Die CSU vor der Entscheidung: Kabale und Liebe
Der Machtkampf zwischen Seehofer und Söder geht in die Schlussrunde. Am Montag will die CSU-Landtagsfraktion den neuen Regierungschef bestimmen.
Doch dann platzte am Abend eine neue Meldung herein: Joachim Herrmann will gegen Söder an. Das zumindest wollten Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur unabhängig voneinander erfahren haben. Bestätigen wollte Herrmann die Meldung nicht.
Von der viel bemühten Vokabel des Showdowns sollte sich der mit CSU-Ritualen weniger vertraute Nichtbayer aber ohnehin nicht in die Irre führen lassen. Hier darf man sich nicht das offene Duell nach Western-Manier vorstellen. Zu den Gepflogenheiten der CSU gehören andere „Kampftechniken“. Mal lässt man sich von Brutus inspirieren, mal von asiatischer Kampfkunst: Die hohe Kunst besteht dann darin, den anderen ins Leere laufen zu lassen, unbedingt den direkten Kontakt zu vermeiden. Und natürlich: immer lächeln!
Wer eine Chance haben will, muss während des Kampfes fortwährend die „legendäre Geschlossenheit“ der Partei loben. In Sachen Harmoniebeschwörung liegt aktuell Markus Söder vorn, der behauptete in einem Fernsehinterview sogar, es gebe keine Lager in der CSU. In der Kunst, den Gegner ins Leere laufen zu lassen, darin versteht sich hingegen Horst Seehofer am besten.
Einen Spitzenkandidaten küren
Nun war es das nicht-existente Söder-Lager, das mit Blick auf den nächsten Montag wieder das Heft in die Hand bekommen wollte. Für 8 Uhr wurde daher eine Sondersitzung der CSU-Landtagsfraktion anberaumt – eine Runde, die Seehofer zum überwiegenden Teil nicht gerade freundlich gesinnt ist. „Dann werden wir entscheiden und vermutlich einen Kandidaten, einen Spitzenkandidaten küren für das Amt des Ministerpräsidenten, den wir der Partei vorschlagen werden“, sagte Fraktionschef Thomas Kreuzer am Mittwoch.
Zuvor werde Seehofer in der Fraktion noch eine Erklärung abgeben. Und überhaupt sei dieses Verfahren im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten entschieden worden. Harmonisch, wie das bei der CSU so üblich ist. Ein Schelm, wer vermutet, der frühe Sitzungstermin könne damit zusammenhängen, dass man der Vorstandssitzung um 11 Uhr zuvorkommen wollte. Landtagsabgeordnete sind eben Frühaufsteher.
In der Fraktion ist unbekannt, was Seehofer ankündigen wird. Und wer Seehofer kennt, schließt nicht aus, dass es auch ihm selbst noch unbekannt ist. Während am Mittwoch noch viele davon ausgingen, dass allein Söder für die Spitzenkandidatur vorgeschlagen würde, geht man inzwischen schon wieder von einer Kampfabstimmung aus. In diesem Fall könnte der zuständige Parteitag, der anderthalb Wochen später zusammentritt, erneut über die abstimmen. Dabei könnte auch der unterlegene Kandidat, also etwa Herrmann antreten.
Unsicherheitsfaktor Seehofer
Für den Fall, dass Seehofer die Spitzenkandidatur abtritt, bleibt zweierlei noch immer offen: zum einen, ob Seehofer dann als Ministerpräsident zurücktreten und Söder sofort den Posten überlassen würde, zum anderen aber auch, wie es an der Spitze der Partei weitergeht: Seehofer hatte ursprünglich angekündigt, beim Parteitag wieder als CSU-Chef anzutreten, aber auch hier werden Überraschungen nicht ausgeschlossen. Als potenzielle Nachfolger werden vor allem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sowie der Europapolitiker Manfred Weber genannt. Mitunter fällt auch hier der Name Herrmann.
Der größte Unsicherheitsfaktor in allen Gedankenspielen heißt wie immer: Seehofer. Der Nochregent überlässt nur ungern anderen in der Partei die Regie. So ist auch denkbar, dass er seinerseits versuchen wird, der Fraktionssitzung mit einer eigenen Erklärung am Wochenende zuvorzukommen. Am Wochenende soll sich auch erstmals das von Seehofer eingesetzte Dreiergespann aus CSU-Vize Barbara Stamm und den beiden Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel mit Seehofer treffen und Vorschläge zur personellen Zukunft der CSU machen.
Sollte es auf Söder hinauslaufen, müsste dieser natürlich auch bereit sein, die Spitzenkandidatur in der derzeitigen Lage der CSU zu übernehmen und dafür möglichst auf den Parteivorsitz zu verzichten. Auch wenn kaum jemand an Söders Ambitionen zweifelt, hat der Franke seinen Hut noch nicht offiziell in den Ring geworfen. Er strebe eine einvernehmliche Lösung an, ließ er verlauten. Was ja in einer so harmonieversessenen Partei wie der CSU auch möglich sein sollte.
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