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Deutschland bremste bei EU-VerhandlungenMehr Wirtschaftsschutz, weniger Reparatur

Interne Dokumente zeigen: Bei den EU-Verhandlungen zum Recht auf Reparatur bremste Deutschland. Verbände fordern nun Ambitionen bei der Umsetzung.

Reparieren statt neu kaufen? Bei Smartphones gibt es zumindest zahlreiche Reparaturläden Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin taz | Die Bundesregierung hat bei den EU-Verhandlungen zum Recht auf Reparatur gebremst statt für Tempo gesorgt. Das geht aus Dokumenten hervor, die die Open Knowledge Foundation nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) angefordert hat und die der taz vorliegen.

So zeigen etwa zwischen den zuständigen Ministerien abgestimmte Weisungen für die Verhandlungen in EU-Arbeitsgruppen, dass Deutschland sich unter anderem für einen kürzeren Gewährleistungszeitraum ausgesprochen hatte. Außerdem heißt es in einem der Dokumente (Original auf Englisch): „Deutschland steht nach wie vor der Verpflichtung der Mitgliedstaaten kritisch gegenüber, neben der Meldepflicht zusätzlich mindestens eine reparaturfördernde Maßnahme zu ergreifen.“

Durchsetzen konnte sich Deutschland damit zwar nicht – Vorschläge für eine deutliche Stärkung des Verbraucherschutzes blieben allerdings aus. Aktuell wird Zahlen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) zufolge in Deutschland weniger als ein Viertel aller defekten Geräte repariert. Hürde sind dabei häufig die Kosten: Nicht nur bei manchen Elektrogeräten, auch bei Kleidung oder sogar Möbeln ist ein billiger Neukauf oft günstiger als eine Reparatur.

Die EU hat daher im Frühjahr ein Recht auf Reparatur beschlossen. Damit sollen Reparaturen einfacher, leichter zugänglich und auch bezahlbarer werden. In Kraft getreten ist die Richtlinie Anfang Juli. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen sie in den kommenden zwei Jahren umsetzen. Das Bundesjustizministerium (BMJ), das in den Verhandlungen federführend war, gab auf Anfrage an, derzeit an Vorschlägen zur Umsetzung zu arbeiten – Details könne man aber noch nicht nennen.

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Konflikt zwischen Ministerien

Aus den Dokumenten geht auch hervor, dass vor allem zwischen dem von der FDP geführten BMJ und dem grün geführten Bundesumweltministerium (BMUV) Differenzen bestanden. So skizziert das BMJ auf die IFG-Anfrage hin vor allem wirtschaftsfreundliche Ziele. Zum Beispiel: keine höheren Bußgelder, keine Verpflichtung für Hersteller, ein Ersatzprodukt für die Reparaturdauer bereitzustellen und keine Ausweitung des Reparaturrechts auf weitere Produktgruppen. Das BMUV wünschte sich dagegen unter anderem mehr Produktgruppen und eine Preisangabepflicht für Standardreparaturen.

„Die FDP hat die Wirtschaftsinteressen durch das BMJ in die Verhandlungen reingetragen“, sagt Maximilian Voigt von der Open Knowledge Foundation. Viele Menschen wünschten sich, Dinge zu reparieren, statt sie ersetzen zu müssen, aber das Thema werde von der Politik nicht ausreichend adressiert.

Voigt kritisiert auch, dass die Richtlinie Ver­brau­cher:in­nen eher passiv versteht. „Nutzer:innen werden nicht mitgedacht, wenn es um das Selberreparieren geht.“ So werde es trotz der neuen Regeln für Privatpersonen schwierig bis unmöglich, Zugang zu den Ersatzteilen der Hersteller bekommen.

„Gerade wenn man sich anschaut, was andere Länder machen, ist es frustrierend, dass hier nichts vorangeht“, sagt Katrin Meyer vom Runden Tisch Reparatur. Sie hofft daher, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ihre Spielräume für mehr Verbraucherschutz nutzt: mit einer Ausweitung auf weitere Produktgruppen, einem klaren Rahmen, was Ersatzteile kosten dürfen, und einem Reparaturbonus nach französischem Vorbild, für den die Hersteller aufkommen müssen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Produkte, die jetzt schon in Gebrauch sind, auch repariert werden“, sagt Meyer.

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