Deutscher Spargel verkauft sich schlecht: Stängelgold in der Krise
Niedersachsens Spargelbauern sind unter Druck. Ihr Absatz schwindet, nicht nur durch Billigimporte. Die Branche dürfte weiter schrumpfen.
Schon 2021 wurden, laut des Landesamts für Statistik Niedersachsen, nur 25.100 Tonnen Spargel gestochen, 5,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Anbaufläche sank gegenüber 2020 um 300 Hektar, 500 blieben ohne Beerntung, der Ertrag auf den Feldern sank um 2,3 Prozent. Die Gründe waren vielfältig, von Schlechtwetter bis zum Schädlingsbefall.
Hinzu kommt der Ruf der Branche, ins Wanken gebracht durch massive Gewerkschaftskritik an den oft miserablen Arbeitsbedingungen prekär beschäftigter Saisonarbeiter aus Osteuropa. „Saisonarbeit bedeutet: kein Kranken- und Sozialversicherungsschutz, oft schlechte Unterkünfte“, fasst es Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, zusammen.
Spargelland Niedersachsen
Und dann sind da noch die preisgünstigen Importe, auch aus Übersee. Die knapp 400 Spargelbetriebe Niedersachsens haben also zu kämpfen. Ihr Anteil an der Produktion in Deutschland ist enorm: „Jede fünfte deutsche Spargelstange stammt aus Niedersachsen“, rechnet die Landwirtschaftskammer Niedersachsen vor.
„Wenn es um Billigimporte geht, muss der Lebensmitteleinzelhandel in die Pflicht genommen werden“, sagt Miriam Staudte der taz, Vize-Fraktionschefin der Grünen im hannoveraner Landtag und Sprecherin für Landwirtschaft. „Wenn er Importe, die nach geringeren Standards produziert worden sind, die lange Transportwege hinter sich haben, neben hiesige Erzeugnisse zu niedrigeren Preisen legt, macht er es den regionalen Landwirten sehr schwer“ – noch dazu, wenn er früher als der heimische Spargel geerntet werden kann.
Der Rückgang des Absatzes der deutschen Spargelhöfe sei „ein wirkliches Problem“, sagt Staudte. „Besonders schlimm ist es natürlich, wenn sich das Abernten dadurch teils gar nicht mehr lohnt.“ Kaum verwunderlich, wenn der Spargel dann nicht mal mehr geerntet wird. Nicht nur für die Spargellandwirte selbst ist das fatal. „Es soll vorgekommen sein“, sagt Staudte, „dass Erntehelfer von heute auf morgen keine Arbeit mehr hatten.“
Christoph Heringhaus, Spargelbauer aus dem niedersächsischen Bad Iburg, beschäftigt auf seinen 30 Hektar rund 40 Saisonkräfte aus Polen und Rumänien; die meisten von ihnen, erzählt er, kommen Jahr für Jahr wieder. Heringhaus baut Weiß- und Grünspargel an.
Das Problem seien nicht die Billigimporte allein. „Die gesamte Wirtschaftssituation ist ja äußerst belastet“, sagt er der taz. „Die Leute sind verunsichert, auch wegen des Krieges in der Ukraine, halten ihr Geld fest. Niemand weiß ja, was noch kommt. Luxus, den man nicht zum Leben braucht, leistet man sich nicht mehr.“
30 Prozent weniger Direktvermarktung verzeichnet Heringhaus derzeit. Noch sei das aufzufangen. „Dieses Jahr halten wir noch durch“, sagt er. „Aber wenn sich das so weiterentwickelt, bleibt uns nur eine Wahl: Entweder wir verlagern unsere Produktion nach Osteuropa – und das möchte ich nicht – oder wir hören auf.“
Für 2023 erwartet er eine weitere „massive Verschärfung“, auch wegen der Anhebung des Mindestlohns. Dieses Argument kann Staudte allerdings nicht nachvollziehen: „Das ist ja nur eine geringe Erhöhung pro Stunde. Das müsste der Verkaufspreis eigentlich abdecken.“
Sparwillen zu spüren
Einer der Abnehmer des Spargels, den Heringhaus anbaut, ist der Hof Hauswörmann in Osnabrück. Seniorchefin Sigrid Padeffke bietet den Spargel in ihrem Hofladen an. Auch bei ihr ist die Tendenz deutlich: „Wir verkaufen 50 Prozent weniger Spargel als im vergangenen Jahr.“ Fast 25 Jahre lang hatte der Hof Hauswörmann selbst Grünspargel angebaut.
Hof Hauswörmann hat zwar viele Stammkunden, und viele von ihnen müssen auch bei steigenden Lebenshaltungskosten nicht unbedingt jeden Cent umdrehen. Aber auch hier ist Sparwille zu spüren: „Zuweilen fragen Leute gezielt nach preiswerterem Bruchspargel“, sagt Sigrid Padeffke. „Die sagen dann: Den muss ich auf dem Teller ja sowieso zerschneiden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin