Dialog zwischen Juden und Muslimen: Einfach ein bisschen leiser
Viele Juden und Muslime streiten über den islamischen Gebetsruf. Zwei kleine Nachbargemeinden aber setzen einfach auf Rücksicht.
Als schlicht überflüssig empfinden dagegen die Nachbargemeinden Beit Safafa und Gilo den Reformvorschlag. Im Dialog miteinander einigten sich Muslime und Juden friedlich und ganz ohne Zutun der Politiker. Ofer Ajubi, Verwaltungsdirektor von Gilo, rief in Beit Safafa an, als ihn der Ruf des Muezzins erneut um den Schlaf brachte.
„Könnt Ihr das nicht unter euch regeln“, soll ihm ein Polizist geraten haben. „Und so haben wir es dann gemacht“, berichtet Mohammed Alajan, Gemeindevorsteher von Beit Safafa. Schon im Koran stehe geschrieben, dass Muslime ihre Nachbarn respektieren sollen. Trotzdem könne man nicht komplett auf den Muezzin verzichten, schließlich ginge es hier um den Ruf zum Gebet, und „der kommt von Gott“. Aber den Lautstärkeregler ein wenig runterdrehen? Darüber ließe sich reden.
Andächtiges „Allahu akbar“
Seit 1962, als Beit Safafa Strom bekam, ruft der Muezzin die Muslime über Lautsprecher zum Gebet. Insgesamt fünf Moscheen gibt es in dem Stadtviertel. Taufik Alajan, ein Vetter des Gemeindechefs, steht am Mikrofon der Al-Rahman-Moschee und singt andächtig die Worte „Allahu akbar“ („Gott ist groß“). In seinem Ermessen liegt es, wie laut der Ruf über die Häuser schallt. „Es dauert nur drei Minuten“, sagt er und wundert sich über die Aufregung.
Vor allem nachts sollen die Nachbarn in Gilo verschont werden. „Früher ging das um vier Uhr morgens schon los“, erinnert sich Ajubi, der bewusst behutsam gehandelt habe. „Sobald es um Religion geht, liegen die Nerven blank.“ Gerade deshalb lehne er eine gesetzliche Regelung strikt ab. Vorschriften und Strafen würden den Konflikt nur verschlimmern. Hier sei „eine Lösung auf lokaler Ebene“ angebracht, und „Mohammed hat verstanden, dass der Lärm nervt“.
Gilo liegt in Ostjerusalem und ist aus palästinensischer Sicht eine Siedlung. Formal gehört es genau wie das muslimisch-christliche Beit Safafa zur Stadt Jerusalem. Anfangs erwog man im Rathaus, Messgeräte für die Dezibel an den Moscheen anzubringen. Der nun erreichte Kompromiss sieht hingegen kleinere Lautsprecher vor, die gezielt auf die Häuser der Muslime gerichtet werden.
Der Staat unterstützt das Pilotprojekt, doch vorläufig reichen die öffentlichen Gelder für die Ausstattung von nur zwei Moscheen. Perfekt klappt es noch nicht mit der Rücksicht auf die jüdischen Nachbarn. Ausgerechnet am Jom Kippur, dem heiligen Versöhnungstag, an dem fromme Juden fasten und beten, habe der Muezzin in Beit Safafa „sechs Stunden hintereinander“ über die Lautsprecher gesungen. „Wir können die Lautstärke nicht kontrollieren“, sagt Ajubi, der auf die rasche Finanzierung der kleineren Lautsprecher drängt. Umgerechnet rund 10.000 Euro pro Moschee seien nötig, um das Problem zu lösen.
Provokation an Jom Kippur
Jogevs Gesetzreform würde den Staat ohne Zweifel billiger kommen. Landesweit gibt es rund 400 Moscheen, wobei nicht alle so dicht an von Juden bewohnten Häusern stehen, dass sie problematisch sind. In der Knesset zeichnet sich eine Mehrheit für die Gesetzesinitiative ab. Laut Version der Siedlerpartei, müssten die Lautsprecher der Muezzins komplett abgeschafft werden. Wahrscheinlich ist indes eine derzeit diskutierte mildere Fassung, die nur nachts den Einsatz von Lautsprechern verbietet. Bei einem Verstoß würden die Moscheen mit umgerechnet bis zu 2.500 Euro Bußgeld belangt werden können.
Kritiker halten jedoch gerade die milde Version für diskriminierend, da sie die Sirenen ausschließt, die in ultraorthodoxen jüdischen Gemeinden am frühen Freitagabend den Beginn des Sabbat einläuten.
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