeln ist in erster Linie sich immer an vergangene Fehler zu erinnern und zweitens vernünftige Lehren daraus zu ziehen: Ich habe gelitten und ich werde solches nie anderen antun. Ich werde tun was in meiner Kraft liegt, Ankommenden zu helfen hier Fuß zu fassen, also bei anderen Gleiches zu verhindern, denn wer andere verletzt (egal wie) der verletzt auch sich selbst. So kann man nicht über seine diffusen Ängste hinauswachsen.

     

    Und ich liebe meine Heimat. Die Hinzukommenden sollen auch lernen sie zu lieben, um mit ihr und den darin Lebenden ebenfalls gut umgehen zu wollen und zu können. Und das geht nur, wenn sie gut aufgenommen und behandelt werden.

     

    Sonst schüren die Verursacher auch gleichzeitig das, wovor sie sich fürchten.

  • "Wer hier nicht geboren wurde, gehört nicht dazu." Das halte ich leider für falsch. Es ist doch so, dass es egal ist, ob jemand in Deutschland geboren ist, akzentfrei die deutsche Sprache spricht und Schiller und Goethe daheim im Bücherregal hat. Wenn diese Person die falsche Hautfarbe oder zuviele Üs im Nachnamen hat, dann gehört sie nicht dazu. Und trotzdem ist für diese Personen Deutschland die Heimat, denn dort sind sie geboren, diese Sprache sprechen sie und die deutsche Kultur ist die ihrige. Vielleicht könnte so herum der Heimatbegriff, der in Deutschland tatsächlich vor allem in Rechtsnationalen Kontexten verwendet wird, dann doch progessiv verwendet werden.

  • Wer Gefühle intellektuell ergründen will scheitert meist.

     

    Archaisch betrachtet dürfte das Heimatgefühl dem Revierinstinkt ziemlich nahe kommen. Das Revier war damals überlebenswichtig und entsprechend aggressiv wurde es verteidigt.

     

    Nun ist der Mensch, als intelligentestes aller Tiere der Reflektion fähig, aber Gefühle sind oft übermächtig und die Reflektion muss geübt sein, sonst kommt sie gegen Gefühle nicht an.

     

    Vermutlich bin ich jetzt mal wieder intellektuell gescheitert... aber man macht sich eben so seinen Gedanken.

  • Geht es wirklich um Heimat? Das ist vielleicht ein bisschen zuviel politischer oder gesellschaftswissenschaftlicher Syllogismus. Heimat ist nicht rechts oder links, auch nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft.

    Es geht um Entfremdung. Wir finden uns in einer Gesellschaftsordnung wieder, die zwangsläufig auf Egoismus und Angst aufgebaut ist, entfremdet. Diese Entfremdung ist der Grund für die Ambivalenz von Begriffen wie Heimat. Eine Ambivalenz, die wir leugnen weil das Leugnen Teil dieser Ambivalenz ist. Eine Lüge mit der wir wunderbar leben, weil uns gar nichts anderes übrig bleibt. Egal ob rechts oder links.

    Mit Heimat an sich hat das wenig zu tun.

  • sehr deutsche..... ? Die Ösis haben das gute Stück sogar in ihrer Hymne. Es ist geradezu ein ur-österreichisches Wort-

    Heim.at

  • heimat - das ist ein gefühl, das mich erfasst, das wiederum ich selbst nicht fassen oder erfassen kann. jeglicher versuch einer definition bleibt vage und unvollkommen - darin liegt der etymologische reiz dieses begriffs.

    mein versuch der annäherung: heimat ist - literarisch - wo sich himmel und erde trifft, - religiös - allein bei gott, - politisch - wo sich nationalismus und patriotismus aufgegeben haben, - persönlich - wo ich zu hause bin.

    im englischen "home" findet sich jenes "om" des nada brahma, das joachim w. behrendt so anschaulich im "klang der welt" findet, der sich so definieren lässt: ein gefühl von freude, glückseligkeit, stille, frieden und tiefen erfüllung.

