„Deutschlandkoalition“ in Sachsen-Anhalt: Ein Aufbruch ist das nicht
CDU, SPD und FDP einigen sich in Sachsen-Anhalt auf eine Koalition. Klimaschutz bleibt Nebensache, das Umweltministerium wird sogar zerschlagen.
„Wir haben schweren Herzens Abschied genommen von der Zuständigkeit für den Bereich Wirtschaft“, deutete SPD-Landesvorsitzender Andreas Schmidt die Hauptkonflikte der letzten Verhandlungstage an. Die CDU und namentlich ihr Landesvorsitzender, designierter Wirtschaftsminister und Haseloff-Nachfolger Sven Schulze setzten ein Superministerium für Wirtschaft, Tourismus und Landwirtschaft durch. Dagegen hatte sich sogar beim stockkonservativen Bauernverband Widerstand geregt – vergeblich.
Der bisherige SPD-Wirtschaftsminister Armin Willingmann wird nun mit dem Wissenschaftsministerium entschädigt, das um die Bereiche Klimaschutz, Energie und Umwelt erweitert wird. Die FDP erhält ein auch für die Landesentwicklung zuständiges Digitalisierungsministerium.
Bei der Landtagswahl am 6. Juni hatte die CDU mit 37,1 Prozent einen überraschend deutlichen Wahlsieg weit vor der AfD errungen. Eine Koalition mit der erneut geschrumpften SPD hätte im Landtag nur eine Stimme Mehrheit gehabt. Weil die Bündnisgrünen so ihr Druckpotenzial als Mehrheitsbeschaffer verloren hätten, lehnten sie eine Wiederholung der Kenia-Koalition ab. An ihre Stelle trat die FDP, die nach zehn Jahren erstmals wieder die Fünf-Prozent-Hürde übersprang.
Linke fürchtet „sozialpolitischen Kollaps“
Die eher konservative Grundausrichtung von CDU, FDP und auch der Landes-SPD hatte die Koalitionsverhandlungen zunächst flüssig erscheinen lassen. Erst Ressortzuschnitte und Geldfragen brachten sie Anfang August ins Stocken. Inhaltlich waren bei den Nachtsitzungen des 18-köpfigen Verhandlungsgremiums in den Schlusstagen nur wenige Punkte strittig.
Der Koalitionsvertrag selbst liegt noch nicht im Wortlaut vor. Die vom CDU-Landesvorsitzenden Sven Schulze am Montag erwähnten Kernpunkte enthalten aber kaum Überraschungen. Echte Klimapolitik ist nicht in Sicht. Der so genannte Kohleausstiegspfad zum Jahr 2038 wird nicht verkürzt. Wieder einmal möchte Sachsen-Anhalt Modellland werden, diesmal für grünen Wasserstoff. Als Reaktion auf den rasanten Klimawandel wurde sonst nur die Aufforstung angepasster Baumarten und die Einrichtung von fünf Modellregionen für die Beobachtung von Wetterextremen genannt. Umweltschutz soll generell im Einklang mit Kommunen und der Landwirtschaft geregelt werden. Überprüft werden soll der Schutzstatus des Wolfes.
Die Landespolizei soll derweil auf 7.000 Beamte aufgestockt werden. Absichtserklärungen gibt es auch für eine stabile Schulstruktur mit Grundschulverbünden. Theater und Orchester bekommen eine verlässliche Finanzierung zugesichert. Auch ein formales Bekenntnis zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk ist enthalten, nachdem die Landes-CDU im Vorjahr zunächst den Rundfunkstaatsvertrag gekippt hatte – und am Bundesverfassungsgericht scheiterte. Die Autobahnen 14 und 143 sollen bis 2025 fertiggebaut werden.
Das Sondervermögen zur Bewältigung der Coronafolgen soll nunmehr eineinhalb Milliarden Euro umfassen, der Finanzausgleich mit den Kommunen 1,73 Milliarden. Die SPD setzte die Kopplung des Vergabegesetzes an einen Mindestlohn von etwa 13 Euro durch.
Kritik an den Plänen der künftigen Koalition kommt von der Opposition. Grünen-Landesvorsitzender Sebastian Striegel sagt, die Auflösung des Umweltministeriums erschwere zukünftig wohl die Suche nach Antworten auf die Klimakrise. Überhaupt verspiele diese Koalition Zukunftsansätze.
Die Linke spricht gar von einem drohenden „sozialpolitischen Kollaps“ und vermisst vor allem die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Frühkindliche Bildung, Kita-Kostenfreiheit und ein bereits angeschobenes Kinderfördergesetz blieben auf der Strecke, so die Befürchtung.
Am Mittwoch soll der Koalitionsvertrag den Basen von SPD, CDU und FDP zugeleitet werden. CDU und SPD wollen ihre Mitglieder dazu befragen, was etwa vier Wochen in Anspruch nehmen wird. Geht hier alles glatt, soll der alte neue Ministerpräsident, Reiner Haseloff (CDU), bereits am 16. September gewählt werden, zehn Tage vor der Bundestagswahl.
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