  • 3G
    3784 (Profil gelöscht)

    „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“

     

    Soviel mir bekannt ist, ist „Nachstellung“ (en: Stalking) auch in DE ein Straftatbestand, zum Schutz des Opfers. Wird Zeit, dass die ungefragte "Geliebte", da auch noch unwillig, diese Stalker zur Anzeige bringt.

     

    Da Wiederholungsgefahr besteht, wäre eine Untersuchungshaft (sog. Deeskalationshaft) angemessen. Es ist offensichtlich, dass diese Täter vor einer rechtskräftigen Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder ihre Straftat fortsetzen werden.

  • Teil2: Oft sind die Ursachen dafür die zwei Seiten der Medaille „Gewalterfahrung in der Kindheit oder in einer abhängigen Position. Auch welche Staatsform vorliegt hat damit zu tun, m.E. Das Solidarisieren mit den „Tätern“ ist schon aus Schulzeiten bekannt und dort schon zumeist erlernt, was eben aus Angst und Unsicherheit geschieht. Also beiden Seiten: Tätern und Opfern, liegen dieselben Ursachen zu Grunde. Die Erfahrungen von Gewalt in der Familie, wo das Kind sich nicht wehren kann/darf. Diese Wut oder eben Angst wird dann mit in die Schule genommen. Kinder mit einem „guten Familienmodell ohne Gewalterfahrungen, sind weder für die Solidarisierung mit Tätern noch für die Unterdrückung von Opfern so empfänglich. Diese Zusammenhänge zu verstehen muss nicht bedeuten sie einfach so hinzunehmen, das sehe ich auch so, sondern, wie in diesem Artikel beschrieben, die Ursachen zu beheben, auf allen Seiten. Also auch bei den traumatisierten Geflüchteten sowie bei den hier Aufgewachsenen.( Ich zähle zu den schlimmen Erfahrungen: Gewalt in Form von körperlicher Züchtigung, sexuelle Gewalt, Unterdrückung, Vernachlässigung, Beschneidung )

  • Teil1: Dieser Artikel spricht viele Sachen an, die ich teile. Ich gehe auch davon aus, dass traumatisierte Menschen kein inneres zu Hause haben, keine innere Heimat sozusagen und dass sie diese deshalb im Außen suchen und deshalb empfänglich sind für radikale Gruppierungen, in alle möglichen Richtungen, auch z.B. in Religionen, so lange sie sich dessen nicht bewusst sind. So lange sie nicht lernen, sich selbst mit ihren schlimmen Erfahrungen anzunehmen und negative Selbstwahrnehmungen durch positive zu ersetzen, wohlwollender mit sich umzugehen durch Therapie. Ich erkläre mir sogar die Entstehung von Kriegen so. Das hat meines Erachtens mit dem Prozess des Abspaltens zu tun, zumeist schon entstanden in der Kindheit. Eine massive Entfremdung von sich selbst. Oft geht damit sogar eine Identifizierung mit Tätern einher (Täter/Opfer-Identifizierung ) und sogar eine Glorifizierung von Tätern, weil sie als stark empfunden werden.

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @streitbar:

      Mal abgesehen davon, dass ihr Kommentar einigermaßen beleidigend ist für Menschen, denen im Leben (schwer) traumatisierende Dinge widerfahren sind (zumindest klingt er sehr nach der Unterstellung, dass diese Menschen stumpfsinnig der nächstbesten Erlöserfigur nachlaufen), bin ich der Meinung, dass Sie in einigen Punkten schwer danebenliegen. Oft sind es gerade traumatisierte Menschen (und ich schließe diejenigen mit ein, die sich trotz therapeutischer Hilfe kein 'inneres zu Hause' schaffen konnten), die ein sehr feines Gespür für Ungerechtigkeiten aller Art haben und ausgesprochen mitfühlend sind (und somit auch nicht dazu neigen, sich mit Tätern zu identifizieren oder diesen nachzulaufen).

      Der alltägliche Wahnsinn, der teils so alltäglich ist, dass ihn kaum noch jemand wahrnimmt, wird von der breiten Mehrheit der Gesellschaft geschaffen, nicht von denjenigen, die im klinischen Sinne psychisch krank sind.

      • @628 (Profil gelöscht):

        Ja , Sie haben auch Recht mit Ihren Einwendungen. Ich habe nur einen Teilausschnitt formuliert ohne den Anspruch der Vollkommenheit der mögliche Auswirkungen von Traumatisierungen. Es gibt unendlich viele. Es hat vielleicht auch vielmehr mit der Fähigkeit zur Selbstkritik zu tun und damit wieder auch mit Bildung und dem Verstehen psychologischer Abläufe. Es ist auch wichtig, in welcher Umgebung ein Mensch aufgewachsen ist. Wenn es normal ist, wenn Frauen geschlagen werden, in bestimmten Gesllschaftsstrukturen, dann wird es weniger in Frage gestellt und es stellt sich das Gefühl ein, als ob das normal wäre.

        Es stimmt auch, dass ein Teil eine besondere Sensibilität entwickelt, die zumeist aber kaum ernst genommen wird, was aber wichtig wäre, da bin ich ganz bei Ihnen.

  • Wie einfach man es sich doch machen kann: Das Wort wird von den Rechten missbraucht, daher verzichten wir darauf - wohlgemerkt, auf das Wort *und* den Inhalt.

    Mehr noch, wir leugnen dessen Existenz, und stellen unter Generalverdacht, wer es gebraucht.

    Traurig.

    Der wohl traurigste Teil meiner Heimat: Dass sie es nicht nur zulässt, vereinnamt zu werden von den Rechten, den Ängstlichen und Besorgten, sondern darüber hinaus von denen, die sie hätten erobern, erleben, leben und entwickeln sollen, von den "Progressiven" oder auch "Linken" so einfach eben diesen Rechten überlassen, geradezu angeboten wird - und mit dem Stempel "Nicht meins" (also: fremd und bedrohlich) versehen wird.

     

    Und dann muss diese "Linke", müssen diese "Progressiven" in Ermangelung eines positiven Begriffes eben die "Zugereisten" im Zaum halten, indem deren Kultur und Herkunft niedergeredet wird, wie es den Schwaben (heimatlos?) in Berlin geht: Nur, dass anstelle von "Überfremdung" als Schlagwort von den korrekten Bezeichnungen für Brötchen, Semmeln, Weckla oder Schrippen gefaselt wird oder vom "Kiez" und der Urheberschaft der Currywurst.

     

    Mal sachlich betrachtet ist "Heimat" ganz ähnlich wie "Familie": Man kann sich das nicht aussuchen. Und man kann es nicht ändern, nicht ablegen.

    Aber man kann damit umgehen, auf ganz verschiedene Weisen.

    Wer aber "Heimat" leugnet, der wird eines nie erreichen: Dass diese Heimat sich verändert. Los wird man sie damit nicht, aber man kann herrlich schwermütig an der Theke über die Schrecken schwadronieren, die "dort" lauerten - auch ein Heimatgefühlsmissbrauch

  • Zuviel akademischer Firlefanz hier im Kommentar.

  • Heimat, was soll das sein? Es ist, wo ich wohne, mehr nicht. Alles darüber hinaus ist romatisierender Kitsch, so irrational wie Religion und noch dazu gefährlich.

  • "das „ortlose Finanzkapital“, so wie es in der regressiven Kapitalismuskritik heißt. All diese Vorurteile gegen den Heimatlosen, den Kosmopolitischen und das „raffende Kapital“ sind bis heute vor allem im Antisemitismus heimisch.".

    ==> siehe bauerproteste unf attac positionen in frankreich. Ich glaube nicht, dass diese antisemitisch sind

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    @Jarosław Majchrzyk

    Ich glaube, das Problem der Deutschen ist, dass es gar keine Deutschen gibt.

     

    Genau deshalb ist "Heimat" in den "deutschen Ländern" auch seit jeher so wichtig. Heimat ist zunächst lokal oder regional und man nimmt sie mit (so man das Glück hat, eine zu haben) und erschließt sich durch sie die Welt, in die man aufbricht.

     

    Heimat ist wie Mutterliebe und Vatergüte universell in ihrer Sehnsucht, aber nicht jedem vergönnt.

     

    All jene, die sich eine "Heimat" konstruieren müssen, werfen in die Worthülse ihre Sehnsüchte. Aber das hat ebensowenig etwas mit dem Begriff noch zu tun, wie der neuerdings grelle Rekurs auf den Respekt, den man glaubt einfordern zu können, statt ihn sich zu verdienen.

     

    Heimat, gleich ob materiell oder spirituell verstanden, ist die Bedingung der Möglichkeit, ein Ich erst zu werden. An ihr scheiden sich all jene, die am Ersatz sich ergötzen, egal ob sie ihre Leere durch Springerstiefel oder Laptops - und in beiden Fällen durch hohles Gerede - zu cachieren suchen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      Der Begriff "Heimat" ist beileibe kein spezifisch deutscher. Als Fleckchen Erde, das einem die fast Proust'schen Erinnerungen und Gefühle mit auf den Weg gibt, ist es nicht jedem vergönnt aber sicherlich überall auf der Welt zu finden.

      Für ein Irrtum halte ich allerdings, dass einem immer nur eine Heimat vergönnt ist. Daraus folgt oft die exkludierende Besetzung des Begriffs.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Tja, wenn sie uns nicht mit auf den Weg gegeben wird, müssen wir sie halt unterwegs suchen, die Heimat. Als Abkömmling niederschlesischer Flüchtlinge, durch Umzüge "lokal" nicht vollends sesshaft geworden und durch einige Auslandserfahrung, kenne ich zwar gut das Gefühl von "Heimat in der Fremde" (aber auch das Gefühl von Fremde dort, wo ich wohne - was laut einem gewissen Horst weiter oben zureichend ist, um von Heimat nicht - und zugleich doch - zu reden), welches das nie Gehabte gleichsam utopisch auflädt und ebensowenig ohne Idealisierung auskommt wie die gewöhnliche Heimat auch. Diese fremde Heimat hat mittlerweile einige inländische und ausländische Gesichter, sodass ich von Heimaten in der Fremde sprechen würde, also von mehren Orten, an dem ein Gefühl des Angekommenseins sich einstellt. So wie Liebe nicht nur einem Menschen gilt, wenn sie wahr sein will, so wird das wohl auch mit der Heimat sein...

  • Könnte man Heimat mit dem Wort identitätsstiftende Lebensräume ersetzen? Lange gewachsene Städte und Landschaften sind Menschen gemacht. Darin leben wir mehr oder weniger geborgen. Zu diesen Lebensräumen tragen wir Sorge und sind wir gezwungen, Konsens zu finden für deren Erhalt und weiter Entwicklung. Sind das Aspekte von Heimat?

  • Das mit dem Heimatbegriff ist wirklich so eine Sache. Machen Sie mal eine Umfrage, was der Normalbürger ganz persönlich unter seiner Heimat versteht und Sie werden stauen. Heimat für die Mehrzahl der Deutschen ist dort wo man wohnt (Sachsen, Bayern, ...), wo man Freunde hat, dort wo man sich wohl fühlt, ... Heimat ist für die große Mehrheit der Deutschen ein Gefühls- und nur zweitrangig ein Ortsbegriff. Was also ist Heimat?

  • es ist traurig, dass man glaubt, Urgefühle jedes Menschen jetzt auch noch negativ besetzen zu müssen. Immerhin heißt es doch auch von den Flüchtlingen immer: "niemand verlässt freiwillig seine Heimat, der das nicht unbedingt muss."

     

    Heimat ist einfach ein Ort, den man kennt, an dem man aufgewachsen ist, wo man sich sicher fühlt, auch die unausgesprochenen Codes zu verstehen. Etwas zutiefst Menschliches.

     

    Ich will kein Ideal des gefühllosen Robotermenschen, der nur funktioniert, wie es irgendwelchen Theoretikern gefällt. Wobei ja noch die Frage offen wäre, welche politische Richtung die Programmierung übernehmen darf.

  • Der Begriff "Heimat" kann durchaus auch progressiv besetzt sein, wie man an der Kölner "AG Arsch huh - Zäng ussenander" sieht. Dafür ist die Heimatsprache "Kölsch" ein Beweis - und auch die CD "Heimatklänge", welche die AG Arsch huh 2002 gerade gegen Fremdenfeindlichkeit veröffentlichte.

    • @Michael Heinen-Anders:

      Gerade das wage ich entschieden zu bezweifeln. Wie es auch der "Heimathirsch" Jürgen Becker unlängst mutigerweise beim Treffen der "AG Arsch Huh" zur Sprache brachte, ist es fraglich, ob ausgerechnet das permanente demonstrative Abfeiern kölscher Bierseeligkeit ein geeignetes Mittel ist, sich gegen Faschos zur Wehr zu setzen. Verglichen mit den teils angestaubten Volksgemeinschaftsfantasien von Nazis wirkt der (kölsche) Lokalpatriotismus harmlos, doch die

      Funktionsweise ist die gleiche: Auch hier wird durch den Appell an "diffuse Gefühle" Identitätsbildung und Exklusion betrieben.

       

      "Schunkeln gegen Rechts" ist ne schlechte Idee und "Kölsch-Blood"-T-Shirts sind wahrlich kein Ausdruck von Antifaschismus. Spätestens seit Auschwitz sollte jedem Jeck bewußt sein, daß "et" eben nicht "noch immer jot jejange hät".

  • Zitat aus dem Artikel:

     

    "(...) Die englischen Wörter home oder homeland verfügen eben nicht über die mystische, ursprüngliche, naturverbundene und vorindustrielle Konnotation des deutschen Begriffs. (...)"

     

    ___

     

    Naja, es gibt ja Literaturwissenschaftler wie Stephen Shapiro, die meinen, J.R.R. Tolkiens "Auenland", jene heile Welt und Heimat der Hobbits, sei eigentlich die englischen Midlands und die "Orks" die Fremden anderer Kulturen, welche zu Tolkiens Lebzeiten bereits begannen, aus den damaligen britischen Kolonien ins Mutterland zu strömen und die Idylle der Midlands/des Auenlands zu bedrohen.

     

    Siehe:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25990835.html

     

    So GANZ fremd scheint also Briten die Idee der "Heimat" auch nicht zu sein.

  • Für mich gibt es keine Frage, daß Tucholsky die Definition von Heimat am besten beantwortet hat. Man sollte aber den Heimatbegriff nicht mit persönlichen Vorlieben wie der Musik verwechseln.

     

    Ich unterscheide gewöhnlich zwischen Nationalismus, Patriotismus und Heimatliebe. Nationalismus ist mir zuwider, Patriotismus etwas suspekt, aber mit Heimatliebe kann ich mich anfreunden.

     

    Dabei ist es wichtig, daß sich mit dieser Heimatliebe ein Identifikationsobjekt (oder mehrere) verbindet, das aus der eigenen Persönlichkeit heraus erwächst. Traditionen und Gebräuche der Heimat sind ein Beispiel, andere kulturelle Überlieferungen oder Religion (nicht unbedingt die christliche). Es wäre anzuraten, wenn man sich mit der Geschichte seines Landes und der engeren Heimat auseinandersetzt und sich mit seinen Ahnen identifiziert. Selbst wenn sie schon vor 2000 Jahren gelebt haben, ist dies doch in der Menschheitsgeschichte nur ein Wimpernschlag.

     

    Ein totaler Holzweg ist es, wenn man sich von fremdbestimmten und gesteuerten Identifikationen leiten und verführen läßt. In der oder von der emotional befeuerten Masse kann man sich nur verlieren und läßt sich manipulieren. Ein Mensch mit Selbstbewußtsein und Rückgrat geht seinen eigenen bewußten, durchdachten und kritisch gewählten Weg. Ein eigenständiger Bürger käme nicht im Traum auf die Idee, sich rechtsradikalen, nationalistischen oder rassistischen Bewegungen anzuschließen!

     

    Als Vorbild für nicht nationalistisch angehauchte Heimatliebe gelten mir z. B. die Schotten und Iren. Sie haben ein Geschichtsbewußtsein, sie besitzen eine keltische Identität, sie sind eigene Charaktäre und verfügen über eine eigenständige Kultur, lieben ihre Heimat mit all ihrer natürlichen Schönheit und können all dies auch noch besingen.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Ein Freund vom Balkan hat mir erklärt »Das Problem der Deutschen ist mangelnde Eigenliebe, wer sich sebst nicht liebt, kann auch keinen anderen lieben«."

     

    Ist das möglich: keine Eigenliebe und sich trotzdem für den Größten halten?

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Das wird von vielen Zugezogenen so wahr genommen, insbesondere wenn sie ins eher linke Millieu geraten. Dort gibt es allerdings auch einen quasi "unreflektierten, linken Nationalismus", der z.B. darin besteht, sich allen unterentwickelt heimatliebenden Völkern geistig überlegen zu fühlen.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @jan ü.:

        Auch Zugezogene, die ins "eher linke Milieu geraten" sind zur selbständigen Meinungsbildung und Differenzierung fähig.

         

        BTW, ist der rechte Nationalismus reflektiert?

        • @10236 (Profil gelöscht):

          1. Aber natürlich, es gibt auch wahrscheinlich genausoviel Korinthenkacker darunter wie unter den "Urdeutschen"

           

          2. Du verstehst doch wie ich das meine, der Linke ist oder argumentiert sozusagen versehentlich nationalistisch.

  • Wenn Herr Theweleit von seinen "drei Heimaten" spricht, dann widerlegt er die simplen Grundannahmen auf die der Autor seine ganze Argumentation aufbaut. Es gibt also doch einen Plural des Wortes "Heimat" und viele Menschen haben mehrere Heimaten. Warum sollte man den Begriff der Heimat den Rechten überlassen? Man kann ihn durchaus auch progressiv umdefinieren. Heimat ist , wo man sich zuhause fühlt, wo man sich zugehörig fühlt. Das muss jedoch nicht unbedingt das Geburtsland sein. Und die Anwesenheit von Menschen aus anderen Kulturkreisen kann durchaus auch als Bereicherung der Heimat empfunden werden.

  • Ich sehe das so: Da reißt sich ein Heinmatloser das Herz aus dem Leib und will uns weismachen, wir müssten das auch tun.

    Marin Korol, Bremen

  • Guter Text, ich sollte hier wohl doch wieder öfter vorbeisehen.

  • "Die englischen Wörter home oder homeland verfügen eben nicht über die mystische, ursprüngliche, naturverbundene und vorindustrielle Konnotation des deutschen Begriffs."

     

    Ich darf Ihnen englische Gedichte wie bspw. "Home" von Anne Brontë ans Herz legen. Würde mich interessieren, inwieweit das nicht auch mystisch, ursprünglich, naturverbunden und vorindustriell sein soll.

  • Tucholsky hat alles dazu gesagt was es dazu zu sagen gibt: "Im Patriotismus lassen wir uns von jedem übertreffen – wir fühlen international. In der Heimatliebe von niemand – nicht einmal von jenen, auf deren Namen das Land grundbuchlich eingetragen ist. Unser ist es. Und so widerwärtig mir jene sind, die – umgekehrte Nationalisten – nun überhaupt nichts mehr Gutes an diesem Lande lassen, kein gutes Haar, keinen Wald, keinen Himmel, keine Welle – so scharf verwahren wir uns dagegen, nun etwa ins Vaterländische umzufallen. Wir pfeifen auf die Fahnen – aber wir lieben dieses Land. Und so wie die nationalen Verbände über die Wege trommeln – mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir, wir, die wir hier geboren sind, wir, die wir besser deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel – mit genau demselben Recht nehmen wir Fluß und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Lichtung und Wiese: es ist unser Land. […] Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität und ohne gezücktes Schwert – die stille Liebe zu unserer Heimat.“ [Kurt Tucholsky: Heimat]

  • Der Autor sollte mal einen Vortrag unter Flüchtlingen darüber halten, das Heimat eigentlich keinen Wert besitzt. Diese Infragestellung ganz natürlicher Identitätsgefühle ist eine dumme, altlinke, ziemlich deutsche Krankheit, die vielen Zuwanderern richtig unheimlich ist. Heimat muss man gar nicht definieren, man fühlt sie oder man fühlt sie nicht. Und das Schöne ist, Menschen mit einem starken Heimatsbezug können diesen problemlos teilen, das nennt man dann echte Willkommenskultur und nicht nur theoretische Solidarität. Ein Freund vom Balkan hat mir erklärt »Das Problem der Deutschen ist mangelnde Eigenliebe, wer sich sebst nicht liebt, kann auch keinen anderen lieben«.

    • @jan ü.:

      Dem kann ich nur zustimmen. Dieser dt. "Selbsthass" unter den "Progressiven" und "Linken" ist mir sehr diffus. Was ist daran fortschrittlich seine "Wurzeln" zu leugnen, bzw. nicht dazu zu stehen.

       

      Ich finde diese entwurzelte, abgehobene, fast schon arrogante Haltung vieler Universitätsmücken zum kotzen. Und das fragwürdige ist ja, dass diejenigen, die selbst keinen Heimatsbezug mehr kennen (keinen Dialekt, keine traditionelle Oma's Küche), kaum ihr soziales Mileu verlassen, ihre Komfortzone.

       

      Selbst habe ich die "Heimat" in weiter Ferne kennen und schätzen gelernt, ob von Schottland oder jetzt Griechenland aus, und das fast schon über ein Jahrzent als "Exilschwabe". Jetz' hab' i mi au' no' im scheiß Hochdeutschen quälen müssen, weil sonscht isch des ja mit der Verständigung so 'a Sach' - Haidablitz!

       

      Liebe Grüße an die gespaltene Heimat,

      zerfleischt's eis net, gell^^

       

      Pfeift auf die hochdeutsch-schwätzenden und tintenklecksenden Heimatlosen!

       

      A glois Späßle darf doch wohl no' erlaubt sei, in der ach-so-ernschten taz-Audienz, in diesen miesen Säkula!

  • ein außergewöhnlich nachdenklich-reflektierter Artikel, der sich von der üblichen TAZ Hetze sehr positiv abhebt.

    Sollte sich das so wiederholen, wird man tatsächlich nicht umhin können, für TAZ Inhalte zu zahlen.

    • @ausDemMaschinenraum:

      Hmm, leider teilweise schlecht recherchiert und mit den üblichen Mängeln, was das "Konzept Heimat" und dessen Alter angeht. Bis zur 2. Hälfte des 19.ten Jahrhunderts war "Heimat" ein eher technischer Begriff. Interessant ist, wie der Wandel des Begriffes parallel zur Bevölkerungsexplosion und Industrialisierung erfolgt. Quasi durch den massenhaften Verlust der "Heimat" im ursprünglichen , immer auch mit Versorgung einhergehenden Sinne, entsteht diese Überhöhung des Begriffes und das Überladen mit Sehnsucht und Romantik. Es ist eben nicht Brontes Zuhause, mit dem das zu vergleichen wäre.